Die Schweiz jubelt. Denn die Schweiz hat den America´s Cup gewonnen. Die Schweiz? Ist bekannt. Ein nettes kleines Land, wo der Urlaub teuer ist, aber die Lebensqualität sehr hoch.
Der America´s Cup? Ein Pokal, den man mit dem so selten erlaubten Genitiv-Apostroph schreiben darf, und der für die Besten einer Sportart ausgelobt wird, in der man die Schweiz bislang nicht an führender Stelle wähnte - im Hochseesegeln.
Früher, vor 20, 30 Jahren, kamen sehr harmlose und das Klima in der westlichen Republik nicht schlecht umreißende Witzlein noch damit aus, von österreichischen Marineministern zu sprechen, doch damals kannte man ja auch das noch nicht, was heute Globalisierung genannt wird. Dass eine Welt derart zusammenwachsen könnte, dass ausgerechnet die Schweiz den bedeutendsten Hochseesegelwettbewerb gewönne? Nö, das traute niemand dem Kapitalismus zu.
Dabei gibt es den America´s Cup seit 150 Jahren, also ziemlich genau so lange wie den Kapitalismus. Und dieser Wettbewerb hat eigentlich nie einen Zweifel daran aufkommen lassen, dass er ein recht getreues Abbild gesellschaftlicher Verhältnisse ist. Zu gewinnen gibt es eine hässliche Kanne, die es mit dem schnöden Erscheinungsbild eines Kontoauszuges, auf dem sich ja in Geld transformierter Mehrwert zeigt, durchaus aufnehmen kann.
Beinah 130 Jahre dominierten die USA den Wettbewerb, was zwar nicht ganz parallel läuft zur etwas später erst erlangten Hegemonialposition der USA auf den Weltmärkten, aber dass sie vor etwa 15 bis 20 Jahren in die Krise gerieten und der Pokal woanders hinging, nämlich 1983 an Australien, und dass in diesem Jahr sogar das Finale zwischen Neuseeland und der Schweiz ausgetragen wurde, das hat schon was mit Globalisierung, Hegemonialkrise und Neuordnungsprozessen auf dem Weltmarkt zu tun.
Auch die in den Sport, das heißt vor allem die in die Boote investierten Mittel nahmen kaum vorstellbare Ausmaße an. Der Spiegel schrieb schon Ende der 1980er Jahre von einem "Krieg der Rümpfe", und die FAZ warnte: "Im America´s Cup hat das Zeitalter der Monster begonnen". Noch vor 15 Jahren berechneten deutsche Firmen, die übrigens bis heute von einem Erfolg träumen, den Bedarf auf 15 bis 20 Millionen Dollar. Heute wird in die Boote etwa 120 Millionen Dollar investiert.
Damals kamen auch die ersten Fernsehübertragungen auf. Von Beibooten und von Hubschraubern konnte mit neuen Techniken endlich das ersetzt werden, was dem Hochseesegeln bislang fehlte und was es von anderen, populäreren Sportarten so dramatisch unterschied: Publikum. Die FAZ jammerte in ihrem Wirtschaftsteil damals: "Dass die amerikanischen Fernsehanstalten vor ihrer Haustür eine Inszenierung à la Hollywood auf die Beine stellen, scheint keine Frage."
Das frühere Hobby reicher Männer, sich mit teurem Gerät den Naturgewalten entgegenzustellen, war professionalisiert. Spitzensegler wurden plötzlich dafür bezahlt, dass sie auf modernsten Booten, die auch als Werbeträger fungieren können, die Überlegenheit der am Zustandekommen des Geräts beteiligten Firmen beweisen.
In Neuseeland, das in den letzten zwei Jahren den begehrten Pokal gewann konnte, hat sich eine richtige kleine America´s-Cup-Industrie entwickelt. Im Rennquartier Viadcut Harbour wurden über 1.300 Arbeitsplätze geschaffen. Im letzten Jahr wurden insgesamt für den Cup-Wettbewerb 640 Millionen neuseeländische Dollar investiert, in diesem Jahr waren es 800 Millionen. "Das sind knapp sieben Prozent des Bruttosozialproduktes oder das Äquivalent zu drei Jahreserlösen aus dem blühenden Weinhandel des Landes", rechnete die Neue Zürcher Zeitung vor.
Der Hochseesegelwettbewerb hat also eine nicht mehr zu unterschätzende volkswirtschaftliche Bedeutung. Kein Wunder, dass dann irgendwann die Schweiz ins Spiel kommt. Der Schweizer Milliardär Ernesto Bertarelli erkannte das Geschäft, und weil er auch ein begeisterter Segler ist, erkannte er auch die Ästhetik des seglerischen Mehrwerts.
Er warb mit Angeboten, zu denen sie nicht nein sagen konnten, die beiden Architekten des neuseeländischen Doppelsiegs ab. Dann bot er der Hälfte der neuseeländischen Segler Verträge an, und ansonsten verpflichtete er andere internationale Stars, darunter auch den Berliner Jochen Schümann, mehrfacher Olympiasieger, - insgesamt wurde es ein 100-köpfiges Team, das unter dem Fantasienamen "Alinghi" auftrat. In Neuseeland wurde das Abwerben der besten Segler mit nationalistischer Wallung kommentiert, wie es ja bei Verlierern auf dem Weltmarkt nicht ganz unüblich ist.
Herausgekommen ist letztlich, was im 20. Jahrhundert nicht möglich schien und was einen interessanten Blick auf die Perspektiven einer globalisierten Welt erlaubt: Die Schweiz hat die bedeutendste Hochseeregatta der Welt gewonnen.
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