Kunst, Sozialarbeit und heilige Impfstoffe

Corona-Pandemie Wie das Menschenbild des Bundesministeriums des Innern und die Zulassung der Impfstoffe zu einem Rationalitätsverlust in weiten Teilen der Bevölkerung geführt hat.

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Sozialarbeitende Künstler

Ich untersuche die räumliche und temporäre Unschärfe in vermeintlich stabilen Systemen. Meine Medien sind Fotografie, Video und Installation. Ich bin Bildender Künstler. Eigentlich. Denn konzentriert als Künstler zu arbeiten ist mir nicht möglich. Ich gehöre zu den 95 %, die nicht von ihrer Kunst leben können. Für meinen Lebensunterhalt arbeite ich, seit etwa 10 Jahren, zusätzlich als Betreuer im Betreuten Einzelwohnen. Ich unterstützte Menschen mit chronischen Erkrankungen und Behinderungen bei ihrem Wunsch alleine und so selbständig wie möglich zu wohnen. Das beinhaltet alle Lebensbereiche, sei es die Unterstützung bei der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, bei alltäglichen Problemen und Herausforderungen im Haushalt, Hilfe beim Erstellen von Anträgen oder beim Verstehen von Schriftstücken. Manchmal bedeutet es aber auch Menschen bei der Verschlechterung ihrer Krankheit Hilfe und Halt zu geben. Das kann in der Konsequenz in manchen Fällen auch der Weg ins Krankenhaus, auf die Intensivstation, ins Hospiz und die Begleitung bis in den Tod sein.

Mein erster Klient war Georg*, ein damals 45jähriger Mann mit Beeinträchtigungen durch ein Schädel-Hirn-Trauma und Multipler Sklerose. Georg war Udo Lindenberg und Star Trek Fan und auf seine ganz eigene, ruhige und sympathische Art, ein stolzer Mensch. Obwohl seine Gehfähigkeit, aufgrund seiner fortschreitenden MS, stark eingeschränkt war, bestand er darauf, selbstständig und bis auf einen Gehstock ohne Hilfsmittel, zu gehen. Auch wenn er immer wieder stürzte. Georg fiel es sehr schwer Dinge loszulassen. Bei meinem ersten Besuch bei ihm zu Hause, konnte die Haustür nur einen Spalt weit geöffnet werden, da die gesamte Wohnung bis zur Decke mit Zeitungen, Büchern, Plastiktüten und nicht ausgepackten Elektrogeräten zugestellt war. Georg musste alles was er sah und ihm gefiel in allen vorhandenen Farben und mehrfach kaufen. So günstig würde man es nie wieder bekommen und es könne ja mal etwas kaputt gehen, pflegte er seine Einkäufe zu begründen. Die Arbeit mit ihm war speziell, aber ebenso bereichernd. Vor etwa dreieinhalb Jahren erhielt Georg die Diagnose Lungenkarzinom. Ich begleitete ihn auf seinen Wegen ins Krankenhaus. Wir warteten gemeinsam viele Stunden in Notaufnahmen und sprachen über das Leben, den Tod und die Dinge die ihm wichtig waren. Zwischendurch durchforstete er die neuesten Werbeprospekte, auf der Suche nach aktuellen Sonderangeboten. Das war gut so, denn für ihn war es bedeutsam und es gehörte zu seinem Leben. Vor gut zwei Jahren zog er in ein Neuköllner Hospiz und verstarb einige Wochen später. Es hat mich nachhaltig beeindruckt, wie aufrecht und angstfrei Georg aus dem Leben geschieden ist und ich bin ihm dankbar, dass ich ihn ein Stück weit begleiten durfte.

