Vor drei Wochen ist Dietrich Brüggemanns Film Heil gestartet (Freitag vom 16. Juli), eine Komödie, in der eine Gruppe Neonazis von Polen aus einen Angriff auf Deutschland reenacted und keiner was dagegen tut. Bislang haben knapp 30.000 Leute den Film gesehen (Stand 03. August). Dass ich auf ihn noch einmal zurückkomme in diesem Gespräch mit dem Rechtsextremismusexperten David Begrich, hat zwei Gründe. Zum einen hat Regisseur Dietrich Brüggemann in seinem Blog selbst eine Debatte über die Wahrnehmung von Heil angestoßen, in der es auch darum ging, welche Bilder von Rechtsradikalen wir uns durch das Kino machen. Eine Frage, die, zum anderen, von Bedeutung ist angesichts der aktuellen rassistischen Aufwallungen gegen geflüchtete Menschen.
der Freitag: Haben Sie sich „Heil“ angeschaut, Herr Begrich?
David Begrich: Ja.
Wie war die Stimmung im Saal?
Bildungsbürgerlich, würde ich sagen. Der Film lief bei uns in Magdeburg in einem Programmkino. Lacher waren die Ausnahme.
Ihr Urteil?
Schön unscharf. Glatzen wie in den 90er Jahren, Plattenbauten, dumme Sprüche. Der Film macht aus Phänomenen wie Neonazismus und Rassismus Trash. Das ist so gewollt, ich weiß, aber es nicht besonders einfallsreich. Gab es schon. Ich wünsche mir mal einen kontrastreichen Film, der die Plausibilität der Welt der Neonazis ernst nimmt, ohne sie nur abzubilden. Ich suche in solchen Filmen die Haarrisse in der eindeutigen Bildsprache.
Gab es schon?
Ja, jedenfalls der Bildsprache nach. Ob Beruf Neonazi, Führer Ex oder Kriegerin. Alle diese Filme bilden ab, wie sich Medienleute den Neonazi vorstellen. Prollig, krawallig, irgendwie tumb. Naja. Dieser Zugriff hat den Vorteil, dass alle denken: Neonazis? Rassismus? Alles weit weg, das sind junge Männer mit Grütze im Kopf. Diese Art der Darstellung unterschätzt die durchaus vorhandene Plausibilität rechtsextremer Lebenswelten.
Zur Person
Dell David Begrich, Jahrgang 1971, studierte Theologie und Sozialwissenschaften und arbeitet seit 1998 bei Miteinander e.V. – Netzwerk für Demokratie und Weltoffenheit in der Arbeitsstelle Rechtsextremismus in Magdeburg
Foto: Arno Burgi/dpa
Dietrich Brüggemann hat, wenn ich ihn richtig verstehe, seinen Film dezidiert gegen „Kriegerin“ entworfen, gegen bedrohliche „Zeigefingernazis“, wie er das nennt. Wenn ich Sie richtig verstehe, macht es keinen Unterschied, ob die tumben Nazis nun Witze machen oder nicht.
Macht es nicht, weil die Nazis in Heil auch so 1991 sind, keinen Kontrast haben. Ihre Brutalität ist tumb. Daraus wird schnell „harmlos“. Die Gewalt von Neonazis ist aber nicht tumb und harmlos, sondern gezielt und ausgesucht. Man kann über Nazis Witze machen. Aber Brüggemanns Nazis sind nur eine Folie für die Zeitgeschichte im Kopf des Regisseurs und bedienen Abziehbilder.
Wieso ist das Bild vom Skinhead mit Bomberjacke und Springerstiefeln so attraktiv?
Das war die in Ostdeutschland seinerzeit dominierende jugendkulturelle Strömung. Es gab zwar noch jene, die die Ehre der Skinkultur retten wollten und sagten: Skinheads sind gar nicht rechts. Das waren sie aber in den 90er Jahren.
Aber die Nazis auf den aktuellen Bildern sehen doch anders aus: akkurate Frisuren, schwarze Sonnenbrillen, schwarze T-Shirts, sportliche Körper, sportlicher Look, Tattoos, die genauer betrachtet vermutlich beredt wären. Warum werden Nazis im Film dann immer angezogen, als hätten wir 1991?
Weil die Nazis von heute näher am Lifestyle der Mitte dran sind, als diese wahrhaben will. Neonazismus ist subtil, nicht stumpf. Nazis als stumpf darzustellen ist praktisch für die moralische Selbstdistinktion, der Thor-Steinar-Träger spiegelt dagegen den Rassismus der Mitte.
Es ist erstaunlich, wie dominant das Muster von der tumben Glatze ist. Mark Monheim etwa, der gerade einen hübschen Coming-of-Age-Film gemacht hat („About a Girl“), listet auf seiner Homepage ein Projekt namens „Nazi Safari“ auf: „Politisch unkorrekt, mit beißendem schrägem Humor statt erhobenem Gutmenschen-Zeigefinger erzählt Nazi Safari die Geschichte der Leuterung (sic) zweier Skinheads, die ein unwahrscheinlicher Zufall mitten ins tiefste Schwarz-Afrika (sic) verschlägt.“ Das klingt so schrecklich, dass man hofft, der Stoff werde gerade nicht entwickelt. Es kommt sich mutig vor („unkorrekt“) und kämpft doch nur gegen mediale Gespinste („Gutmenschen-Zeigefinger“). Mut wäre, sich den Lifestyle-Nazis zu stellen. Ist das Ignoranz oder Angst, dass Filmemacher sich Skinheads lustig machen, die es in der Form nicht gibt?
Vielleicht weder noch, sondern das beschränkte Sehfeld von Filmleuten, die ständig mit gängigen Bildern hantieren und nicht merken, dass sie dem Abbild eines Klischees aufgesessen sind. Interessant wäre der Versuch, nicht die Tumbheit des Ressentiments vorzuführen, sondern die Härte und Authentizität neonazistischer Ideologie zu bebildern. Nazis sind Mörder, keine angemalten Playmobil-Figuren. So was kann man zeigen. Möglichst nah dran an deren Selbstbildern, um dann die Ästhetisierung der Gewalt zu brechen.
Gegen die mediale Tradierung würde vielleicht Recherche helfen. Die Autoren und Regisseure könnten doch zu Ihnen und Ihren Kollegen kommen, um zu erfahren, wie es in der Wirklichkeit aussieht.
Sie kommen ja. Es gab Gespräche mit den Machern von Kriegerin, auch mit denen von öffentlich-rechtlichen Krimiproduktionen. Wir setzen uns mit denen über Stunden hin, zeigen Bilder und Accessoires, sprechen über deren Wirkung. Das ist schon intensiv, aber bleibt ohne Nachwirkung. Die Autoren und Regisseure sagen: Ja, interessant – um im Film wieder auf eben jene Bilder zu verfallen, die sie bereits kennen. Kann man nichts machen.
Man fragt sich nur, warum die überhaupt mit Ihnen reden.
