Klar, wer lange genug dabei ist, wird jetzt vielleicht müde abwinken: Der Hass, die Tricksereien und das Nachtreten – all das, was Gregor Gysi beim Göttinger Parteitag in seiner Partei bitter konstatierte, ist aus der Geschichte der radikalen Linken bekannt. In den siebziger Jahren, so wird uns erzählt, bekämpften die westdeutschen Kommunisten vor allem sich selbst; die DKP gegen die KPD/ML und diese gegen weitere der sogenannten K-Gruppen. Mobbing (das man damals noch nicht so nannte) und Denunziation waren an der Tagesordnung, denunziert wurde am Arbeitsplatz, denunziert wurde bei den Gewerkschaften, denunziert wurde auf Flugblättern (Blogs und Twitter gab es ja noch nicht), denunziert wurde in Uni-Veranstaltungen. „Das Mitglied hat die Pflicht, wachsam zu sein gegenüber Karrieristen, Abweichlern und Agenten“, heißt es in einem Papier der Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands (MLPD), die als einzige der K-Gruppen bis heute existiert.
Vermutlich kommt keine politische Gruppierung ganz ohne feindzentriertes Denken aus, einfach weil es deren Zusammenhalt festigt. In Politiksekten verdichten sich die aggressiven Tendenzen traditionslinker Politik jedoch wie unter einem Brennglas. Im Laufe ihrer politischen Sozialisation kamen laut Forschung immerhin rund 100.000 Menschen mit diesen Kleingruppen in Kontakt. Darunter Leute, die später Karriere gemacht haben: Bernd Ziesemer, der es vom Sprecher des Kommunistischen Jugendverbands Deutschlands zum Chefredakteur des Handelsblatte zum Chefredakteur des Handelsblattes brachte, die spätere Gesundheitsministerin Ulla Schmidt von der SPD oder der KBW-Gründer und nachmalige Fischer-Vertraute Joscha Schmierer.
Immer der andere
Und bei der Linken? Im Gegensatz zu den Grünen sei der konkrete Anteil von Ex-K-Gruppen-Mitgliedern wohl eher gering, vermutet Tom Strohschneider (taz, lafontaines linke.de), eine allgemeine „K-Gruppen-Mentalität“ wollen aber weder er noch Wolfgang Kraushaar vom Hamburger Institut für Sozialforschung abstreiten. Es ist ja schon eine vertraute Melodie, die da erklingt: Die Parole „Ihr habt den Krieg verloren“, die am Ende des Göttinger Parteitags laut wurde, entspringt zwar dem Arsenal der Antifa und meint Nazis, um so perfider, sie am Ende einem Teil der eigenen Partei entgegenzuschleudern. Auch publizistisch gab es aggressive Töne. So wurde in der Jungen Welt gewettert, Dietmar Bartsch gehöre „mit Schimpf und Schande davongejagt“, weil er seine „linken Gegenspieler als Sektierer, Fundamentalisten, orthodoxe Kommunisten, Betonköpfe oder auch schon mal als Antisemiten“ denunziere.
Und wenn sie es nun einmal sind? Natürlich wird ein Fundamentalist sich niemals selbst als Fundamentalisten bezeichnen, sondern zum Beispiel als noch nicht „neoliberal“ verseuchter Antikapitalist. Es kennzeichnet den politischen Extremismus, dass der Denunziant immer der andere und nur der andere ist.
Zur Erfolgsgeschichte von schäbigem Verhalten trägt wiederum bei, dass es von den Akteuren selbst nicht als schäbig wahrgenommen wird. Im Gegenteil, den eigenen Genossen fertigzumachen, wird zur Pflicht, wenn einer der „Sache“ untreu zu werden droht. Ein solcher Verrat droht ständig, darum ist es kein Widerspruch, wenn einer hochmoralische politische Ziele verfolgt und sich zugleich wie das letzte Arschloch benimmt.
Arbeiterverräter
Verrat kennt viele Formen und ist zäh, nach einem berühmten Wort von Margret Boveri, bleibt er „bei uns, als sei er der dauernd sich wandelnde Schatten“. Wo Verrat droht, herrscht Misstrauen, kreist das Denken um den Gegensatz von Freund und Feind. Man schließt sich gegen die Umwelt ab, die als feindlich und „faschistisch“ wahrgenommen wird und tendiert zu Geheimnis und Gewalt (Georg K. Glaser). „Verräter verfallen der Feme“ hieß es zwar nur bei den rechten konspirativen Gruppen, aber der psychische Druck, wenn einer als „Arbeiterverräter“ bearbeitet wurde (etwa weil er eine Dissertation zu Ende schreiben wollte), war bestimmt nicht gering. Es gab auch rohe Gewalt. Wolfgang Kraushaar erinnert sich, wie verfeindete Grüppchen mit Stahlrohren aufeinandergegangen sind. Es wurden Sprüche wie „DKPisser und linke Liberallas“ skandiert, Sprüche, die sich heute auch gut twittern ließen.