Obwohl ich immer bemüht bin emotional einen professionellen Abstand zu bewahren, mochte ich Georg und manchmal vermisse ich ihn, aber auch das gehört zu dieser Arbeit. Und ich mag sie, obwohl sie psychisch, kognitiv und oft auch körperlich fordernd und im Gegensatz zu ihrem Anspruch - wie der größte Teil der sozialen Berufsfelder - eklatant unterbezahlt ist, sowie einen deutlichen Mangel an Wertschätzung in der Gesellschaft erfährt. In dieser Hinsicht ergeht es der Sozialarbeit nicht besser, als dem Großteil der künstlerisch tätigen Menschen. Kunst und Sozialarbeit haben auch auf anderen Ebenen Gemeinsamkeiten. Bei beiden geht es um einen kreativen Blick hinter das Vordergründige. Im besten Fall darum, den Weg zur Manifestierung eines inneren Kerns, einer immanenten Wahrheit zu begleiten. Rainer Maria Rilkes unprätentiöser Ausspruch trifft das Wesen beider Berufsfelder: „Die Kunst (Die Sozialarbeit) ist nur ein Weg, nicht das Ziel.“

Angst statt Aufklärung

Neben der mangelnden Wertschätzung für viele Berufszweige, gibt es auch einige andere gesellschaftliche Entwicklungen, bezüglich unseres Umgangs miteinander, die mich beschäftigen. Angefangen damit, dass Empfänger von Transferleistungen von vielen Mitarbeitern der öffentlichen Behörden wie Menschen zweiter Klasse behandelt werden. Das zur Klärung einfacher Sachverhalte endlose Telefon-Warteschlangen und Schleifen mit Computerstimmen zum Standard geworden sind. Das Menschen in unserem Wirtschaftssystem auf konsumierende Einheiten reduziert werden. Das sich Menschen im öffentlichen Raum nicht mehr gegenseitig ansehen, sondern ausschließlich mit ihren Smartphones und Tablets verbunden sind.

Zwar bewirkt jede Einführung neuer Techniken und Medien auch ein gewisses Maß an Verunsicherung und Skepsis, doch die aktuelle Entwicklung verursacht gravierende und komplexe Veränderungen in unserer Gesellschaft. Es scheint eine massive Verschiebung elementarer, zwischenmenschlicher Werte aufzutreten. Dies manifestiert sich in konzentrierter Form in der aktuellen Situation.

Die Bundesregierung hat leider von Beginn der Pandemie an auf Angsterzeugung als Leitstrategie für die Motivation der Bevölkerung gesetzt. Im Szenarienpapier des Bundesministeriums des Innern und für Heimat Wie wir COVID-19 unter Kontrolle bekommen heißt es auf Seite 13, Absatz 4a: „Wir müssen wegkommen von einer Kommunikation, die auf die Fallsterblichkeitsrate zentriert ist. Bei einer prozentual unerheblich klingenden Fallsterblichkeitsrate, die vor allem die Älteren betrifft, denken sich viele dann unbewusst und uneingestanden: «Naja, so werden wir die Alten los, die unsere Wirtschaft nach unten ziehen, wir sind sowieso schon zu viele auf der Erde, und mit ein bisschen Glück erbe ich so schon ein bisschen früher». Diese Mechanismen haben in der Vergangenheit sicher zur Verharmlosung der Epidemie beigetragen.
Um die gewünschte Schockwirkung zu erzielen, müssen die konkreten Auswirkungen einer Durchseuchung auf die menschliche Gesellschaft verdeutlicht werden:
...“

Was für ein erschreckend eindimensionales Menschenbild steckt hinter diesen Zeilen. Und dass Angst kein „nachhaltiger“ Motivator sein kann und sollte, muss nicht weiter ausgeführt werden. Die Folgen dieser Vorgehensweise spiegeln sich im aktuellen Zustand unserer Gesellschaft. Aufklärung und eine transparente Politik auf Augenhöhe mit den Bürgern wäre sicherlich deutlich zielführender und weniger zerstörerisch gewesen.

