Hatschi - Gesundheit

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Vor ein paar Wochen habe ich sehr über unser Gesundheitssystem geschimpft. Nun möchte ich ein paar Gedanken zu dem Thema zusammentragen. Allerdings konstrukiver.

Die WHO definiert Gesundheit als "ein Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlergehens und nicht nur das Fehlen von Krankheit oder Gebrechen". Wenn ich mir das so überlege, bin ich gerade nicht gesund. Ich bin ein wenig müde und mein Rücken beschwert sich über die Position in der ich sitze, außerdem habe ich eine Schramme unterm Fuß, die schmerzt. Vollständiges Wohlergehen stelle ich mir anders vor, das will ich hier gar nicht näher ausführen, doch es wäre nicht mit meinem Alltag zu vereinbaren, ständig in diesem Zustand zu sein. Langweilig wäre es obendrein. Die WHO hat sich mit ihrer Definition von Gesundheit also etwas verrant. Für die meisten Menschen (eher Alle) bleibt Gesundheit ein nicht erreichbares Ziel. Hierbei ist es mal schön zu wissen, das auch Geld und Macht nicht prinzipiell vor Krankheit schützen.

Um das Ganze etwas komplizierter zu machen. Wenn man einen Menschen mit Diabetes fragt ob er Gesund sei, wird er antworten: Ich bin gesund. Das komoische ist, das viele Menschen, die Objektiv krank sind, sagen, sie seien gesund. Umgekehrt gilt dasselbe.

Aaron Antonovski (diesen Namen habe ich mir ausnahmsweise nicht ausgedacht) hat sich ebenfalls Gedanken dazu gemacht, was man unter Gesundheit verstehen kann. Ihm zufolge bewegt sich der Mensch auf einem Gesundheit-Krankheits-Kontinuum, niemand ist ganz gesund oder ganz krank. Ich habe einige Zeit gedacht, zur Geburt müsse man ja eigentlich ganz gesund sein und wenn man Tod ist, ganz krank. Das ist aber Quatsch. Man muss nicht mal an Missbildungen denken, schon ein gewöhnlicher Schlüsselbeinbruch (eine häufige Geburtsverletzung ... des Neugeborenen) bewegt einen Menschen in Richtung Krankheit. Und der Tod ist eigentlich eine gesunde Sache, man hört nur auf zu Leben.

Mediziner beschäftigen sich mit der Pathogenese eines Leidens, als mit der Entstehung der Krankheit. Dem setzt Antonovski die Salutogenese entgegen, das entstehen von Gesundheit. Da gibt es auch ein schlaues Modell, das wird aber zu lang und weilig (und ich kenne es noch nicht komplett).

Es wird niemanden verrwundern, wenn der Schlüssel für Gesundheit in den Menschen selber liegt. Dabei geht es nicht so sehr darum, sich brav zu benehmen und "gesund" zu leben, sondern darum, wie man mit Stress umgeht und mit einer Krankheit, wenn man sie bekommt. Stress ist in diesem Fall nicht der Stress morgens vor der Arbeit oder dort, sondern das Leben, mit all seinen Anforderungen.

In der Medizin (und überhaupt) wird heute jedoch ein sehr mechanistisches Menschenbild vertreten, der Umgang mit dem Menschen und seine Behandlung folgen losgelöst aus seiner Lebenswirklichkeit. Man schreibt sich das zwar immer groß aufs Schild ("Hier steht der Mensch im Mittelpunkt" usw.) aber wenn das Budget kommt werden noch ein paar Schwestern gestrichen.

Doch wer will eigentlich etwas anderes? Wir gehen zum Arzt um geheilt zu werden, nicht um Hilfe zu bekommen uns selbst zu heilen. Mir geht es schlecht, ich will eine Pille, scheiss aufs Kontinuum. Ich Frage mich, wo ist das Huhn und wo das Ei? Wie löst man diesen Knoten? Und versteht jemand, was ich sagen will?

Hatschi!

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Geschrieben von

merdeister

Ein guter Charakter erzieht sich selbst. - Indigokind - Blogtherapeut

merdeister

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