Zum bevorzugten Feindbild der heutigen Fundamentalisten hatte Dietmar Bartsch sich auch mit seinem Wunsch gemacht, die Linkspartei möge sich nicht länger „über den Verrat der SPD an den eigenen Traditionen“ definieren. Damit war natürlich Oskar Lafontaine gemeint, der sein Ränkespiel vermutlich nur auf dem Niveau shakespearscher Dramen angesiedelt haben will, der aber schon auch von dem getragen wird, was man Verdächtigungskultur nennen kann. Lothar Bisky hat sie im ND offen angesprochen. Die Verdächtigungskultur integriere die „sehr unterschiedlichen politischen Entwicklungen in hilfreiche Schablonen: Stalinisten hier, Arbeiterverräter da, ‚Sozialdemokratismus’ auf der einen und ‚Kommunisten‘ auf der anderen Seite.“ Eben weil sie die Welt in Gut und Böse teilt, ist diese Kultur so erfolgreich.
Ideologische Scharfrichter
Und noch eins hatte Bisky erkannt: „Ideologische Scharfrichterei feiert heute gelegentlich im Internet fröhliche Urstände, als hätte es die verhängnisvolle Denunziationsgeschichte der Linken nie gegeben.“ Anschauungsmaterial findet man in diversen Communities. Etwas anders liegt der Fall bei den Piraten. Sie haben keine lange Vorgeschichte wie die Linke, und die Nerd-Kultur hat keine politische Tradition. Der Hass nimmt dort weniger die Form ideologischer Grabenkämpfe an als mehr eines relativ nackten Gerangels um Macht.
Wenn man mit Julia Schramm über Mobbing in ihrer Partei spricht, hat man den Eindruck, dass sie klar erkannt hat, wo das Problem liegt. „Wir wollen“, sagt das 26-jährige Vorstandsmitglied, „eine Partei ohne feste Hierarchien sein“. Damit schafften sie aber ein Machtvakuum, in dem viele kleine, sich konkurrierende „Königreiche“ entstehen. Bei einer festen Ordnung, so der Umkehrschluss, ließen sich die Probleme in den Griff kriegen. Julia Schramm wirkt etwas ratlos. Enstweilen versuche die Partei den Hass durch Maßnahmen wie Voting Tools zu minimieren. Man zweifelt, ob es reicht, und möchte fast Aram Lintzel zustimmen, der den Piraten via taz in diesen Tage zu mehr Disziplin rät.
Eine Frage des Charakters
Michael Buchholz sieht das Problem jedoch noch woanders. Die Theorie großer Gruppen, sagt der Professor von der Berliner Hochschule für Psychoanalyse (IPU), unterscheidet zwei Ebenen: die der Aufgaben und Ziele und die der eigentlichen Gruppendynamik, auf der sich die Intrigen und Kämpfe abspielen. Diese Ebene wird so lange von der ersten Ebene überlagert, wie man gemeinsame Ziele hat. Fehlen sie, bricht der Hass aus. „Die Piraten sind diesem Prozess derzeit besonders ausgesetzt, weil sie Ziele und Aufgaben, die über das Urheberrechtsthema hinaus gingen, noch gar nicht definiert haben!“
Im Gegensatz zur Linken; hier sind die Ziele zwar definiert, jedoch von zwei ideologisch konträren Gruppierungen. Erscheinen dann starke Persönlichkeiten wie Lafontaine auf der Bühne, die einen Teil der gruppendynamischen Interessen repräsentieren, und können genügend Anhänger mobilisiert werden, die eine Chance sehen, ihre Partialinteressen als Gesamtinteresse verbindlich werden zu lassen, dann, ja dann „brechen mit schöner Zwangsläufigkeit Kämpfe erheblichen Ausmaßes auf, die schnell sehr destruktiv werden und das Publikum nachhaltig verstören“.
Was tun? Lothar Bisky kennt die Lösung nicht, im Gespräch wirkt er resigniert. „Vielleicht ist es einfach eine Frage des Charakters“, sagt er. Läge die Lösung für seine Partei nicht schlicht darin, den Anteil von Frauen an der Spitze weiter zu erhöhen? Eins scheint ja klar: Der Stalinismus, die K-Gruppenmentalität, die Verdächtigungskultur, wie immer man es nennt, ist eine männerbündische Sache. Ja, sagt er, vielleicht, aber er müsse überlegen, ob nicht auch Frauen intrigant sein können. Natürlich können sie das. Politische Aggression erzeugt große Melancholiker. Lothar Bisky scheint froh, im fernen Brüssel zu sein, von dort aus wirkt die große Gereiztheit dieser Tage fast schon unbedeutend klein.
Kommentare 28
Opposition eint zunächst erst einmal die Ablehnung gesellschaftlicher Verhältnisse. Diese Ablehnung fungiert als Bindeglied, als einigende Klammer oppositioneller Bewegungen. Das bedeutet aber nicht, dass alle Mitglieder und Anhänger die gleichen Wege gehen wollen, um eine Veränderung bestehender Verhältnisse zu erreichen.
Und diese Differenzen führen wiederum zu persönlichen Angriffen, was am Beispiel der Linken examplarisch nachweisbar ist.