Die Filmemacher argumentieren mit der Vermittelbarkeit Ihrer Bildsprache an die Zuschauer. Und da findet sich offenbar jenseits des bekannten Bilderstroms zum Thema Neonazis kein Weg, der einen anderen Zugriff versucht. Heißt: Die Bilder müssen zum Format des Films passen, einen Wiedererkennungseffekt erzeugen. Das ist wie in einer Bilderbox für Märchenfilme: Die Hexe trägt immer ein Kopftuch.
Was die Distinktion angeht: Spielt der Osten da eine Rolle? Dass Nazis nur vor Plattenbauten richtig gut aussehen?
Das hat zwei Aspekte: Es gibt diese ausgelutschten Klischees von den Ostzonen-Nazis, klar. Aber es gibt im Osten auch einen gewissen Unwillen, sich der eigenen, unrühmlichen 20-jährigen Tradition von Rassismus und Rechtsextremismus zu stellen. Von Leuten wie „Dritte Generation Ost“ gibt es zur derzeitigen rassistischen Mobilisierung kein Wort. Da erscheint der Osten nur mehr als positive biografische Ressource. Sich den 90er Jahren wirklich zu stellen, könnte schmerzhaft werden.
Vermutlich ist das auch die Hoffnung, dass es vorbei ist. Das Kino hat die Bilder aus Rostock gerade historisiert mit Burhan Qurbanis Film „Wir sind jung. Wir sind stark“. Jetzt fliegen wieder Steine. Kommt Rostock wieder?
Diese Lichtenhagen- und Hoyerswerda-Bilder sind manchen Akteuren präsenter, als man glaubt. Es wimmelt im Netz von Neonazis, die ihr Facebook-Profil mit Slogans wie „Lichtenhagen kommt wieder“ schmücken und dazu ein Bild vom Sonnenblumenhaus posten. Natürlich gibt es gewichtige Unterschiede zur Situation 1992/93. Aber die Akteursgruppen rassistischer Gewalt kennen die Wirkungsmacht der damaligen Bilder und beziehen sich auf diese.
Welche Unterschiede?
Heute gibt es Bürgergruppen, die sich sehr konkret für Flüchtlinge engagieren. In den Medien gibt es neben rassistischen Diskursen auch umsichtige und kritische Reflexionen. Die Politik hingegen scheint noch unentschlossen, ob sie nicht doch die Karte der Ressentiments ausspielen will. Ob all diese Unterschiede bleiben, hängt vom Fortgang der Debatte ab.
Wie nehmen Sie die medial wahr?
Die Problemzone beginnt beim Wording. Aus Rassismus wird „Fremdenfeindlichkeit“ oder gleich „Asylkritiker“. Der Topos des „besorgten Bürgers“ bedarf dringend einer kritischen Diskursanalyse.
Kommentare 35
Was unterscheidet einen Leitmedien-Journalisten mit seiner täglichen Hetze gegen faule Griechen von einem modernen Nazi? Genau, nicht viel. Die beiden verstehen sich ausgezeichnet.
Es gibt kein echtes gesellschaftliches Gegenwicht mehr, militante Tierschützer vielleicht noch. Die "Linke" ohne "Arbeiter" sind eine verstaubte Schwatzbude ohne nennenswertes Standing, mal krass gesagt.
Nazis sind perfekte Bürgerliche, meist hart arbeitend, klar in der Feindbildung und notfalls Möder, wie Soldaten, übernehmen also die von Gauck (Ost) geforderte Verantwortung.
Eine Art Hologramm der Gesellschaft, welches die aktuelle Durchdringung des rechten Gedankengutes in ihrer Mehrstufigkeit abbilden würde, wäre aufschlussreich.
Dann käme ungeschminkt zum Vorschein, wie tief verstrickt und verwoben die Mitte der Gesellschaft inclusive ihrer Leitmedien in dieses Gedanken-Gut ist.
Daher vielleicht solche Mickey-Maus-Nazi-Filme, bloß nicht scharf fokussieren ...
Ob Beruf Neonazi, Führer Ex oder Kriegerin. Alle diese Filme bilden ab, wie sich Medienleute den Neonazi vorstellen. Prollig, krawallig, irgendwie tumb. Naja. Dieser Zugriff hat den Vorteil, dass alle denken: Neonazis? Rassismus? Alles weit weg, das sind junge Männer mit Grütze im Kopf. Diese Art der Darstellung unterschätzt die durchaus vorhandene Plausibilität rechtsextremer Lebenswelten.
Mir ist bei fast allen medialen Abbildungen zum Thema - seien es Dokus oder fiktive Handlungen - immer deutlicher, dass es offensichtlich gar kein Interesse mehr gibt, die Wirklichkeit darzustellen, sondern einen Film zu verkaufen oder eine Doku so zu gestalten, dass die Leute möglichst weiten Abstand halten können.
Klischee reiht sich an Klischee, Projektion an Projektion. Ein ehrlicher Umgang der Ostdeutschen mit dem Naziboom der 90er ist nur möglich, wenn auch dieser Diskurs nicht schon wieder wie fremdbestimmt erschiene.
Die rechtsextremen Lebenswelten gibts bei Andrea Röpcke, hier ein Interview mit deutschlandradio kultur über ihr neues Buch:
"Gefährlich verankert – Rechtsextreme Graswurzelarbeit, Strategien und neue Netzwerke in Mecklenburg-Vorpommern"
Ich habe - hier beim Freitag vor kurzem
https://www.freitag.de/autoren/magda/wer-kommt-denn-da-sein-kind-abholen
auf eine Broschüre hingewiesen. Ein Ratgeber über den Umgang mit rechtsextremen Eltern, die ihre Kinder ja auch in Kitas schicken.
Die Kommentare unter diesem Beitrag sprechen ihre eigene Sprache.
Dass Rechtsexteme besonders smart sind, das ist mir bisher nicht aufgefallen, aber vielleicht habe ich falsch geschaut.
"Aus Rassismus wird „Fremdenfeindlichkeit“ oder gleich „Asylkritiker“. Der Topos des „besorgten Bürgers“ bedarf dringend einer kritischen Diskursanalyse."
Der Begriff "Rassismus" ist unscharfer als Fremdenfeindlichkeit. Er hat eine spezielle Bedeutung, die als Kampfbegriff ausgeweitet wurde. Man kann ihn eigentlich gar nicht mehr als diskursfähig ansehen, außer wenn man von Rassismus im eigentlichen Sinne als Ideologie spricht. Fremdenfeindlichkeit ist allgemeiner und baut Brücken, weil jeder hin und wieder feindselig auf Fremdes reagiert, das ist ja wenn man so will sogar normal. Wenn man sich unwohl fühlt auf einer Party mit lauter schwäbischen Immobilienmaklern in Berlin...
Es ist grundsätzlich falsch Gefühle von Menschen zu pathologisieren, weil sie gerade nicht in politische Wunschwelten passen. Wichtig ist anzuerkennen, dass wir alle fremdenfeindlich sind, und das auch normal ist, und das mit unseren Prinzipien einer gleichen Gesellschaft für alle ohne Diskriminierung zu konfrontieren. Den Verstand siegen zu lassen, ohne das Gefühl zu belügen.
