Warum man gestern bei Jauch nichts verpasste

Snowden Im Westen nichts Neues, denn es wird bleiben wie es ist

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Morgen ist der europäische Tag des Datenschutzes. Bürger sollen sensibilisiert werden für eine Thematik, die dank des Whistleblowers Snowden zwar seit Monaten ausgiebig diskutiert wird, aber bei der man auch über ein halbes Jahr nach den Enthüllungen noch immer auf eine ernstgemeinte Reaktion der politischen Entscheidungsträger wartet.

Aber was sollen wir erwarten? Die gestrige Diskussionsrunde bei Günther Jauch hat es sehr anschaulich gezeigt: Auf der einen Seite sitzen mit Snowden-Interviewer Seipel, Grünen-Allzweckwaffe Ströbele und der Piratin Weisband ausdrückliche Befürworter von Snowdens Handeln, auf der anderen Seite sitzen der ehemalige US-Botschafter Kornblum und der Chefreporter der BILD, Reichelt. Beide natürlich not amused about Snowden.

Während die einen nicht nur Asyl für Snowden, sondern auch ein Ende der Überwachung durch die NSA fordern, nennen die anderen ihn einen Verräter und versuchen die datenschutzrechtlichen Bedenken mit dem obligatorischen Hinweis, dass selbstverständlich auch andere Nationen Spionage betreiben, vom Tisch zu wischen. Das sind im Grunde die beiden Pole, zwischen denen Themen wie informationelle Selbstbestimmung, das Recht auf Privatsphäre und die Recht- und Verhältnismäßigkeit geheimdienstlicher Überwachung diskutiert wird.

Nun könnte man annehmen, das hier ein vernünftiger Diskurs über die aus dem Gleichgewicht geratende Gewichtung von Sicherheit und Freiheit oder über die Bedingungen, unter denen die Kommunikation ganzer Staaten durch private Dienstleiter überwacht wird, stattfinden könnte. Man hätte auch darüber sprechen können, warum die Überwachung scheinbar erst dann relevant wird, wenn es um Wirtschaftsspionage oder um das Handy der Kanzlerin geht. Oder wie man gedenkt, diese umfassende und nicht den Verhältnissen entsprechende Massenüberwachung einzudämmen oder gänzlich zu verhindern. Ebenfalls interessant wäre es gewesen zu klären, wie es sein kann, dass der BND Zugriff auf Daten hat, welche ihm nach deutscher Rechtssprechung nicht zustehen.

Wie gesagt: Das hätte man machen können. Stattdessen das übliche Bild.

So gelang es Kornblum und Reichelt immer wieder darauf hin zu weisen, dass Snowdens Enthüllungen eine Gefahr für die Arbeit der Geheimdienste darstellen und es doch wohl nicht sein kann, dass man sich über eine Überwachung durch einen Freund beschwere, während dieser ja im Gegensatz zu Spionen aus Russland oder China nur das Beste für den Überwachten wolle. Auf Einwände wie das auf Druck der USA gestoppte Flugzeug von Boliviens Präsident Morales, in welchem Snowden vermutet wurde, erfolgt das repetitive Wiederholen von Phrasen, wie man sie seit Bekanntwerden von Prism und Co. immer wieder hört: Es geht um Staatsschutz und Terrorbekämpfung, die Gegner argumentieren anti-amerikanisch und sowieso ist nach dem 11. September die Welt durch die Bemühungen der Geheimdienste der Five Eyes sicherer geworden. Das Snowden ausgerechnet in Russland Asyl fand wird ihm auch noch vorgeworfen. Der Einwand Ströbeles, dass es eine Schande sei, dass kein demokratisches europäisches Land den Mut dazu gehabt hat, wird zwar beklatscht, aber das war es dann auch schon.

Kommentiert wird aber das Beispiel der abgehörten Großmutter, deren Daten ja nicht von Interesse seien und zwar gespeichert, aber nicht ausgewertet werden. Aber wehe, sie würde im Iran anrufen.

Diese Diskussionsrunde steht exemplarisch für den medialen Diskurs zum Thema. Auf der einen Seite stehen die Empörten, denen ihre per Grundgesetz garantierte Privatsphäre überaus wichtig und unveräußerlich ist, auf der anderen diejenigen, die Überwachung begrüßen, immer wieder auf den Freundschaftsstatus Deutschlands und den USA hinweisen und versuchen die anhaltslose Überwachung mit der nicht prüfbaren Verhinderung von Terroranschlägen zu rechtfertigen.

Eigentlich eine klare Sache für die Gegner der Überwachung. Aber auch wenn sie die richtigen Argumente vortragen und mehr Gehör verdient haben, so müssen sie letztendlich doch kapitulieren. Warum ist das so?

Es gab Zeiten, in denen man Deutschland aus nachvollziehbaren Gründen überwachen musste. Doch Zeiten und somit auch die Technik ändern sich. Und nur weil es technisch machbar ist, bedeutet das noch lange nicht, dass es auch nötig ist. Es ist nicht nur Terrorprävention, sondern vor allem die Erlangung von umfassenden Informationen. Die wichtigste Ressource in modernen Gesellschaften ist das Wissen über das, was die Anderen machen. Informationen über ranghohe Politiker, Journalisten und Industrielle sind mehr als ein zufälliges Nebenprodukt im Kampf gegen den Terrorismus. Sie werden bewusst gesammelt, denn Wissen ist Macht. Ob im Bereich der Wirtschaftsspionage oder Anti-Terror-Kampf: Diejenigen, die über die Technik verfügen, werden diese zum eigenen Vorteil ausnutzen. Ob wir es wollen oder nicht. Eine deutsche Regierung, die sich gegen den Verbündeten und für die Wahrung und Garantie der Bürgerrechte einsetzt, wird es so schnell nicht geben. Wie könnte sie auch? Ihre Geheimdienste profitieren von den Daten und überhaupt: Sich mit einem der wichtigsten Handelspartner anzulegen? Nicht vorstellbar! Daher haben wirtschaftliche Belange, getarnt durch das Supergrundrecht Sicherheit, auch weiterhin Vorfahrt gegenüber der informationellen Selbstbestimmung und dem Recht jedes Einzelnen auf Privatsphäre.

Und deshalb haben die Überwachungsgegner trotz des richtigen Ansatzes keine Chance. Hier sind wirtschaftliche Interessen offensichtlich wichtiger als die Gewährleistung von Grundrechten. Es wird sich, trotz wertlosem No Spy Abkommen oder sonstigen Verlautbarungen deutscher Politiker, nichts an diesen Praktiken ändern. Definitiv nicht. Es wird, so Kornblum, alles so bleiben wie es ist – ob wir es wollen oder nicht.

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