Nur ein Piks

Ich habe mir die Entscheidung für oder gegen eine Impfung nicht leicht gemacht. Nach intensiver Auseinandersetzung mit den Impfstoffen, sowie alternativen Möglichkeiten des Infektionsschutzes habe ich mich gegen die Impfung entschieden. Unbestritten hatte auch der Blick auf die Gesamtsituation, den politischen und gesellschaftlichen Umgang mit der Pandemie und der Impfthematik seinen Einfluss auf diese Entscheidung. Wie vorauszusehen war, wurde und wird die Situation für nicht geimpfte Menschen täglich problematischer. Der, vom ehemaligen Gesundheitsminister, pünktlich zum herbstlichen Anstieg der Infektionszahlen, ausgegebene Schlachtruf der „Pandemie der Ungeimpften“ gab den Startschuss für eine gänzlich enthemmte Hetze gegen nicht geimpfte Menschen. Durch geschickte Propaganda und gezielte Desinformation haben es die Akteure erreicht, alle Menschen die sich nicht impfen lassen oder der Corona-Politik kritisch gegenüberstehen, als unsolidarische Egoisten, Verschwörungstheoretiker oder Antidemokraten erscheinen zu lassen. Die inzwischen alltäglich gewordene Diskreditierung, Diskriminierung und Ausgrenzung einer ganzen, in sich jedoch ausgesprochen heterogenen, Bevölkerungsgruppe ist unwürdig. Was jedoch wirklich befremdet, ist, dass dies alles der Mehrheit der Menschen nicht aufzufallen scheint oder sogar als richtig empfunden wird.
Auch die Verniedlichung der Impfung durch die immer wieder verwendete Bezeichnung als „kleiner Piks“ fügt sich in dieses Agitationsschema. Es ermöglicht die scheinbar folgerichtige und äußerst abfällige Aussage: Wie dumm (2:50) müssen Menschen sein, die einen derartig belanglosen körperlichen Eingriff ablehnen.

Selbstverständlich ist es nicht nur ein „Piks“. Es berührt, neben der körperlichen Unversehrtheit, zahlreiche weitere Kernfragen des Menschseins. Unter vielen anderen auch die Frage, was ist richtig und was falsch. Wer legt das fest? Im Grunde gibt es kein absolut richtiges oder falsches Tun im Kontext sich stetig wandelnder gesellschaftlicher Normen. Es gibt jedoch etwas wesentlich dauerhafteres, im Buddhismus als rechtes Handeln bezeichnet, ein Handeln, das nicht gesellschaftlichen und tagesmoralischen, sondern ethischen und humanistischen Werten verpflichtet ist. Und dieses Handeln muss jeder Mensch für sich selbst finden können und dürfen.
Die Vorstellung der Politik sie müsse Menschen, deren Beruf es ist mit und für andere Menschen zu arbeiten und die ihnen anvertrauten Menschen vor Schaden zu bewahren, von staatlicher Seite erklären und vorschreiben, wie sie dies zu tun haben, ist gleichermaßen seltsam wie anmaßend.

Der Heilige Gral

Natürlich geht es bei der Fixierung auf die Impfstoffe, als einzig möglichen Weg aus der Pandemie, hinter den Kulissen um Wirtschafts- und Machtinteressen. Aber dies alleine erklärt noch nicht die Besessenheit vieler Akteure, das scheinbar unbändige Verlangen unbedingt jeden einzelnen Menschen zu impfen. Eigentlich jedoch liegt es auf der Hand: Die Impfstoffe sollten der Erlöser sein. Der Retter aus dem Leid. Sie sind zum Heiligen Gral geworden. So wurden sie bereits lange vor ihrer Zulassung bezeichnet. Es geht dabei nicht um Rationalität und Wirklichkeit, es geht um Emotionalität und Glauben. Ein unabdingbarer Glaube an die Impfstoffe, der durch die Realität, z.B. der Tatsache dass die Impfstoffe gegen die aktuelle Virusvariante nahezu wirkungslos sind (Robert Koch Institut, Wochenbericht, 03.02.2022, S.27, Tab.4), nicht zu erschüttern ist.