"fremdenfeindlichkeit baut brücken" - a good one. ihr post ist der beste beleg dafür, worin es sich die verunklarung durch begriffe gemütlich macht. ich wüsste nicht, was daran akzeptabel wäre, dass fremdenfeindlichkeit "normal" sein soll. schön normal, anderen leuten gewalt an zu tun, weil sie nicht aussehen wie man selbst? ihre aufrichtigen gefühle sind gruselig.
die kommentare sprechen indeed ihre eigene sprache. was sind das nur für menschen? ich fand bei begrich ja diese medialen rückkopplungen interessant - dass die leute dahin gehen, um sich was erklären zu lassen, und dann kommen sie aus ihren klischees einfach nicht raus
danke für "old school nazis" * na fein, nun is er wieder da, aber eben als nazi 2.0 oder nazi reloaded * egal wie man es labelt, unterm strich ist es ein gesamtgesellschaftliches vollversagen oder deutschlands schande * trotzdem feinsten resttag noch cp
Interessantes Interview, danke. Ihr Gruseln gegenüber Zelotti finde ich allerdings etwas reflexhaft. Wenn Sie Begriffsunschärfe anprangern, zu Recht, dann finde ich aber, dass ihre Definitionen auf den Tisch müssen. Feindlichkeit ist nicht normal, gehe ich mit. Freundlichkeit ist allerdings auch nicht normal, sonst gäbe es das Wort als Abgrenzung zu Feindlichkeit nicht. Das Wort Gewalt haben Sie gegenüber Zelotti bereichernd in die Diskussion eingefügt. Am Handeln soll man Menschen beurteilen, nicht am Fühlen, finde ich.
wieso reflexhaft? wenn jemand "fremdenfeindlichkeit" als "normal" betrachtet, dann hört bei mir verständnis und sympathie auf. was spricht dagegen? und die echten gefühle will sich doch zelotti nicht von falschem verstand kaputtmachen lassen, wenn ich ihn richtig verstehe. was für ein weirdes denken. darunter fällt für mich auch: "Freundlichkeit ist allerdings auch nicht normal, sonst gäbe es das Wort als Abgrenzung zu Feindlichkeit nicht." was soll das denn heißen, was sollen diese völlig absurden polarisierungen, carl schmitt doesn't live here anymore. warum soll ich menschen, die ich nicht kenne, nicht einfach freundlich gegenübertreten? warum soll ich nicht einfach jeden menschen freundlich gegenübertreten? warum soll ich angst haben vor menschen, die nicht aussehen wie ich?
Die in Interview und Vorspann angestrengten Vergleiche können meines Erachtens nicht so stehen bleiben. Filme wie Kriegerin und Beruf: Neonazi mit Bully-Herbig-Klamotten à la Heil auf eine Stufe zu stellen zeugt von einer kulturellen Überheblichkeit und politischen Herablassung, die kaum noch zu überbieten ist. Anders gesagt: Für die Herren Begrich und Dell ist vermutlich jede kulturelle Verarbeitung des Themas inadäquat, von Ahnung unbehaftet und inhaltlich daneben – Ausnahme eventuell eine abendfüllende Doku, wo sie via O-Ton-Ansprache ihre Sicht der Dinge abstrichslos ausbreiten können.
Würde vermutlich kein Mensch gucken wollen, aber naja. Was in dem Interview als Wunschvorstellung durchkommt, ist letzten Endes die typisch deutsche Form pädagogisierender Didaktik. So unmainstreamhaft, wie Herr Begrich das glauben machen möchte, ist diese nun allerdings nicht. Im Gegenteil: Diese speziell bundesrepublikanische Variante staatsauftragsgesteuerten Agitprops bedienen doch die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten bis zum Abwinken. Am besten, mit anschließender Diskussion bei Günter Jauch oder Anne Will.
Die staatsgesteuerte deutsche Filmkultur mag, was das Artikelthema anbelangt, eher ein randständiger Aspekt sein. Sie zeigt allerdings, was herauskommt, wenn sich nicht mehr Regisseure eigenständig mit ihren Stoffen auseinandersetzen, sondern der Impetus von außen, von Staats wegen, in die Kunst hineingetragen wird. Das Ergebnis in dem Fall: hochnotpeinliche »Tatort«-Folgen (denen Herr Dell in seinen Rezension gern den fehlenden höheren Sinn verleiht) oder – das scheinbare Gegenmodell – platter Klamauk zwecks schneller Cash-Generierung wie bei Heil. Das eigenständige Produktionen wie der Indie-Film Kriegerin in dem Raster ebenso durchfallen wie die – zugegeben fehlkonzipierte – Doku Beruf: Neonazi, liegt auf der Hand.
Selbstverständlich fallen durch das Raster dieses pädagogisch verengten Kulturverständnisses auch alle Produktionen, die sich nur in einem weiteren Sinn mit der Problematik befassen. Oder stärker positive Ansätze bedienen wie zum Beispiel die Darstellung von immigrantischen Milieus (Beispiel: die famose Dominik-Graf-Serie Im Angesicht des Verbrechens).
P. s.: Führer Ex fand ich ebenfalls nicht so dolle. Allerdings: Milieu, Zeit und so weiter schienen mir angesichts von Hasselbachs »Karriere« doch treffend in Szene gesetzt.
Nichts für ungut, aber Ihr bescheidwissender Ton ("die Herren") würde besser kommen, wenn er von mehr Bescheidwissen und weniger Unterstellungen ("vermutlich jede kulturelle Verarbeitung des Themas inädaquat"/ und der Witz mit der Doku ist natürlich ungeheuer lustig) gedeckt wäre. "Heil" zum Beispiel "schnelle Cash-Generierung" zu unterstellen, ist - rührend. Der Film hat nach drei Wochen 30.000 Zuschauer, Tendenz fallend, das macht knapp über 200.000 Euro Einnahmen, gekostet hat er 2,7 Millionen Euro. Heißt: das wird kein Film, der dem deutschen Fördersystem was zurückzahlen kann. Heißt aber nicht: schnelle Cash-Generierung.
"Bully-Herbig-Klamotte" ist auch eine Kategorie, die "Heil" verfehlt, Bully-Herbig-Filme beziehen ihren Witz daraus, bekannte Buddy-Filme durch (Homo)Sexualisierung parodieren zu wollen. Gemessen daran ist "Heil" doch wesentlich gegenwärtiger, da geht es nicht um Pubertierendenhumor.
Aber Ihnen geht es ja auch gar nicht um genaue Kategorien, sondern nur um so ne öde E-und-U-Hierachisierung (weshalb Sie dann nicht verstehen können, dass das Neonazi-Klischee sowohl im schaurigen Sozialdrama a la "Kriegerin" als auch in der satirisch sich dazu verhalten wollenden Komödie "Heil" auftauchen kann - genau das und nur das war der Punkt im Gespräch). Wobei der größte Gag natürlich ist, dass Sie mit so nem Begriff von Kunst anderen Leuten "pädagogisierende Didaktik" vorwerfen - dabei operieren doch genau Filme wie "Kriegerin" in diesem Feld; da würde ich Brüggemann sofort zustimmen.
