Backstage in Kalifornien

Bio-Pic Wie die Lebensgeschichte des Apple-Mitgründers Steve Jobs auf drei hochtheatrale Hinterzimmergespräche verdichtet wird
Ausgabe 46/2015

Einen Aaron-Sorkin-Film erkennt man an seinem Mitteilungsbedarf, und so redet Steve Jobs schon dann los, als sich im Vorspann gerade das zweite Produzenten-Logo aufbaut. Zu hören ist allerdings kein Sorkin-Text, sondern, als Prolog, ein Fernsehschnipsel von 1974: Ein Reporter, der als Metapher seinen Sohn mitgebracht hat, möchte von dem Schriftsteller Arthur C. Clarke wissen, wie die technologische Zukunft aussehen wird. Der Autor von 2001: Odyssee im Weltraum entwirft daraufhin ein ziemlich präzises Bild von Vernetzung und Endgeräten für jedermann; die Größe der Letzteren bemisst er mit seinen Händen wie ein Angler den Fisch.

Denn als Bild vom Computer kann der Schwarz-Weiß-Clip nur einen Raum mit kühlschrankgroßen Maschinen anbieten, in denen sich Magnetbandspulen drehen. Die Vorstellung auszumalen, die Clarke damals beschrieben hat, ist eine der Leistungen von Steve Jobs; er tat das nicht alleine, nicht als Erster, aber am schönsten, formvollendet. Auf diesen Umstand zielt der Film von Danny Boyle (Regie) und Aaron Sorkin (Drehbuch), der zwar den Namen Steve Jobs trägt, darunter aber mehr versteht als den Menschen. „Deine Produkte sind besser als du“, lässt der Film Steve Wozniak am Ende sagen, den Partner aus den Anfangstagen. Im Streit, wohlgemerkt. Anders als der Großteil des Bewegtbildmaterials, das nach dem Tod des Apple-Gründers 2011 über ihn entstanden ist, unterhält dieser Film nämlich ein durchaus sperriges Verhältnis zu seinem Protagonisten.

1984, 1988, 1998

Das kann man schon hören: Die Musik von Daniel Pemberton kombiniert serielles Bassgetrippel, zarte Synthieflächen oder repetitives Ambientgefiepe, und im zweiten Teil gönnt sie sich gar einen Ausflug in kammermusikalisches Frohlocken. Nie aber gibt sie sich den billig-ermüdenden Steigerungsorchestrierungen hin, an deren Hand durchkonfektionierte Außenseiter-als-Helden-Geschichten für gewöhnlich zur Erlösung schreiten.

Von den Konventionen des Erzählens ist Steve Jobs ähnlich weit entfernt. Mag man zu Beginn für einen Moment glauben, die emsige Vorbereitung der Produktpräsentation des Macintosh-Rechners von 1984 sei nur ein spannungsverschärfendes Vorspiel, dann besteht die freudige Enttäuschung darin, dass dieser Film auf die eigentliche Produktpräsentation pfeift – und aus nichts anderem als dem hochdynamischen Hinterbühnengerede mit dem immer gleichen Personal besteht.

Sorkins Buch erzählt Jobs’ Geschichte als Reflexionsmaterial, das vor drei Produktpräsentationen (1984, 1988, 1998) durchgearbeitet werden muss. Es tut das nicht hagiografisch, wie beim – in Deutschland nie ins Kino gekommenen – Jobs-Film mit Ashton Kutcher von 2013, in dem eine Vielzahl an biografischen Stationen abgeklappert wird, bei denen Kutcher dann so aussehen muss wie auf den geläufigen Bildern, die man von Jobs kennt.

Der Film geht vielmehr therapeutisch-diskursiv vor. Boyle und Sorkin liegt nichts an Ähnlichkeit (natürlich hat sich Jobs nie bei einer Produktpräsentation mit Wozniak gestritten), er will nichts nachstellen, sondern etwas ausdiskutieren. Steve Jobs verdichtet die Problemstränge seiner Hauptfigur zu einem hochtheatralen Film, der in den Künstlergarderoben von Opernhäusern und Konzerthallen spielt.

Und es braucht wenig Fantasie, um sich vorzustellen, dass Steve Jobs bald in den Spielplänen von Theaterbühnen auftauchen wird; die Massenszenen sind schon im Film nur andreasgurskyhaftes Ornament – volle Säle, die La Ola machen, ein Crescendo ihrer Erwartung trampeln oder Blitzlichter gewittern lassen. Der Kern der Besetzung ist dagegen klassische Familienaufstellung, die der adoptierte Jobs (Michael Fassbender), betreut von der Mutter-Assistentin (Kate Winslet) in jedem der drei Kapitel durchläuft: Er trifft den ungleichen Bruder Wozniak (Seth Rogen), den frühen Apple-CEO John Sculley als Vaterfigur (Jeff Daniels), die Tochter Lisa, um deren Unterhaltszahlungen eine kühl abgelegte Geliebte (die undankbare Rolle: Katherine Waterston) werben muss, und eine Art Nebenbuhler, den der Entwickler Andy Hertzfeld (Michael Stuhlbarg) spielt, dem früh seine Unabhängigkeit von Jobs gelingt.

16 mm, 35 mm, digital

Einen dramatischen Höhepunkt bildet im zweiten Teil die Auseinandersetzung mit Sculley, den Jobs als CEO geholt hatte und der ihn 1985 feuerte, wo ein dreijähriges Streitgespräch über die Kündigung durch dauerndes Zurückblenden entsteht. Solcher Verdichtung entspricht das konzentrierte Spiel der Darsteller: Von den 100 Gesichtern, die Michael Fassbender tragen kann, zeigt er alle, um einen Charakter zu entwerfen, der, wie es im entscheidenden Satz heißt, sich selbst erfunden hat.

Steve Jobs ist das Projekt einer Verfeinerung in drei Stufen, was für das zurückhaltend-genaue Kostümbild (Suttirat Anne Larlarb) bedeutet, dass Jobs eben erst 1998 von Fliege (1984) und Krawatte (1988) in seinem ikonischen Outfit mit schwarzem Rollkragenpullover, blauen Jeans und weißen Sneakern angekommen ist. Seinen Historismus beweist der Film nicht durch von Retroartikeln vollgemüllte Szenenbilder, sondern zuallererst durchs Material: Das Kapitel 1984 ist auf körnigem 16-mm-Film gedreht, 1988 auf 35 mm, und wenn der Film ins Jahr 1998 springt, reißt ein Zelluloidstreifen und es ruckelt sich im Digitalbild die Golden Gate Bridge zurecht. Wie in der Geschichte wird zum Ende hin alles klarer und heller, und das Finale führt hinaus auf ein Dach, bevor Danny Boyle dann doch einmal Popmusik zur Triumphuntermalung hochfahren darf.

Denn natürlich endet alles versöhnlich, was Jobs Erben bei Apple, die den Film nicht mochten, offenbar übersehen haben. Steve Jobs handelt von einem schlecht programmierten Menschen, dessen Erfolg dann nicht aufzuhalten ist, als er seine Bugs gefixt hat.

Info

Steve Jobs Danny Boyle USA 2015, 122 Minuten

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