Die ersten Menschen auf einem Foto waren ein Schuhputzer und sein Kunde. Es stammt von Louis Daguerre, der 1838 eine Aufnahme des Boulevard du Temple in Paris machte. Um überhaupt sichtbar zu sein, mussten die beiden Modelle zehn bis fünfzehn Minuten stillhalten. Unzählige Menschen wurden seitdem auf offener Straße fotografiert, durch die Aufzeichnungsautomaten von Google Street View kamen noch etliche Millionen hinzu. Der Fotograf Michael Wolf hat nun einige der von Google unfreiwillig Porträtierten herausgepickt und sie noch einmal fotografiert.
Eigentlich hat sich Wolf auf großformatige Fotoserien über asiatische Ballungszentren wie Hongkong, Peking oder Tokio spezialisiert. Eine seiner letzten Arbeiten – "Tokio Compression" – zeigte in U-Bahn-Waggons eingepferchte Fahrgäste, die sich an den Scheiben ihre Gesichter plattdrücken. Nach seinem Umzug nach Paris machte sich der Fotograf auf die Suche nach Bildmotiven, die keine müden Paris-Klischees waren. Er wurde fündig – bei Google Street View. Mehrere Stunden am Tag stromerte er durch das fotografische Portfolio von Paris und hielt nach Details und Momentaufnahmen Ausschau: Schatten, Spiegelungen, Passanten. Er vergrößerte sie und machte so aus Automatenbildern: Autorenbilder. Gleichsam im Vorbeigehen ist Wolf eine Typologie der Fuck-you-Gesten gelungen. Denn anders als bei Daguerres Schuhputzer gefiel es vielen ganz und gar nicht, dass sie fotografiert wurden.
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