Die Cashmarge hat Heil, Asche auf mein Haupt, sicherlich verfehlt :-). Auf konsequenten Willen zur Indiekunst ist der Nichterfolg allerdings sicher nicht zurückzuführen. Insofern gesehen erscheint mir das Konzept – platten Kalauerhumor à la Heute Show auf das Thema »Neonazis« zu übertragen, weil das gerade funzt – nicht ganz so undurchdacht. Jedenfalls unter kaufmännischen Aspekten.
Über Kriegerin werden wir uns nicht einig. Kein Problem. Allerdings: Ich sehe da einen engen Zusammenhang mit dem, was Sie mir – nicht ganz unrichtig – als bewußt betriebene Unterscheidung zwischen zwischen E- und U-Kultur unterstellen. Da liegt der Hund auch begraben. Kriegerin macht meines Erachtens genau das, was Film soll und was Film gut kann: Empathie wecken für Figuren und für die Situation, in der sie stecken. Das ist ungefähr das Gegenteil des Pädagogisierens, wie es für den öffentlich-rechtlichen Teil der Filmproduktion typisch ist. Worin unterscheiden sich beide Konzepte? Nichtpädagogische Filme konfrontieren uns mit einer Geschichte, mit einer Situation, mit einer Entwicklung und – ganz wichtig – mit Emotionen. Das Ende ist offen; die Zuschauer müssen sich eigentätig mit den Inhalten beschäftigen. Pädagogisierende Filme hingegen sind auf ein PR-Ziel hin gestrickt. Weil sich die Absicht dahinter meist schlecht verleugnen lässt, sind sie auch meist plump, unadäquat, realitätsfern.
Selbstverständlich schlägt die miese »E«-Kultur der Öfffentlich-Rechtlichen auch auf die »U«-Kultur des verbliebenen deutschen Filmmarktes über – siehe Heil. Die Darstellung dieser Dialektik würde an dieser Stelle jedoch zu weit führen. Vielleicht ein andermal.
Aber es gibt im Osten auch einen gewissen Unwillen, sich der eigenen, unrühmlichen 20-jährigen Tradition von Rassismus und Rechtsextremismus zu stellen.
In den 90igern gab es die Ost-Fascho-Welle, das ist richtig. Und es wäre auch nicht falsch gewesen, diese als ein Phänomen im abgrenzbaren Biotop "Neue Bundesländer" zu untersuchen. Damals, als es also noch sinnvoll gewesen wäre, ist eine solche kollektive Selbstreflektion, wie sie der Interview-Partner heute etwa der "Dritten Generation Ost" abverlangt, aber vor allem dadurch verhindert worden, dass die Medien und "Experten" West die Deutungsmacht darüber nicht nur beansprucht, sondern auch an sich gerissen haben. Dass die "alten Bundesländer" dasselbe Problem, eine Fascho-Skin-Welle, 10 Jahre vorher (und etwa Großbritannien nochmal etwas früher) hatten, man also durchaus auch vergleichend hätte analysieren und interpretieren können, ist dabei natürlich vollständig ignoriert worden, weil das die Interpretation (ein besonderes Symptom und Folge DDR-autoritärer, demokratiefeindlicher Zustände) verunmöglicht hätte.
Genau dieser Trick - den Nazi zu etwas ganz anderem, dem Eigenen völlig fremden Phänomen zu erklären - ist das eigentliche Problem, das in vielfältiger Form in Faschismus-Theorien, bei der Bewertung von faschistischen politischen oder Jugendbewegungen usw. auftaucht. Auch die sog. Totalitarismustheorie liegt auf der Linie. Rot=Braun=Böse, und bürgerlich-demokratisch-(kapitalistisch)=das diametral andere=das Gute. Das der Faschist ein Bürger ist, will kein Bürger wahrhaben. Deshalb muss er ein tumber Prolet sein.
Was ich noch sagen wollte: Heute, 22 Jahre nach Rostock, sind die beobachtbaren Unterschiede bei faschistoiden Tendenzen zwischen Ost und West endgültig sekundär geworden. Es gibt keinen besonderen ostdeutschen Neo-Faschismus mehr, wenn es den jemals gab. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass es (ostdeutsche) Regionen gibt, wo sowas wie Pegida deutlich mehr als anderswo reüssieren konnte und kann. Das "deutlich mehr" ist nicht nur im Vgl. mit, was weiß ich, Hannover oder Köln, erkennbar, sondern auch im Vgl. mit Leipzig oder Potsdam. Beides, "Tumbifizierung" wie Ossifizierung lenken nur vom eigentlichen Problem ab.
"Man kann ihn [den Begriff Rassismus] eigentlich gar nicht mehr als diskursfähig ansehen, außer wenn man von Rassismus im eigentlichen Sinne als Ideologie spricht.
Das sind ja nun wirklich latest news ...
Worauf wollen Sie eigentlich konkret hinaus? In den angesprochenen Filmen - besonders wohl "Heil" - und stereotyper Berichterstattung werden Neonazis als typische Abziehbilder oder Masken dargestellt. Magda sagt dazu oben, das führe leicht dazu, "dass die Leute möglichst weiten Abstand halten können." Und damit hat sie wohl ziemlich recht. Also wenn Neonazis eben dergestalt "90er"-mäßig im Skinhead-Look und Baseballschläger auftreten und nur tumb draufhauen. Da lässt sich dann heute erleichtert sagen, das hätten wir ja hinter uns. Dazu kommt die völlige Abseitsstellung von der Gesellschaft oder vielmehr der vielbeschworenen "Mitte". Das ist dann eben nur Prekariat aus dem Plattenbau mit freilich nichts in der Birne und, wie gesagt, leicht als pure Schläger zu erkennen. Es wird allein dämonisiert. Ähnlich, wie allgemeinmedial auch mit z.B. Diktatoren from abroad verfahren wird ("Hitler Saddam", "der Irre aus Teheran" usw.) Und so lässt es sich gemütlich weiterschaukeln mit der eigenen Anschlussfähigkeit an Rassismus und Fremdenfeindlichkeit.
Sofern Sie darauf hinauswollten, würde ich Ihnen zustimmen. Allerdings bewegen Sie sich nah an maximaler Missverständlichkeit. Was sicher v.a. an semantischen Missgriffen wie "Fremdenfeindlichkeit baut Brücken" liegt.
Ton hin und her - so unrecht hat der Zietz nicht. Klar ist, dass Sie sich als spitz und etwas herablassend Angesprochener verteidigen wollen.
Zietz' Befund, "Heil" ziele primär auf "Cash" wird allerdings nicht damit entkräftet, dass der Film nun am Ende wohl doch nicht so viel einspielen wird. Auch schweineteure Hollywood-Produktionen floppen bisweilen.
