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Teurer Pass Deutschland ist beim Wachstumsmarkt Biometrie ganz vorne

Ab dem ersten November werden Reisepässe mit biometrischen Daten ausgestattet. Zunächst wird auf einem per Funk lesbaren RFID-Chip, der im vorderen Deckel integriert ist, ein digitales Foto gespeichert, ab März 2007 kommen zwei Fingerabdrücke hinzu. Bundesinnenminister Otto Schily erhofft sich von der Neuregelung eine erhöhte Fälschungssicherheit, verbesserte Identifizierung bei der Einreise, Unterstützung bei Personenfahndungen und erleichterten Reiseverkehr. Die Einführung biometrischer Merkmale im Reisepass gründet sich auf das Terrorismusbekämpfungsgesetz vom Januar 2002 und nicht zuletzt auch auf massiven Druck der USA. Diese hatten angekündigt, künftig Menschen aus Ländern, die keine biometrischen Merkmale in ihre Pässe integrieren wollen, nicht mehr visafrei einreisen zu lassen.

Am Frankfurter Flughafen läuft seit Februar 2004 ein Feldversuch. Dort haben sich mittlerweile rund 15.000 Personen freiwillig registrieren lassen, um in den Genuss einer schnelleren Abfertigung zu kommen. Für die Identifikation wird hier ein Scan der Augeniris verwendet, die Fehlerquote liegt nach Angaben der Bundespolizei bei rund einem Prozent. Für den neuen Pass ist allerdings die Speicherung von Fingerabdrücken vorgesehen. Dann dürfte laut Chaos Computer Club (CCC) die Fehlerquote höher liegen, denn rund zwei Prozent der Bevölkerung verfügen gar nicht über genügend stark ausgeprägte Abdrücke, um eine sichere Identifizierung zu erlauben. Das bedeutet europaweit rund acht und bundesweit etwa 1,6 Millionen Bürgerinnen und Bürger, die bei flächendeckender Verbreitung des Passes künftig bei jeder Kontrolle unter Generalverdacht stehen könnten. Zumal laut einer kleinen Anfrage der FDP die Bundesregierung die Einführung biometrischer Merkmale auch in den Personalausweis plant.

Für Schily ist zentraler Vorteil des Passes, dass seine (Ver)Fälschung und die Nutzung echter Pässe durch Unberechtigte stark erschwert würde. Doch der Hinweis des Noch-Innenministers auf die Nutzung der Biometrie bei der Personenfahndung dürfte bedeutender sein. In Großbritannien etwa sind - bislang allerdings wohl noch erfolglos - automatisierte Gesichtserkennungssysteme bereits im Einsatz, bei denen Videokameras Gesichter erfassen und mit einer Datenbank abgleichen. Immerhin, nach derzeitigem Stand ist in Deutschland keine zentrale Speicherung biometrischer Daten vorgesehen, das Passgesetz verbietet dies sogar. Jedenfalls derzeit noch.

Schily verschweigt nicht, was die Neuerung auch ist: "Die Pässe sind auch ein Wirtschaftsfaktor. Passproduzenten wie die Bundesdruckerei, Giesecke Devrient und Chiphersteller wie Philips und Infineon haben ein technisches Knowhow, das ... weltweit seines gleichen sucht. Mit der Einführung der neuen Pässe bringen wir den Beweis, wie rasch sich deutsche Firmen ... auf den zukunftsorientierten Wachstumsmarkt der Biometrie eingestellt haben." Der wirtschaftliche Aspekt lässt sich kaum übersehen: Die Grünen-Politikerin Silke Stokar gibt unter Berufung auf das Büro für Technikfolgenabschätzung die Kosten für die Einführung mit fast 670 Millionen Euro an, hinzu kämen weitere 610 Millionen Euro jährliche Kosten. Kein Wunder, dass der Preis für den "Endverbraucher" von bisher 26 Euro auf 59 Euro steigt. Nach Angaben Schilys kommen die Deutschen damit noch gut weg: In Großbritannien sollen rund 100 Euro fällig werden. Für die Sprecherin des Bundesbeauftragten für Datenschutz ist denn auch fraglich, ob Aufwand und Sicherheitsgewinn in einem vernünftigen Verhältnis stehen. Die Datenschutzaktivisten des Vereins Foebud kritisieren die Verwendung von Funkchips, die theoretisch die Möglichkeit des unbemerkten Auslesens persönlicher Daten eröffnen. Laut Bundesinnenministerium ist dies zwar durch mehrfache Verschlüsselung praktisch unmöglich. Doch die Behauptung, ein Code wäre nicht zu knacken, wurde von gewieften Hackern schon häufig widerlegt.


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