Fast flehentlich vorgetragene Appelle zu mehr Fröhlichkeit und Zuversicht sind ein sicheres Indiz dafür, dass die Stimmung im Keller ist. Für leuchtende Augen bei den Delegierten der CDU sorgte auf dem Parteitag in Leipzig lediglich CSU-Chef Markus Söder, der eigentlich nur für das obligatorische Grußwort angereist war. Als Söder die Grünen piesackte, die SPD bemitleidete und die AfD abwatschte, johlte der Saal. Die Wahlkampfstrategie, die der Vertreter der Schwesterpartei launig präsentierte, wurde mit stehenden Ovationen und rhythmischem Klatschkonzert quittiert. Wenn es einen bayerischen Sonnengott braucht, um die Gemütslage der CDU aufzuhellen, ist es weit gekommen. Aus den eigenen Reihen enthusiasmierte niemand das Publikum.
Eine kluge
ine kluge Parteitagsregie, die schon vorab die drohenden Konflikte um die Grundrente, die innerparteiliche Frauenquote oder die Beteiligung des chinesischen Konzerns Huawei am 5G-Netzausbau entschärft oder vertagt hatte, macht aus einer „Art Familientreffen“, wie Generalsekretär Paul Ziemiak die Veranstaltung anpries, noch kein rauschendes Fest. „Alle glücklichen Familien sind einander ähnlich, jede unglückliche Familie ist unglücklich auf ihre Weise“, frei nach Tolstoi besteht das Unglück der CDU-Familie darin, dass sie ihr Leiden nicht zur Schau stellen darf. Das gilt selbst in Zeiten, in denen die Umfragewerte miserabel sind, die Partei historisch schlechte Wahlergebnisse einfährt und die Spätphase der ewigen Kanzlerinnenschaft Angela Merkels von einer kollektiven Sinnsuche und einem schwelenden Machtkampf begleitet wird. Das Rennen um die Kanzlerkandidatur ist weiterhin offen. Dass auf dem Parteitag der Urwahl-Antrag der Jungen Union, der als Affront gegen die Parteivorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer galt, mit großer Mehrheit abgelehnt wurde, dürfte daran nichts geändert haben. Traditionell hat bei der CDU zwar die Vorsitzende das erste Zugriffsrecht auf die Kanzlerkandidatur, aber eine Parteichefin wird an Wahlerfolgen gemessen. Bislang fällt Kramp-Karrenbauers Bilanz arg bescheiden aus, auch bei den Beliebtheitswerten. Und eine Trendumkehr ist nicht in Sicht. Bei den Umfragen für die im Februar anstehende Bürgerschaftswahl in Hamburg liegt die CDU derzeit weit abgeschlagen auf dem dritten Platz.Friedrich Merz schrumpftNach Monaten, in denen innerhalb und außerhalb der Partei immer lauter gefragt wurde, ob sie eine Fehlbesetzung sei, hat Kramp-Karrenbauer in Leipzig die Vertrauensfrage gestellt. Die Partei fiel ihr nicht in den Rücken, aber die Vorsitzende hat damit nicht mehr als eine Verschnaufpause gewonnen. Erst Ende 2020 will die CDU den Kandidaten oder die Kandidatin für die Bundestagswahl küren und ein neues Grundsatzprogramm verabschieden, vorausgesetzt, die Große Koalition hält bis dahin. Die K-Frage überschattete den Parteitag und sie wird weiter schwelen. Eine öffentliche Therapiesitzung käme in der Logik der CDU einer Bankrotterklärung gleich. Wenn auch der Aufruf von Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier zu mehr Fröhlichkeit, dem sich viele Redner anschlossen, nicht verfing, verfehlte die mit einem Tremolo der Dringlichkeit hervorgebrachte Erinnerung an die innerparteiliche Geschlossenheit, die immer der größte Trumpf der CDU war, ihre Wirkung nicht.Auf den Gängen um den Veranstaltungssaal begegnete man Delegierten, denen das Unionskorsett ganz schön viel Luft abschnürte. Zum SPD-Parteitag gehört der Genosse mit Galgenhumor, der aus seinem Unmut kein Geheimnis