Als neulich die Meldung zu lesen war, dass ein gefährlicher Virus im Anmarsch sei, dachte ich, gut so, hoffentlich zerstört er das Monster. Es raubt uns Lebenszeit, es bringt uns dazu, kindische Dinge zu tun, es stresst, es nervt, weg damit. Ich bin überzeugt, dass viele Menschen von solchen Gedanken heimgesucht werden, nachdem sie stundenlang getwittert, gebloggt, gechattet, gesurft, und jedem, aber auch jedem ihrer unzähligen „Freunde“ bei Facebook an die Pinwand geschrieben haben.
Das Netz erzeugt ein Unbehagen, ähnlich jenem Unbehagen in der Kultur, von dem Sigmund Freud zu einer Zeit sprach, als man bei dem Wort Netzkultur noch an die Fischer vor Capri dachte. Aber während die Hochkultur diesen Selbstekel in ihren avanciertesten Kunstwerken reflektierte, etwa in den Dramen eines Samuel Beckett, hat das Unbehagen am Netz noch keinen starken Ausdruck gefunden. Man fühlt sich mit seinem Überdruss recht alleingelassen.
Um so schöner, dass Peter Glaser diese Gefühle auf der re:publica, der Berliner Blogger-Konferenz, aufgegriffen hat. Glaser ist eine Autorität. Als Ehrenmitglied des Chaos Computer Club, Blogger, Schriftsteller und Bachmann-Preisträger versteht er sich ebenso darauf, ein Zitat von G. B. Shaw an der rechten Stelle einzustreuen wie komplexe Datenschutzprobleme zu erklären. Dieser Mann also erinnerte die zahlreichen Zuhörer seines Vortrags daran, dass der erste Rechner des MIT, der von mehreren Nutzern gleichzeitig bedient werden konnte, einen einfachen Befehl kannte, der das ganze System zum Absturz brachte – zack, bumm, aus.
Als Glaser fragte, ob wir einen solchen Befehl fürs Internet brauchen, hätte ich am liebsten gerufen: Her damit!, hätte neben mir nicht ein bärtiger Nerd gesessen, der so aussah, als verstünde er in diesen Dingen keinen Spaß. So zog ich es vor, still zu nicken, als der Meister von der „Sozialpornografie“ im Netz und vom „Beichten ohne Sünde“ sprach. Als er einen Online-Chef zitierte, der von „Geistesmülllawinen im Netz“ gesprochen hatte, nickte ich besonders heftig. Ich dachte an Thomas Bernhard und wie der über diesen Müll geschimpft hätte, aber dann meinte Glaser, dass diese Klage ja weder neu noch originell sei. Wieder ertappte ich mich beim Nicken und dachte an die wohlfeile Polemik eines anderen bekannten Online-Chefs, der gegen die Blogger gewettert hatte, und an Neil Postmans Wir amüsieren uns zu Tode und daran, wie billig diese Kritik am Fernsehen doch war.
Das Geheimnis guter Kommunikation bestehe in jedem Medium darin, dass man etwas zu sagen habe und wie man es sage, merkte Glaser dann an. Vor allem dieses Wie wollte ich meinem Nerd auf die Nase binden, vergaß es aber gleich wieder, denn Glaser sprach nun von seinen Wünschen. Vom Projekt der Aufklärung, das im Netz mit aller Kraft fortgesetzt werden sollte, und von einer Kultur der Unterschiede und der Komplexität.
Meine Aversion war durch seine klugen Worte wie weggeblasen. Ich nahm mir vor, meinen Freunden bei Facebook rasch eine Notiz an die Pinwand zu schreiben: Super Vortrag von Glaser an der re:publica gehört! (Nachzulesen auf seinem Blog „Glaserei“ – http://tinyurl.com/cqzrth) Folgendes Denkbild aus dem Vortrag wollte ich dazu stellen: Schon vom Maulwurfmann gehört? Das ist ein Engländer, der seit vielen Jahren den Untergrund vernetzt, sprich, von seinem Keller aus tiefe Tunnels gräbt. Einmal brach der Gehsteig vor dem Nachbarhaus ein, aber der Nachbar war überhaupt nicht sauer. „Wir möchten nicht, dass diesem Mann etwas Böses geschieht. Er arbeitet hart. Bedauerlicherweise setzt er seine Energien nicht in die richtige Richtung ein“, sagte er. So spricht eine Community, in der man sich zu Hause fühlt.
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