Die beliebte NDR-Kinderserie "Hallo Spencer" (hier eine englisch synchronisierte Folge) spielte in einem Runddorf; einem festgelegten Parcours, der die verschiedenen wiederkehrenden Stationen verband und durch den sich Spencer von seinem Büro aus zappte. Der Brandenburger Polizeiruf: Wolfsland funktioniert ähnlich, auch wenn das hübsche Brandenburger Dorf, in dem er spielt, nicht rund ist: Olga Lenski (Maria Simon) düst von Haus zu Haus, immer dorthin, wo gerade was geht.
Wenn beim Sonntagabendkrimi das Modell Bundesliga herrschte, könnte man sich damit trösten, dass bald die Winterpause folgt und Wolfsland hinnehmen als durchwachsene Leistung am Ende eines langen Sonntagabendkrimi-Jahres. Der Tatort orientiert sich im Gegenteil ja aber an der englischen Premier League, wo während der Festtage mit erhöhter Aufmerksamkeit durchgespielt wird. Vor diesem Hintergrund wäre es wünschenswert, wenn in den nächsten Wochen etwas entschiedener zur Attacke geblasen wird; andernfalls besteht die Gefahr, dass zwischen den Jahren durchgeratzt wird vor all den Tatort-Folgen.
Denn nach dem selbst unter allergrößten Ulrich-Tukur-Aficionados Ödnis verbreitenden Zirkus von letzter Woche, kommt Wolfsland (RBB-Redaktion: Daria Moheb Zandi) von Ed Herzog (Regie und Buch, letzteres mit Rainer Butt) daher wie der große Schlaf lui-même. Nach 20 Minuten ist relativ klar, dass es nichts mehr wird mit dieser Folge, die doch – Stichwort: der große Schlaf – zu einigen Erwartungen berechtigt haben könnte wegen ihres Casts. Es wirkt mit Fabian Hinrichs ein Darling der letzten Saison mit, der als Gisbert Engelhardt vor fast genau einem Jahr gemeinsam mit dem Ivo und dem Franz aus München zeigen konnte, was möglich ist an originellem Spiel, interessanten Figuren, eigenwilligem Style des Erzählens im Sonntagabendkrimi. Hinrichs wird mit Dagmar Manzel et al. bald selbst Tatort-Kommissar im bis dato sonntagabendkrimilosen Franken. Es bleibt ihm zu wünschen, dass die Bücher mehr hermachen als Dienst nach Vorschrift wie in Wolfsland.
Wasserfreunde Spandau 04
Denn dass der Film underachieved kann man auch den Schauspielern anmerken. Wenn jemand wie Götz Schubert, der hier als beflissener Ex-SED-Ex-Veterinär-Gehülfe des wieder angesiedelten Adels Spielball aufgerieben wird und durch den Rollennamen (Hagen Stamm) an die Glanzzeiten des Wasserballs erinnert, eine Dialogzeile wie "Jaja, die Wölfe" saftlos aufsagt, dann stimmt mit Figur oder Regie was nicht; der Charakter ist sich selber unklar oder es wurde einfach alles in einem Take gedreht. Hinrichs kann Andeutungen seiner Skills nur in den entschiedenen Märschen durch das dem Tagebau wieder abgerungene Mondland machen, durch das er zum Schutz der ebenfalls wieder angesiedelten Wölfe wolfsunruhig streift. Alexander Beyer als dessen gewesener Schulfreund Subowski muss immer nur zu Hause sein in seinem ranchhaften Anwesen mit dem R2D2-verwandten Rasenmäher, das ob der Größe und Pracht eigentlich nach einem 60-Stunden-Job verlangte.
Der Entwurf des Falles genügt sich in der Aufgabenerfüllung, wie man sie aus der Schule kennt: Er will nichts falsch gemacht haben, hat aber keine Fantasie. Diese stupide Form der Informationslogistik beobachten wir nicht zum ersten Mal, sie ist vermutlich treffender Ausdruck der Ansprüche, die das Buch abnehmende Redaktionen stellen: Lenski und Krause (Horst Krause) fahren permanent zu Verdächtigen, um sie mit neuem Wissen zu konfrontieren. Wenn Lenski etwa Hinrichs Waldner mit aufs Revier nehmen will und der sich sträubt, könnte der Polizeiruf seine ganze Autorität verlieren: Es ist so egal, ob Wolfsfreund Waldner jetzt mit aufs Revier kommt oder die Was-sagen-Sie-zu-meinen-Ermittlungsergebnissen-Fragen vor Ort und Stelle beantwortet.
Ein weiteres Problem dieses Erzählens ist, dass es mit seinen Verdächtigen einen Optionshandel betreibt, der quizhaftes Mitmachen ermöglichen soll, es zugleich am Ende völlig egal werden lässt, wer nun Hagen Stamm gefällt hat: Beim Pferderennen müsste man das Zielfoto auswerten, um zu entscheiden, ob das Motiv Waldners (Wolfsschutz) oder das mögliche von Subowski (Vertuschung) die Nase vorn gehabt hätte. Es geht der Zuschauerin wie Hinrichsens Figur, die auf die Täter-Spekulatius von Frau Kommissarin nicht abfährt: "Ganz ehrlich, es interessiert mich überhaupt nicht."
Wolfsdokuhaft
Angewiesen ist dieses Erzählprinzip auf immer neue Infos, die wie weitere Zutaten in die Suppe gegeben werden, bis sie breiig ist wie Kolportage: Dass die Republikflucht von Waldners Family verraten wurde vom Banknachbarn aus der Schule, ist ein Drama, für das der Film in seiner landschaftsschicken, wolfsdokuhaften Anmutung keineGefühl hat. Solch ein Verrat müsste entweder größer sein oder Pulp, Wolfsland indes rührt stur weiter. Wie man's halt macht, und der RBB kann sich freuen, dass die Landschaft, für die er sich verantwortlich, gut rüberkommt.
Dass der gesellschaftspolitische Konflikt (die Rückkehr Isegrimms – fail oder nicht?) ausgereizt worden wäre, wird keiner behaupten.
Ein Satz, mit dem in Führungsetagen auf sich aufmerksam machen kann: "Alphatiere, Rangordnungen, das sind alles Lügenmärchen"
Wissenswertes über die Ernährung des Wolfs: "3 bis 4 Kilo Fleisch pro Tag"
Said the Actress to the Bishop: "Was wollen sie überhaupt von mir?"
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