Ich habe den Film "Heil" zwar bisher nicht gesehen, weshalb ich mich vielleicht nicht zu weit aus dem Fenster lehnen sollte ... Wohl habe ich aber Trailer gesehen und Rezensionen gelesen und daraufhin nicht sonderlich Lust verspürt, mir eine teure Kinokarte zu kaufen. Und zwar, weil ich meinem Eindruck nach so ziemlich das vermutete, was Zietz gegen "Heil" anführt. Diese Art der Darstellung, der sich der Film offenbar zu befleißigen such, ist halt für mich auch ziemlich durch. Das einzig "Neue" scheint nur zu sein, dass auch Linke und gutmeinende Grüne ihr Fett wegkriegen. So scheint es am Ende nicht mehr als eine Komödie zu sein, die eben wohlgeformte Klischees aufeinanderprallen lässt. Nicht, dass ich jetzt nur didaktisch wertvolles Kino suche - aber für diesen Themenkreis wäre mir das halt zu wenig. Und gleichwohl scheint mir angesichts einer sich verschärfenden Aktualisierung von Fremdenfeindlichkeit bis zum Neonazismus auch wirklich nicht der Zeitpunkt für Banalisierungen zu sein.
Na klar baut die Brücken. Wie der Schützenverein oder die Hekel-Runde. Wenn ein Thema in einer Gruppe synchronisiert werden kann (in Übereinstimmung grbacht), dann ist die Brücke zur Gemeinschaft gebaut. Und Gemeinschaft ist das, was den Sapiens ausmacht und wovon er nur seine Kultur bilden kann.
Sie brauchen auch nicht ihre Mentalreaktion als Kompass für ihre Ideologie nehmen. Das hilft nur die eigenen Vorurteile zu festigen und sie in ihrer Gruppe bestätigt zu bekommen. Brückenbildung eben. Die verstandesmäßige Befassung mit der Kernproblematik ist doch auch euer Steckenpferd? Dann aber auch wirklich praktizieren.
Was will man von Drehbuchschreibern, Filmemachern, etc. erwarten, die "den Nazi" von einem Verein namens Miteinander e.V. – Netzwerk für Demokratie und Weltoffenheit erklärt bekommen müssen? Im besten Falle ist mal ein Wiedergänger Karl Mays darunter, der einem Publikum, welches Amerika mühsam auf dem Globus suchen muss, immerhin eine originelle, spannende Wild-West-Geschichte auftischen kann (ohne jemals dort gewesen zu sein).
Oder um es anders zu sagen: 2004 kam "Gegen die Wand" in die Kinos. Keine Ahnung, ob damals ein in irgendeiner Art und Weise "authentisches" Milieu gezeigt wurde. Aber in jedem Fall war dieser Film etwas Neues, etwas an dem man als Zuschauer hängen blieb. Mag sein, dass dies damit zusammenhing, dass weder Drehbuchschreiber/Regisseur noch die tragenden Schauspieler als Kinder von Lehrerehepaaren mit Reihenhäuschen das Licht der Welt erblickten.
Ich finde übrigens, dass trotz der millionenfach demonstrierten Ablehnung von Asylanten und Zuwanderern sehr wenig solcher zu Schaden kommen. Niemand hier beführwortet die Gewalt - etwa in Form von Abbrennen von Unterkünften. Wo lesen sie das? Fremdenfeindlichkeit ist nicht gleichbedeutend mit Gewalt. Und noch nicht mal mit Hass. Vielleicht ist es eine im Kern gut begründbare Entscheidung zur Feindlichkeit? Freilich aus reiner Not heraus - weil denen nichts anderes mehr übrig bleibt im Leben. Sie sind bis zum zerbrechen gedemütigt und selbst ausgestoßene im eigenen Land.
Hinterfragen sie in diesem Kontext mal ihre eigene Sichtweise. Stellten sie fest. sie würden diese Leute - Pegida etwa - für ihren Anfangsimpuls für ihre Bedürfnisse auf die Strasse zu gehen, verurteilen, nur weil sie sich in Konkurenz zu Zuwanderern (konkret Muslime) sehen? Und daran - an der Kälte, die sie verspüren in ihrer Heimat - zerbrechen, weil Leute, wie sie a priori Stellung gegen sie beziehen. Und das nicht nur aufgrund der Pegida-.Bewegung, sondern auch im sonstigen Alltag. "Freundlichkeit", wie sie oben schreiben, ist geübte Konvention. Die kommt nicht bei den Leuten an, weil sie diese nicht ernst meinen. Hinterfragen sie sich ... tun sie es. Geben sie diesen Leuten das, was sie vorgeben, zu tun? Akzeptieren sie diese Menschen so, wie sie sind? Oder gibt es lautlose Dissonanzen im Hinterkopf, wenn sie solchen begegnen?
Meinen sie, sie könnten etwa einem "Mentalisten", einem genialen Emphaten und gutem Beobachter, der ihnen jede Geste und jede Haltungsregung in einer Situation erklären kann, ihre tief liegende Ablehnung gegen diese Leute des Alltages verbergen? (Nicht Pegida-Demonstranten, sondern das unangenehme Prekariat, das einem so im Alltag begegnen kann - sie sind aber die selben Personengruppen, nur in anderer Situation)
Was glauben sie, wie gut sie sich selbst belügen können. Ganze Approbationen sind darüber geschrieben worden, wie wir uns selbst an der Nase herumführen, um der Mentalreaktion und den Konventionen zu entsprechen. Wir beugen unserer Bewusstsein solchen Primärsignalen hin, bis sie bestens geübt in jede Mainstreamgesellschaft unauffällig integriert werden können. Die derart gut eingespielte Gruppe (der Bürger-Eliten) ist eine hermetisch abgeriegelte und homogene Hochburg und in ihrer Hegemonie unschlagbar, aber brutal in den Ansichten und Ignoranz denen gegenüber, die es in diese Gruppe nicht hineingeschaft haben - dem Prekariat. Unser Bewusstsein ist in diesen Situationen nur die Rechtfertigungsmaschine für das vermeindlich unausweichliche. Wir rechtfertigen uns nach unserem Sozialverhalten - nicht davor. Beobachten sie sich und hinterfragen sie sich notwendigerweise.
Und was will uns das Ganze sagen?
...als Kinder von Lehrerehepaaren mit Reihenhäuschen das Licht der Welt erblickten.
-> Das ist ein interessantes Stichwort. Was des Einen pures Leben, ist des Anderen sein Abenteuer aus dem Wohnzimmer heraus in eine unvergleichlich brutale und kalte Lebenswelt. Man bekommt nur die Oberfläche zu sehen und die auch nur stark in den eigenen Kontext hineingebogen.
Das Reihenhäuschen hat auch eine eigene Wasseruhr, die das Wasser leicht ionisiert, was dem Hirn einen gewissen Vorteil in seiner Entwicklung verschafft. Das ist rein organisatorisch sogar erwünscht (Klassenbildung) - um der Kontrolle wegen. Man spricht auch nicht umsonst schon von Humankapital, was sich zweifellos auch auf das entwickelte Gehirn (und seinem Enhancemend) bezieht. Davon weiß aber niemand - und ist top-Secret.
