Kaum ein Artikel zum Thema Schwule und Fußball kommt ohne die Nennung des Namens Paul Steiner aus. Dabei gehört der frühere Libero des 1. FC Köln zu den Männern, die Schwule partout nicht leiden können und die mit solch einem pikanten Thema und mit solch pikanten, um kein anderes P-Wort zu benutzen, Leuten nichts und wirklich gar nichts zu tun haben möchten.
Aber Paul Steiner hat, was das Thema Schwule und Fußball angeht, ideengeschichtliche Bedeutung erlangt. »Ich kann mir nicht vorstellen«, lautet ein vielzitiertes Steiner-Diktum, »dass Schwule Fußball spielen können.« Als er es 1990 aussprach, lachten zwar schon die meisten über Steiner, dessen besondere Fähigkeit, den Ball zu spielen, sich 1979 zeigte, als er das Mittelfeldgenie Heinz Flohe mit einem Tritt einen Schien- und Wadenbeinbruch und somit die Sportinvalidität beibrachte. Aber Steiner, egal wie tumb beabsichtigt, brachte damals wenigstens das Thema auf.
Der Fernsehsender Premiere mit seinem damaligen Sportchef Reinhold Beckmann lud 1991 zu einer Streitsendung, in der Steiner mangels offen schwul lebender Kicker halt mit einem schwulen Fan konfrontiert wurde: Corny Littmann, bekannt als »Herr Schmidt« aus dem St. Pauli-Theater. Der erzählte dort, er habe schon mit einem Spieler aus dem aktuellen Kader des 1. FC Köln eine schöne Liebesnacht verbracht. Steiner war verunsichert und kam nicht umhin, seine These wenigstens ein bisschen zu korrigieren: »Fußball spielen können Schwule vielleicht, aber ich glaube nicht, dass sie hart genug sind, um im Profigeschäft zu bestehen.« Und mit diesem Diktum könnte Paul Steiner vielleicht sogar Recht haben. Schließlich gibt es nicht allzu viele Fälle schwuler Fußballer, und keiner endete glücklich.
Justin Fashanu war der Erste. Der Engländer outete sich 1990 selbst, und in der Folge wollte ihn kein Verein mehr haben. Die Fußballwelt mag so etwas nicht, und Fashanu flüchtete nach Kanada, wo es zwar kaum Geld zu verdienen gibt, man ihn aber in Ruhe ließ. Als er wieder nach Großbritannien zurückkam, musste er zunächst bei einem Provinzverein anheuern, dann bei einem besseren Club, der ihn aber entließ wegen »Verhaltens, das eines Fußballers nicht würdig ist«. Fashanu erhängte sich am 2. Mai 1998 in einer Garage in London.
Heinz Bonn war der erste Deutsche, zumindest der erste, der bekannt wurde. Der Siegerländer war vom Wuppertaler SV gekommen und kickte drei Jahre in der Bundesliga beim Hamburger SV. Von 1970 bis 1973 stand er mit Helden wie Uwe Seeler und Charly Dörfel in einer Mannschaft, er wurde »Bonni« genannt und hatte den Ruf eines beinharten Verteidigers mit »Pferdelunge«. Groß raus kam Bonn nie, die große Zeit des HSV fand auch nicht gerade in seiner Zeit statt. Nach der kurzen Profikarriere verfiel Bonn dem Suff. Am 5. Dezember 1991 wurde er in seiner Ein-Zimmer-Wohnung in Hannover tot aufgefunden, ermordet von einem Strichjungen. Heinz Bonn wurde erst im Tod geoutet, Justin Fashanu musste, daran lassen seine Freunde keinen Zweifel, sein Outing in einer homophoben Gesellschaft mit dem Tod bezahlen.
Die Steinerpauls aber kicken weiter oder stehen auf den Rängen oder an der Linie. Erst jüngst rief Achim Steffens, Trainer des FC Magdeburg, ins Spiel: »Ihr schwulen Säcke, euch bring ich alle um!« Ein schwuler Fußballer, der im Steinerschen Sinne »hart genug ist, um im Profigeschäft zu bestehen«, hat sich bislang nicht gefunden.
Aber Steiners Konkurrent aus dem Premiere-Studio von 1991, »Herr Schmidt« alias Corny Littmann, hat Einzug in den Profifußball gehalten. Er amtiert seit Anfang Dezember 2002 als Präsident des Zweitligisten FC St. Pauli. Die Rückrunde hat begonnen, so dass Schmähgesänge gegnerischer Fans ausblieben, aber St. Pauli, das vermutlich absteigen wird, pflegt ja ohnehin den Ruf des anderen Fußballclubs.
Littmann jedenfalls, der auf der Reeperbahn erfolgreich zwei Privattheater betreibt und 1999 zum Hamburger Unternehmer des Jahres gewählt wurde, hat von Beginn an gezeigt, dass er Härte zu zeigen gedenkt. Er entließ als erste Amtshandlung Trainer Joachim Philipkowski. Kurz später flog Geschäftsführerin Tatjana Groeteke. Die zwei Manager Stephan Beutel und Franz Gerber, die sich bislang bekriegten, denn Gerber war ein halbes Jahr vorher hinter Beutels Rücken verpflichtet worden, zwang Littmann zur Kooperation bei der Trainersuche. Da sich kein renommierter Fußballlehrer fand, steht Gerber nun auf dem Platz. Nun gibt es noch Presse- und Gerichtsauseinandersetzungen um schwarze Kassen und eine amouröse Affäre, die die Ex-Geschäftsführerin mit dem Manager gehabt haben will. Das harte Profigeschäft, vor dem Paul Steiner die weichen Schwuchteln nur warnen konnte, hat zumindest in diesem Punkt eine heterosexuelle Schwäche aufgedeckt.
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