Alles fing mit einer Email von Andrea Forst an. Andrea Forst schrieb: "Die Sieger des Grimme Online Award. Fünf Websites ausgezeichnet - 67.210 abgegebene Stimmen beim IntelPublikums Preis. Wir gratulieren allen Preisträgern sehr herzlich, so Bernd Gäbler, Geschäftsführer des Adolf Grimme Instituts. Dass sich der Wettbewerb schon im dritten Jahr etabliert und ein großes Renommee entwickelt, ist eine gute Basis für die Zukunft." So, so. Eine gute Basis für die Zukunft, das klingt doch vielversprechend in diesen krisengeschüttelten Tagen. Von dieser Basis führte uns ein nächtlicher Streifzug über die ausgezeichneten Seiten.
Das "serviceorientierte Kulturmagazin" (die Jury) perlentaucher.de macht den Anfang. Hi
ht den Anfang. Hier werden täglich die Feuilletons der überregionalen Tageszeitungen zusammengefasst. Leider wird die Presseschau erst um neun Uhr morgens aktualisiert, was uns die Möglichkeit gibt, die restlichen Rubriken der Seiten zu begutachten. Unter Magazin finden sich mehrere Briefe: Neben Post aus New York, Neapel, Borneo oder London liegt auch ein Brief aus Abchasien vor. Er stammt von Maximilian H., der eine Fahrt an der Seite eines sächsisch oder thüringisch sprechenden - ganz sicher ist sich Maximilian H. da nicht - Bundeswehr-Stabsarztes unternommen hat. Darin steht der schöne Dialog: "Wo sind wir? - An der Grenze". Für unseren Gang durch die Weiten des World Wide Web sind solche Limitierungen allerdings ungeeignet.Deshalb klicken wir onlinejournalismus.de an. Da geht es erst einmal etwas unübersichtlicher zu. Und ehrlich gesagt, haben wir kein übermäßiges Interesse an Themen wie Hypermedia Storytelling - Darstellungsformen im Online-Journalismus oder Bezahlinhalte - Die Gebühr kommt durch die Hintertür. Also klicken wir auf die dankenswerterweise bereitgestellte Homepage des onlinejournalismus.de-Onlinejournalisten Fiete Stegers weiter. Dort erfahren wir: Stegers, Jahrgang 1975, hat seine Magisterarbeit an der Uni Münster bei Prof. Siegfried Weischenberg geschrieben: Ausbildung für den Online-Journalismus, die erste wissenschaftliche Studie zum Thema. Seit 1999 ist Stegers Vorstandsmitglied bei den Steinis, dem Fanclub des Freiherr-vom-Stein-Gymnasium Lünen. Da ist ein Link, da geht es drauf. "Weihnachts-Volleyball-Turnier am 8. 12. 2000. Zusammen mit Hans Stemmerich richtete Steinis e.V. das Turnier um den Martin-Hirschmann-Gedächtnispokal aus. Mit Würstchen, kalten Getränken und Glühwein wurden Teilnehmer und Zuschauer des WWT 2000 versorgt", steht dort zu lesen. Das Schöne am Internet besteht ja in der permanenten Hoffnung, dass man endlich nachvollziehen kann, wie alles mit allem zusammenhängt. Die Würstchen der Steinis führen zwar in eine Sackgasse, aber in Stegers Publikationsliste findet sich ein Link zu dieser Zeitung. Das ist ein erster Achtungserfolg.Im Forum von onlinejournalismus.de findet sich poetisch Erkenntnis: "Anonymous hat folgendes geschrieben: je mehr Menschen einen Breitband-Anschluss haben, umso besser werden auch (gewinnorientierte) privatwirtschaftliche Angebote laufen."Nicht minder wahr klingt der Satz, der uns bei dem dritten Preisträger kaeptn-blaubaer.de begrüßt: "Wenn du nicht weiterkommst, lass dir von deinen Eltern helfen." Kaeptn-blaubaer.de bietet zur Abwechslung mal etwas Unterhaltung: Man kann einen Krimi lösen, ein Bild malen oder mit Hein Blöd in seiner Rumpelkammer spielen. Wenn man da mit dem Cursor auf das Radio geht, erscheint eine Sprechblase: "Hach, wie ist das schön zu tanzen. Machst du mit?" Ähh, nein. Das Angebot benötigt zwischen den einzelnen Stationen ziemlich viel Ladezeit, so dass wir uns fragen, wo Kinder die Geduld dafür hernehmen. Vermutlich haben die alle einen Breitband-Anschluss.Der vierte Grimme-Online-Preisträger ist oestlich-der-sonne.de - Begleitmaterial zur Klaus Bednarz-Reise. Ein toller Service hier: Man kann die Route, vom Baikalsee nach Alaska, als Email versenden. Gibt es ja immer mal einen im Bekanntenkreis, den das interessiert. In der Fotogalerie wurde gedichtet. Bild 23: "Wasser Berge Küste - in Alaska erlebt das Team wieder atemberaubende Natur." Das Team: Dort kann man "Mehr über Klaus Bednarz" oder "Mehr über Maxim Tarasjugin" erfahren. Wir entscheiden uns für zweiteren. "Wir verstehen uns beinahe blind", sagt Klaus Bednarz, was doch etwas komisch klingt, wenn man weiß, dass Maxim Tarasjugin Kameramann ist. Immerhin, im Gästebuch zeigt man sich zufrieden mit seinen Bildern. Gästebücher sind der eigentliche Grund, warum das Internet erfunden wurde - hier kommt die Welt ins Gespräch. Die eindeutig favorisierte Vokabel für Tarasjugins Bilder ist "faszinierend" (u.a. bei Dana, 19; Thomas, 20; Friedrich Kühnel, 53; B. Maschmöller, 41) B. Maschmöller, 41, scheint überhaupt sehr begeistert: "Sie sind ein Glücksfall fürs deutsche Fernsehen und uns Deutsche." Vielleicht hätten sie Klaus Bednarz nicht den Grimme-Online-, sondern den Friedens-Nobel-Preis geben sollen. Es regt sich aber auch Kritik. Knut, 32: "Herzlichen Glückwunsch zum verdienten Grimme-Online-Award - nur wem gratuliert man eigentlich? Die Macher der Seite sind, nix für ungut, Herr Bednarz, bis heute leider nicht einmal erwähnt."Der fünfte Preisträger ist lexi-tv.de. Klingt wie eine Kindersendung, ist aber MDR. Geschrieben steht: "Ausblick auf die nächste Sendung am 01.07.2003 um 14:30 Uhr: Braunkohle". Das sind doch ziemlich düstere Aussichten. Also treten wir lieber an die Suchmaschinen in der "Videothek des Wissens" (die Jury) und geben Klaus Bednarz ein. Auf der Website: "Zu Ihrem Suchbegriff konnte leider nichts gefunden werden." Im Brockhaus? "Zu Ihrem Suchwort konnte leider kein Treffer im Brockhaus in einem Band gefunden werden." Google?? "Ungefähr 2,410 Treffer". Na, also.Der "IntelPublikumsPreis" ging an mietmensch.zdf.de. Da sitzt Philipp Müller, 29, Schuhgröße 46, und neben ihm steht etwa: "Als Mietmensch schmeiße ich auch ihren Haushalt, spüle, trockne ab und räume weg. Meist geht auch nichts kaputt dabei." Das ist uns zu wenig. Wir wollen alles, und wir wollen es ganz. Wie im Internet.
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