Ich bin in einem solchem Reihenhaus aufgewachsen und habe nach dem Auszug meinen Absturz ins Bodenlose/Prekariat faszinierend und beklemmend beobachtet. Dabei ist eines neben vielen anderen Symptomatiken aufdringlich deutlich gewesen: Kopfschmerzen - seit nun schon 6 Jahren täglich. In meinem Gehirn degeneriert etwas.
Das er nur loyal seiner Gruppe unterworfen sei und es mit dem vor sich her getragenen Verstand und seiner Anwendung nicht so drauf hat.
Nichts gegen Loyalität. Aber diese "gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit" ist die Selbe Reaktion aus seiner Loyalität zur Gruppe herraus, wie die Pegida-Anhänger der ihren Gruppe loyal sind. Das gegenseitige "Verstehen" ist da nahezu unmöglich, weil ...wie gesagt: man hat seine konditionierten Vorurteile aus der Gruppe zum allgemeingültigen Argument geformt.
Diese "MentalREaktionen" sind emphatische Signale, denen wir uns anpassen und später im Bewusstsein diese Anpassung rechtfertigen. Es findet eine umfassende Synchronsierung statt, die "das Andere" daraufhin als minderwertig brandmarkt - insgeheim, weil man ja "freundlich" sein muß.
Naja, und ein Angriff auf seine "Freundlichkeit", die a priori rauszuhängen sei.
Ich habe mein Leben lang versucht, meine Mitmenschen zu verstehen. Mit dieser elendlich kultivierten Freundlichkeit kann man dieses Verstehen problemlos umgehen. Freundlichkeit ist in diesem Sinne die totale Ignoranz seines Gegenübers.
Und er schreibt auch noch was von Angst, die man haben "sollte" (oder eben nicht). Da sollte er sich auch noch mal hinterfragen. Denn das ist auch ein Teil der emphatischen Signale. Da kann er sich nicht vornehmen, keine Angst zu haben - oder keine Erregung irgendeiner Art. Man hat sie oder eben nicht. Kein Entscheidung dagegen nimmt einem die, wenn sie in Begegnungen mit Menschen auftritt. Der Mann lebt scheinbar in der totalen selbsterfüllenden Prophezeiung und merkt nicht, dass sie sich nie erfüllt. Nur in der Peergroup eben. Aber nicht angesichts des Fremden.
Das ist Pädegogen-Dekadenz in bester Kondition. Und auch noch auf sich selbst angewendet - weil der glaubt, was er uns erklären will.
Noch immer nicht klarer. Aber macht nichts.
In den 90igern gab es die Ost-Fascho-Welle, das ist richtig. Und es wäre auch nicht falsch gewesen, diese als ein Phänomen im abgrenzbaren Biotop "Neue Bundesländer" zu untersuchen. Damals, als es also noch sinnvoll gewesen wäre, ist eine solche kollektive Selbstreflektion, wie sie der Interview-Partner heute etwa der "Dritten Generation Ost" abverlangt, aber vor allem dadurch verhindert worden, dass die Medien und "Experten" West die Deutungsmacht darüber nicht nur beansprucht, sondern auch an sich gerissen haben. Dass die "alten Bundesländer" dasselbe Problem, eine Fascho-Skin-Welle, 10 Jahre vorher (und etwa Großbritannien nochmal etwas früher) hatten, man also durchaus auch vergleichend hätte analysieren und interpretieren können, ist dabei natürlich vollständig ignoriert worden, weil das die Interpretation (ein besonderes Symptom und Folge DDR-autoritärer, demokratiefeindlicher Zustände) verunmöglicht hätte.
Da stimme ich Ihnen voll zu. Unverständlich bleibt für mich nur, dass diese Handhabung des Phänomens bis heute sich hat halten können. Ist doch in der Tat zum Feld des Rechtsextremismus in der DDR und seiner Entwicklung nach der Wende, zu der die westdeutsche Neonaziszene entscheidend beigetragen hat, historisch viel geforscht worden. Das Material ist in Form von Vorträgen, Büchern, Studienarbeiten voll zugänglich. Dass der Mythos vom Ost-Nazi sich immer noch halten kann, leuchtet nicht ein.
Naja, es leuchtet ein, wenn man die Ost-Nazis als Folge eines Konflikts begreift, der sich vermeindlich durch die Wendezeit als für den Westen gewonnen darstellte.
Die Suche nach den ursachen würde also auf den Ost-Westkonflikt hinweisen und den Sieg in den Dreck ziehen, weil dieser Sieg eben auch Opfer forderte, die selbst nichts für ihre Entwicklungen können (Nazi-Werden).
Deswegen werden die Befunde aus den Foschungen nie erfüllend zusammengesetzt. Ausserdem einige Detailbedingungen, trotz 2000 Jahre dauernder christlicher Traditionen und Religion und damit der Beweis für das Göttliche, maximal geleugnet werden, damit sich niemand von der Leitkultur und seinen Inhalten kritisch abwendet.
In diesen verleugneten Bedingungen steckt dazu noch der Beweis, dass das Christentum notwendigerweise dazu führt, zum Rassisten zu werden. Der Rassismus ist also als eine Kernfunktion im Christentum eingebaut - ohne die es nicht funktionieren könnte. Rassismus als eine Einbeziehung der Rassenbedingungen in die Herrschaftstheorien zur Steuerung der unterworfenen Schäfchen - also die Gläubigen.
Deswegen ist offener Rassismus auch so ungern gesehen, weil es an dieser Kernbedingung der Gemeinschaften und ihre Strategie der Herrschaft und Organisation von Populationen erinnert. Heisst: Man bekommt ein schlechtes Gewissen, welches man aber nicht eingesteht, sondern seine Widerspenstigkeit gegen diese Wahrheit in Wut umlenkt und die Wahrheit und seine Verkünder richtet. Solche Prozesse nennt man in der Verhaltensforschung auch "Übersprung", weil sie sich aus der zwingend auf sie einströmenden Wirklichkeit durch die Selbstlüge das Empörungspotential über seine eigene Schwäche in eine andere Richtung umlenken.
Ja, macht nichts, was?
Woran hapert es denn? Was willst du nicht verstehen? Oder kannst es nicht.
Aus Rassismus wird „Fremdenfeindlichkeit“ oder gleich „Asylkritiker“
*lol*
Man kann das durchaus von beiden Seiten sehen. Der in D gängige Weg ist wohl eher der umgedrehte, nämlich Kritik jeder Art mit der Nazikeule zu verprügeln.
Gibts natürlich auch auf der anderen Seite, da wird jemand der Menschen in Not hilft zum "Gutmenschen" oder gleich zum "Multikultifan" gemacht.
Beiden Seiten kann man unzulässige Pauschalisierungen vorwerfen.
"Der Topos des „besorgten Bürgers“ bedarf dringend einer kritischen Diskursanalyse."