Die Sakralisierung der Impfstoffe erklärt alles. Es erklärt warum Ärzte damit impfen, ohne ausreichend aufzuklären. Es erklärt weshalb das Robert Koch Institut die Wirksamkeit der Impfstoffe schönrechnet. Es erklärt warum Kinder und Jugendliche geimpft werden, für die SARS-CoV-2 keine relevante Bedrohung darstellt. Es erklärt warum in den Medien täglich über COVID-19 Erkrankte berichtet wird, jedoch niemals über Impfschäden. Es erklärt seltsame Aussagen, z.B. die, dass eine natürliche Infektion eine schmutzige Impfung sei, oder gar, dass wir nicht zulassen dürften, das Omikron eine Impfung überflüssig machen würde. Es erklärt auch, weshalb eine einrichtungsbezogene Impfpflicht beschlossen wurde und nach wie vor über eine Allgemeine diskutiert wird, obwohl sie beide, in unserer aktuellen Situation, unter jedem Aspekt betrachtet, eindeutig verfassungswidrig sind. Es erklärt ebenfalls warum von den Gesundheitsbehörden keinerlei die Impfkampagne begleitenden Studien zur Sicherheit der Impfstoffe angelegt wurden. Es existiert lediglich eine Smartphone App zur Meldung von Nebenwirkungen, deren Ergebnisse und genaue Auswertung bis heute nicht veröffentlicht wurden und der das Unternehmen mediaTest digital bescheinigt: „Aufgrund der leichten Beeinflussungsmöglichkeit sollte den dort hinterlegten Daten nicht viel Vertrauen entgegengebracht werden.“

Und es erklärt ebenso die Diskreditierung und Nötigung von Kritikern und nicht geimpften Menschen, denn in dieser Glaubenswelt sind sie Ketzer oder bestenfalls Ungläubige, die bekehrt werden müssen.

Schlachtfeld der Sprachlosigkeit

Es bleibt abzuwarten, wie lange die Bundesregierung und die Mehrheit der Menschen noch in dieser Parallelwelt einer neuen Religion der Rettung der Menschheit mittels eines menschenerschaffenen „Wunders“ verweilen. Aktuell scheint diese alternative Realität glücklicherweise zu bröckeln. Ein Spezialist für den richtigen Moment die Seiten zu wechseln, der amtierende bayerische Ministerpräsident, hat „viel nachgedacht“, möchte nun einen „breiteren Ansatz“ verfolgen und setzt im Alleingang die einrichtungsbezogene Impfpflicht aus. In diesem Fall kann großmütig von der tatsächlichen Motivation abgesehen und alleine das Ergebnis gewürdigt werden. Denn sollte dieser Weg ausreichend Nachahmer finden, rettet er die berufliche Existenz von hunderttausenden Menschen und verhindert eine katastrophale erneute Verschlechterung der Personal- und Arbeitsbedingungen in den Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen und schützt dadurch schließlich tatsächlich Menschenleben.

Was sicherlich noch lange nachwirken wird in unserer Gesellschaft, in unseren zwischenmenschlichen Beziehungen, ist der Mangel an Empathie, Mitgefühl und Toleranz der sich in der Corona-Krise offenbart hat. Es sind nicht verschiedene Meinungen, sondern von Grund auf differente Welt- und Menschenbilder kollidiert. Entstanden ist ein Schlachtfeld der Sprachlosigkeit, eine tiefe Verunsicherung und ein unfassbares Durcheinander. Werte, Begriffe und politische Richtungen erfahren eine tiefgreifende Neudefinition. Ein sich komplett umsortierendes System. Ebenso befremdlich wie faszinierend und gefährlich. Aber zweifelsfrei eine höchst anspruchsvolle Herausforderung für die soziale sowie die künstlerische Arbeit.

*Name geändert

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Mark Marek

Bildender Künstler | Sozialarbeiter

"VOM VOM - ZUM ZUM - UND ZURÜCK" Ernst Jandl

Mark Marek

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