Was das Geheimnis des Erfolgs der Fernsehsendung Big Brother war, will dieKonkurrenz schon eine ganze Weile herausfinden. Schließlich bescherte Big Brother dem als Ablegersender konzipierten RTL 2 plötzlich den Aufstieg in die Erste Liga der deutschen Fernsehanstalten.
Nun hat ProSieben einen bemerkenswert merkwürdigen Versuch der Big Brother-Imitation gestartet. Er nennt sich Der Maulwurf. Die Abenteuershow und läuft Samstags um 18.00 Uhr. Es ist die Abfilmung eines großen Pfadfinderspiels mit allerlei Mutproben. Eine Gruppe reist gemeinsam irgendwohin und bekommt irgendwelche Aufgaben gestellt, die sie nur als Gruppe lösen kann. Aber einer aus der Gruppe hat den fiesen Job, alles zu torpedieren. Das ist, man ahnt es, der namensgebende Maulwurf. Die Gruppe soll beispielsweise Bungee-Springen, sich von einem Turm abseilen oder im Dunkeln durch ein ins Maisfeld geschnittenes Labyrinth rennen, dafür gibt es jeweils Geld. Es sei denn, jemand aus der Gruppe versaubeutelt das, der wird dann als Maulwurf verdächtigt. Am Abend gibt jeder aus der Gruppe seinen Tipp ab, wer wohl der Maulwurf ist, beantwortet noch Fragen, wie etwa die, ob der Maulwurf gepierced oder tätowiert, ein Mann oder eine Frau, eher älter oder jünger ist, und wer mit seinen Maulwurf-Tipps am weitesten weg ist, der muss die Gruppe verlassen und hat keine Chance mehr auf den Jackpot.
Was aus dem in Südfrankreich spielenden Maulwurf eine Art Imitation der Daily Doku-Soap aus dem Kölner Wohncontainer macht, ist die ähnliche Präsentation: Bei BigBrother hampelte stets ein von der gesamten Fangemeinde gehasster, weil recht dämlich ausschauender und daherredender Moderator mit dem durchaus passenden Namen Percy Hoven vor der Kamera rum. Der war, wenn schon nicht extra für die Sendung geklont, so doch so ausgesucht worden, dass er, wie man in der Medienwelt sagt, polarisierend wirkt. So einen Moderator, dachte man sich bei ProSieben, brauchen wir auch, wenn wir mit unserem Maulwurf Erfolg haben wollen: Einen, der so rein überhaupt nichts kann, den niemand leiden mag und der auch noch scheiße aussieht. Prima wäre es obendrein, wenn er einigermaßen bekannt wäre, aber gleichwohl noch nicht als Moderator gearbeitet hätte, weil sonst das Maulwurf-Image nicht mehr so klar konturiert rüberkäme.
Bei ProSieben ist schon eine Weile eine Moderatorin namens Jessica Stockmann unter Vertrag, die vom Moderatorenhandwerk, wie sie in ihrer Sendung Talk, Talk, Talk beweist, nichts versteht. Diese Frau Stockmann wird mitunter auch Frau Stich genannt, weil sie die Gattin von Michael Stich ist, dem Tennis-Wimbledonsieger, der durch seine bislang stets gescheiterten, peinlichen Versuche, endlich so ernst genommen zu werden wie Boris Becker, ohnehin schon das Zeug zur ziemlich lächerlichen Figur hat. Auf diesen Michael Stich als Moderator von Maulwurf hat man sich bei ProSieben geeinigt, denn man hält ihn wohl für einen Mega-Percy. Der Maulwurf ist einerseits eine Fernsehsendung, die versucht, durch das Abfilmen wildfremder Menschen, die gerade schlafen, reden oder ihre Unterhosen waschen, Alltag einzufangen und ist auch darin - neben der Präsentation - Big Brother ähnlich. Andererseits aber unterscheidet sich Der Maulwurf sehr vom großen Bruder Big Brother, denn die Sendung orientiert sich anders. Ihr Format mit den dauernden Mutproben und dem großen Gruppendruck lief nämlich bereits in Belgien mit großem Erfolg, ähnliche Konzepte sind auch in Frankreich gut im Rennen, und vor vielen Jahren - die Zeit war wohl noch nicht reif - war etwas Vergleichbares auf Sat.1 schon mal gescheitert. Jetzt soll es Michael Stich richten, doch der ist im Grunde eine zu blasse Erscheinung, um ihn so recht hassen zu können. Soll sich die Gruppe von einem Turm abseilen, stellt sich Stich neben eine ängstliche Kandidatin und ruft pausenlos »Super! Klasse! Du schaffst es!« Stich gibt den untalentierten Pfadfinderleiter, dem man seine Überforderung spätestens dann ansehen wird, wenn etwas Schlimmes passiert. Doch dann wird gewiss das Team eingreifen, und die Szene, in der ein Teilnehmer mit einem Messer auf den vermeintlichen Maulwurf losgeht, wird letztlich doch herausgeschnitten. In völliger Überschätzung der Bedeutung seiner Person erzählt Stich auch gerne Sachen wie: »Ich muss ehrlich sagen, ich hätte das nicht geschafft«, was deswegen niemanden interessiert, weil nicht der Sportler Stich im Mittelpunkt steht, sondern der Moderator Stich. (Von Günther Jauch will man ja auch nicht permanent wissen, ob er seine Fragen hätte beantworten können.)
Eine Aufgabe bei Der Maulwurf war, dass zwei Frauen aus der Gruppe ein Kunstwerk schaffen sollten, das dann in der Freiluftgalerie eines ortsansässigen Künstlers ausgestellt wurde. Die Gruppe sollte erraten, was in diesem Skulpturenpark echte Kunst (also von dem Künstler) oder falsche Kunst (also von den zwei Frauen) war. Sie schafften es nicht, und Stich, der Experte, der weiß, dass wahre Kunst nicht von Kandidatinnen stammen kann, sprach das größte Lob, zu dem er fähig war, aus: »Doch, das kann man als Kunst bezeichnen«, während aus dem Off die Gruppe gerügt wurde: Im Werk der zwei Frauen seien neue Schrauben verwendet worden, daran erkenne man doch, dass es keine richtige Kunst sei. Wahrscheinlich zeigt dieses harmlose Spiel und seine grottendoofe Auswertung durch die Redaktion, warum man bei ProSieben das Erfolgsgeheimnis von Big Brother nicht verstanden hat: Bei Big Brother wurde das Dixie-Klo, das Interims-Bewohnerin Verona Feldbusch an einem Tag vier Mal benutzte, im Anschluss an die Sendung teuer versteigert und zum Pop-Objekt. Für die Skulptur der zwei Maulwurf-Frauen interessiert sich jedoch niemand.
Was ist Ihre Meinung?
Kommentare einblendenDiskutieren Sie mit.