Ich bezweifle, dass Herr Dell diesen Diskurs ergebnisoffen möchte...
und @richard zietz
Na, ja, Ton macht schon auch Musik; aber von mir aus können Sie ruhig auf den Schlamm hauen, Sie sollten dann nur wissen, wovon Sie reden. Und da sind mir sowohl bei Ihnen, Miauxx, als auch bei Zietz zu viele Projektionen am Start (Was kann man über Filme sagen, die man nicht gesehen hat – das ist doch nicht seriös, das so an den eigenen Vermutungen am Trailer lang zu beurteilen, auch wenn ich ja sagen würde, dass Sie nicht viel verpassen). So einen langweiligen Kommerzvorwurf an einen Film zu machen, der seine Kosten im Leben nicht reinkriegen wird - und das ist, anders als in Hollywood, kein Flop, sondern die Normalität im deutschen Kino. Und "Heute Show" macht auch was anderes.
Genauso abwegig scheint mir die Vorstellung von einer "Indiekunst", die gar keinen Erfolg will. Künstler, die nicht wollen, dass ihre Sachen nicht gesehen werden. Außerdem: Das funktioniert im deutschen Film nicht, in diesen Major/Indie-Kategorien zu denken; auch in den USA scheinen die mir obsolet. Oder diese Definition von "Nichtpädagogischen Filmen" von Zietz, die ist so geräumig, da kriegt man 90 Prozent aller Filme reinargumentiert. So wie es umgekehrt wenig tauglich ist, als Sinn von "Pädagogischen Filmen" PR anzugeben. "Pädagogische Filme" sollten doch Pädagogik zum Ziel haben, "PR" funktioniert dagegen dort besonders gut, wo so was wie Moral und Erziehung nicht am Start ist, siehe Donald Trump. Das ist PR.
Worum es aber doch eigentlich ging: dass "Kriegerin", so gut Sie den finden, sich in dem Outsourcing von Nazis via Klischee eben nicht so sehr von "Heil" unterscheidet. Das ist alles schön weit weg und hat mit der Mitte nichts zu tun. Das kritisiert Begrich, und ich finde diesen Punkt interessant; um den zu sehen, muss man aber von diesen E-U-Projektionen lassen können. Ironischerweise wendet sich "Heil" ja genau dagegen. ("Kriegerin" könnte man auch als cleveres PR-Projekt seines Regisseurs erzählen, der dann noch das "Glück" hat, dass der Film zwei Monate nach dem Auffliegen der Zwickauer Zelle rauskommt und die ganze Betroffenheitsbereitschaft abbekommt, die sich dadurch angesammelt hat; und pädagogisch ist der doch ohne Ende, wenn die schöne Hauptfigur von der bösen Nazi-Sache gerettet wird zur Fluchthelferin; was da noch den Zuschauer beschäftigen soll, "eigentätig", ist mir unklar)
Ich verstehe ja, dass Sie aus vielleicht verschiedenen ökonomischen Gründen nur eine Antwort an mich und R. Zietz senden wollen ...
Doch habe ich habe allein gesagt, dass Zietz in meinen Augen nicht ganz unrecht hat - was nicht heißt, dass ich seine Äußerungen 1:1 zu den meinen mache. Vielleicht hätten Sie doch trennen sollen, denn, wenn ich all' das, was Sie nun schreiben auch für mich annehmen soll, so finde ich Ihren Kommentar unfair. Ich habe z.B. keinen Kommerzvorwurf gegenüber "Heil" formuliert, sondern allein darauf verwiesen, dass ein Kassenflop kein Argument dafür ist, dass ein Film Indie sei. Dieses Argument drehen Sie mir im Munde herum, als ob ich behauptet hätte, echter Indie wolle gar keinen Erfolg an der Kasse. Die pädagogische Schiene oder "E-U-Projektionen" wiederum wurden allein von Zietz eingeführt und zum Argument gemacht und nicht von mir. Und nicht zuletzt habe ich deutlich gemacht, dass mein Eindruck von "Heil" ein vorläufiger, weil auf Trailern und Rezensionen basierender, ist. Das kann freilich nicht das wirkliche Anschauen des ganzen Filmes ersetzen. Trotzdem muss dem (potentiellen) Rezipienten auch zugestanden werden, sich einen gewissen Eindruck mittels dieser Instrumente zu verschaffen - denn dazu sind sie ja auch da. So habe ich auch allein einen, eben meinen, Eindruck geäußert. Und der ist eben, dass es sich - für mich - um einen eher kurzatmigen Klamauk, oder meinetwegen auch Satire, zu handeln scheint. Auf Kommerz oder Pädagogisch-Wertvoll-Prädikate wollte ich gar nicht hinaus bzw. so weit gar nicht gehen. Und ich habe das Argument des Zeitpunktes - angesichts sich verschärfender Tendenzen von Fremdenfeindlichkeit und Rassismus - angeführt. Das will ich dem Film oder den Machern weniger zum Vorwurf machen. Aber mir steht eben auch deshalb weniger die Laune nach diesem Film.
So. Aber das Interview finde ich gut, habe es gerne gelesen und stimme Begrich fast vollumfänglich zu!
Das ist doch mal was Neues: dFC-Kommentare zu einem Film-Artikel nur dann, wenn der Kommentator / die Kommentatorin den Film gesehen hat. In Full Length bitte sehr; Kneifen gilt nicht und Trailer reicht nicht. Erinnert mich irgendwie an ein bekanntes Tiefbahnhof-Projekt. Die dummen Kritiker haben auch nicht in den Komissionen gesessen, die diesen geplant haben. Und kannten auch nicht die Geheimpapiere, die dort rumgingen – wie auch, die waren schließlich geheim. Der unwissende dFC-Forist (nebst weiblichen Gegenpart) sollen also das Interview widerspruchslos konsumieren. Vermutlich gilt diese Regel auch in Bezug auf die komplett ungenießbare, mit Staatsideologie bis zur Kragenkrause angereicherte TV-Krimireihe »Tatort«, aber lassen wir das.
Heil war keinesfalls kommerziell intendiert – auch wenn die Versatzstücke des Schenkelklopf-Humors aus jeder Szene schimmern. Der Film ist – ordre de mufti vom Rezensenten – gefloppt, und gegen diesen Beschluss gibt es keine Widerspruchsmöglichkeit.
Kriegerin – anscheinend gemeinsames Haßobjekt von Interviewer und Interviewtem – wiederum darf man auf keinen Fall gut finden. Da Urteil hier: »klischeeebeladen«, in der falschen Gegend und im falschen Milieu spielend (Interviewer und Interviewter haben die »Mitte« auf die Agenda gesetzt und da haben sich Filmemacher gefälligst daran zu halten), mit dem falschen, Erfolg generierenden Erscheinungsdatum behaftet und dann auch noch – ebenfalls pädagogisch. Eine Geschichte zu erzählen reicht also keinesfalls aus. Auch wenn die gezeigte Entwicklung eine zutiefst humanistische Botschaft mit beinhaltet (und in dem Sinn – ich will mich da nicht um Begifflichkeiten streiten – sicher auch ein Stück »pädagogisch« ist).