macht. „Etwas lang“, insgesamt „solide“, so lauteten die vorsichtig abwägenden Rückmeldungen, die man auf die eineinhalbstündige Rede Kramp-Karrenbauers zu hören bekam. Gegen die Parteispitze wollte man lieber keine Spitzen setzen. Bei Friedrich Merz, der in den Wochen zuvor als großer Zampano gehandelt worden war, der in Leipzig die Kanzlerkandidatur erobern könnte, wurden einige Teilnehmer schon etwas leutseliger. Damit, dass der Mann ohne Mandat über kurz oder lang aus der wiedergewonnenen innerparteilichen Geschlossenheit ausscheren könnte, rechneten die meisten. Man merkte aber auch, wie die Projektionsfläche, die Merz für seine wirtschaftsliberalen und konservativen Fans darstellt, zusammenschrumpfte. Die von ihm vorab angekündigte große programmatische Rede entpuppte sich als Luftnummer. Er lieferte ein paar markige Sprüche gegen Greta Thunberg und stellte fest, dass große weltpolitische Fragen klare Antworten bräuchten, ohne zu verraten, wie diese denn lauten könnten. Ansonsten erinnerte Merz an das Leipziger Parteikonvent von 2003, bei dem die CDU ein dermaßen marktradikales Programm beschloss, das die rot-grüne Agenda 2010 fast schon milde erscheinen ließ. CDU-Politiker, die der katholischen Soziallehre nahestehen, reagierten auf diese Rückbesinnung mit fassungslosem Kopfschütteln.Sollte sich der nächste Bundestagswahlkampf um Ökologie und Soziales drehen, wirkt die CDU schlecht vorbereitet. Denn auch Kramp-Karrenbauer hatte für einen Programmparteitag wenig Programmatisches im Angebot. Von der klaren Abgrenzung zur AfD über Bürokratieabbau, die Forderung nach einem Digitalministerium bis zu mehr Zeit für die Familie, mehr Anerkennung für die Polizei, mehr Geld für die Bundeswehr mäanderte sie durch sämtliche Themengebiete, aber ihre Marschroute ließ sich bestenfalls erahnen. Mit Parolen wie „Wohlstand für alle, nicht Wohlfahrt für alle“ oder dem Verweis, dass die Partei allein wegen des „C“ im Namen der Schöpfung verpflichtet sei, ist die CDU nicht ganz auf der Höhe der Debatte. Da ist die CSU unter Söder weiter.Lob des VerbrennungsmotorsDie auf dem Parteitag angestimmten Loblieder auf den Verbrennungsmotor (eventuell mit Wasserstoff) und der dort verabschiedete Leitantrag zur sozialen Marktwirtschaft, in dem die CDU ihr Bekenntnis zur „Schwarzen Null“ und zur Schuldenbremse bekräftigte, kollidieren mit der sozial-ökologischen Marktwirtschaft, die die Grünen derzeit propagieren. Der Parteitag stand im Zeichen einer Vorbereitung für die Zeit nach der Merkel-Ära und nach der GroKo, von daher lautet die Frage auch, wer als Kanzlerkandidat am ehesten zu den Grünen passen könnte. Der lachende Dritte könnte Armin Laschet sein, der in der CDU den Ruf des gesellschaftsliberalen Modernisierers hat. „Verkappter Grüner“ wurde er mal genannt, trotz seiner Nähe zur Industrie und den Kohlerevieren in Nordrhein-Westfalen. Als Ministerpräsident des bevölkerungsreichsten Bundeslands und Chef des mitgliederstärksten Landesverbands ist er in der CDU ein Schwergewicht. Die Landtagswahl gewann er aber nicht als Modernisierer, der rheinischen Frohsinn versprühte, sondern mit einem dystopischen Law-and-Order-Wahlkampf. Markus Söder ist allerdings ebenfalls ein Meister der politischen Kehrtwende, sein Parteitagsgruß konnte glatt als Bewerbung durchgehen. Zweimal gab es in der Geschichte der Union einen CSU-Chef als Kanzlerkandidaten. Das passierte immer dann, wenn in der CDU die Machtverhältnisse unklar waren.
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