Ich weiß nicht, was Sie gesehen haben. Ich habe die Entwicklung einer jungen Frau gesehen mit einer stark rebellischen Grundhaltung. Die sich – in der landbrandenburgischen Ödnis – der Gruppe anschließt, die diese Standing-Outside-Haltung (anscheinend) am besten bedient. Und die schließlich durch zwei Sachen in Konflikt gerät mit diesem Milieu: a) die ebendort praktizierte Frauenunterdrückung, b) das Zusammentreffen mit einem anderen Underdog, einem Flüchtling. Und die genau an dem Punkt ihren rebellischen Roots treu bleibt und in Konflikt geht zu den Nazi-Häuptlingen, den Nazi-Mackern und den Nazi-Mitläufern.
Zugegeben: die bürgerliche Mitte wurde in diesem Film nicht thematisiert (oder jedenfalls nur sehr fragmentarisch). Möglicherweise wurde auch der Ideologie des involvierten Nazi-Fußvolks nicht genügend Rechnung getragen. Vielleicht hat auch der Wechsel der Seiten den beiden Fachexperten nicht gefallen – nach dem Motto: einmal Nazi, immer Nazi. Oder die Nase der (in meinen Augen famos spielenden) Hauptdarstellerin Alina Levshin. Klar, kann man so sehen. Allerdings: Kontrastiert mit dem Klamauk von Heil, der sein Filmthema weder politisch noch satirisch ernst nimmt und entsprechend wenig Erkenntnisse oder Stoff zum Nachdenken anzubieten hat mit Kriegerin, erscheint mir letzterer schon in einer anderen Liga spielend.
"Weil die Nazis von heute näher am Lifestyle der Mitte dran sind, als diese wahrhaben will. Neonazismus ist subtil, nicht stumpf. Nazis als stumpf darzustellen ist praktisch für die moralische Selbstdistinktion, der Thor-Steinar-Träger spiegelt dagegen den Rassismus der Mitte."
Wie bitte? Neonazismus subtil? Was soll denn an den Trägern der arischen Markenklamotten, die gerne auch mal Jura und BWL studieren und mit fünf unfallfreien Sätzen ihre völkische Scheiße raushauen können, subtil sein? Die schlagen sich belustigt auf die Schenkel bei soviel Psychologisierung ihrer Hassstrategie.
By Jove, Zietz, jetzt seien Sie doch mal nicht so beleidigt. Keiner hat Ihnen oder dFC-Kommentatores was verboten, es geht überhaupt nicht ums Dürfen. "Widerspruchslos konsumieren", so ein Quatsch. Ich habe lediglich drauf hingewiesen, dass gewisse Grundannahmen m.E. den Film verfehlen. Und dass wir aneinander vorbeirreden, so wie Sie "Kriegerin" diskutieren wollen, Sie meinen den Film längs, also in der Qualität, die Sie mochten, Begrichs Hinweis verhält sich aber quer, da geht es um ein Moment, dass den Film mit anderen verbindet (was aber nicht heißt, dass man Alina Levshin nicht toll finden kann oder was weiß ich - es geht nur einfach nicht darum). Auf der queren Ebene, so Begrich, und ich finde das eben nachvollziehbar und vor allem auch: interessant als Aspekt, ist es keine andere Liga, sondern nur dieselbe Suppe. Das habe ich jetzt aber zum letzten Mal gesagt.
Liebe/r Miauxx, sorry für die Ökonomie (in der Tat), ich dachte, es ist wie im alten Honni-Gorbi-Witz über die Versorgungsengpässe in der Planwirtschaft (Gorbi: Wir haben ein Problem, die Wintermäntel landen in Sotschi und die Sommermoden in Sibirien. - Honni: Das kann uns nicht passieren, wir schicken einfach alles nach Berlin, da holt sich jeder ab, was er braucht). Dass Sie also einfach die Antworten auf Ihre Fragen beziehen, die darauf gemünzt sind (die Idee mit der Indiekunst kam von Zietz, ich hab Ihnen da also nichts im Mund rum drehen wollen). Dass ein Flop kein Zeichen dafür sein müsse, dass ein Film nicht kommerziell gedacht war, stimmt - es verfehlte "Heil" trotzdem und nützt also nix; kommerziell zu denken hieße da allenfalls, sehr, sehr vage auf einen kleinen Hit zu hoffen (so wie "victoria" jetzt). Natürlich kann man auch Trailern auch was schließen, ich fand nur Ihre Argumentation da etwas zu entschieden (die nahm auch immer weiter Fahrt auf), und ich würde aus den Gründen des Respekts darüberhinaus immer sagen, dass man doch den Film schauen und nicht den Trailer hochrechnen sollte, wenn man sich ernsthaft darüber verständigen will, Kunstkritik kann man nun mal nicht nach Inhaltsangaben betreiben ("zu handeln scheint"). Beste Grüße
Solange wir nicht akzeptieren, dass wir alle hin und wieder "fremdenfeindlich" reagieren, bleibt nur der Nazipappkamerad, mit dem wir uns nicht mit unserer eignen Fremdenfeindlichkeit auseinander setzen können, sondern allenfalls an ihm als Schreckfigur unsere Fremdenfeindlichkeit kompensieren können. Fremdenfeindlichkeit ist keine Sache von links und rechts, rechts wird sie nur zur politischen Kategorie. Zwischen Fremdenfeindlichkeit und "Gewalt antun" liegt ein Schritt.
Fremdenfeindlichkeit überkommt viele Berliner, wenn die Investoren aus "Schwaben" einrücken, ganz gefühlsmässig, eine Ablehnung, die man an sich entdeckt. Nun sind das keine verfolgten Minderheiten, aber die gefühlsmässigen Mechanismen sind ja da. Fremdenfeindlichkeit entsteht immer dann wenn andere Menschen in unseren Schutzbereich eindringen. Die Frage ist wie wir damit umgehen und wie wir das verarbeiten. Wenn Menschen zu Gewalt greifen, oder politisch werden gegen "Fremde", dann haben sie diese Verarbeitung nicht vollzogen oder sie sind unfähig dazu.
Letztens ist zwischen der Ablehnung des Städters auf dem Dorfe, der Ablehnung des Piefkes bei den Österreichern oder der Ablehnung des Yugoslawen durch Türken erst mal kein Unterschied, es ist Fremdenfeindlichkeit, die Frage ist wie schnell sich das legt, wie sich der Betreffende dazu verhält, und damit umgeht. Wir haben ja keine Verantwortung für unsere Unsympathiegefühle.
Ironischerweise bin ich auch "fremdenfeindlich" gegenüber dem Nazischläger, den ich gar nicht näher kennen lernen möchte und mit dem ich auch keine Freundschaft schliessen möchte.
Dann habe ich Sie wohl etwas falsch verstanden, sorry dafür. Dennoch scheint mir was an diesem Verständnis problematisch, "fremdenfeindlich" ist ein Wort, das etwas verschweigt, und dass wir das von mir aus alle sind, wäre nichts, bei dem ich mich lange aufhalten würde (was hat man davon? Die Erkenntnis kann doch nur dazu dienen, etwas anders zu sehen). Rassismus finde ich als "Kampfbegriff" auch falsch beschrieben.