Die Trennlinie führt auch deshalb durch Ost und West, weil die einzelnen Landesverbände unterschiedliche politische Ziele definieren. Die kommunal stark verankerten Ost-Verbände streben Regierungsbeteiligungen an, um auch die exekutiven Machtmöglichkeiten für Veränderungen zu nutzen. Gysi hat es in Göttingen klar formuliert, wer mehr als 20% der Wähler anspricht, muss auch regieren wollen.
Die immer noch schwachen West-Landesverbände verharren dagegen in einem starken Hang zu einer Fundamentalopposition. Diesen Widerspruch muss die Linke auch noch längere Zeit aushalten, was praktisch bedeutet, dass sie als Gesamtpartei in den Ländern unterschiedliche Wege gehen muss, die sich aus landestypischen Verhältnissen ergeben.
Das Problem der Linken ist aber auch ein Problem Lafontaine. Bei jeder seiner Reden ist der Hass auf die Partei, deren Vorsitzender er mal war, in sein Gesicht geschrieben. Und sein damaliger Bundesgeschäftsführer Bartsch musste auch deswegen gehen, weil er sich mit einem von Lafontaines Nachfolgern im Berliner Cafe Einstein zu einem informellen Gespräch getroffen hatte.
Und hier sind bei der Frage Sektierertum. Hilft eine Fundamentaloppistion wirklich, Veränderungen zu erreichen? Oder führt sie, wie das Beispiel der K-Gruppen deutlich zeigt, in eine gesellschaftliche Isolation, aus der heraus ein ergebnisorientiertes Agieren unmöglich ist? Auch dies ist wiederum eine Frage, die in der Gesamtpartei Linke diskutiert werden muss, offen, ehrlich, aber ohne persönliche Tiefschläge. Wenn Gysi aber von Hass in der BT-Fraktion spricht, so zeigt dies auch, dass eine solche Diskussion schon viel zu lange verschleppt wurde und die einander zugefügten Verletzungen ein sachliches Gespräch immer schwerer führen lassen. Und hier ist wiederum das Beispiel der K-Gruppen eine Lehre, die alle bis auf die MLPD heute nicht mehr existieren, auch, weil sie offene Fragen nie ausgesprochen haben. Sektierertum aber führt allmählich in eine politische Bedeutungslosigkeit.
Anders liegt die Frage bei den Piraten, hier spielen wohl eher persönliche Ambitionen auf mögliche Mandate nach der Bundestagswahl 2013 eine Rolle. Nur auch bei den Piraten gilt, dass sie erstens neben den Netzthemen sich auch zu anderen relevanten Problemen positionieren müssen und, dass sie wirklich feste Strukturen brauchen, wenn sie die ihnen wichtigen Themen parlamentarisch dauerhaft artikulieren möchten.
Und ein Mobbing gegen fähige Persönlichkeiten, von denen die Freibeuter so viele ja auch nicht haben, wird sie dauerhaft nur schwächen.
Nur zur Information:
Joscha Schmierer war einer der Gründer des Kommunistischen Bundes Westdeutschland (KBW) nicht KBM. Und Ulla Schmidt und Kretschman (Ministerpräsindent BW) waren Mitglieder im KBW.
@ JoachimZ:
KBW ("KBM"), BMW, RWE, ja wie soll man das den jungen Redakteuren noch erklären?
Gefühlte Jahrhunderte liegen dazwischen...
RCDS wird demnächst auf Wiki noch als
RotCnasenDenSelbstverwirklicher - Laden verkauft...
;-)
Bei den Piraten ist es Unerfahrenheit.
Bei den Linken ist es Kompromißlosigkeit der Weltverbesserer.
Jeder fühlt sich berufen, seine Visionen gegen den Mainstream durchzusetzen, also gegen die herrschende (Un)Ordnung.
Es fehlt die Bereitschaft, für die verschiedenen Visionen untereinander Kompromisse einzugehen und sich erst mal auf Minimalziele zu einigen.
Ein Problem ist natürlich die Einbindung in den größeren Rahmen: in einer neoliberalen Weltwirtschaft kann ein einzelner Staat kaum dagegenrudern, es müßte transnationale Kooporation angestrebt werden.
Und damit sind sie überfordert.
Ich finde viele Aussagen im Text diskussionswürdig. Sie sind textsortengemäß verkürzt und etwas assoziativ. Eine Geschichte der "politischen Gereiztheit" wäre reizvoll. Auf der Linken hängt diese Iraszibilität sicher mit dem schmerzvoll erlebten permanenten Scheitern der Utopie zusammen, ohne welche Humanität jedoch nicht sein kann. Und jetzt kommt die Linke noch nicht einmal in die Landtage!
Der "europäische Bürgerkrieg" seit 1917 hat tiefe Narben im kollektiven Gedächtnis der Linken hinterlassen. Diese brechen immer wieder auf, oft in "metonymer Hybridität", wie B. Wyss dies benennt (für die 68er war fast jeder über 60 ein Nazi, für viele Linke ist ein SPDler ein Kapitalistenknecht etc.). Die natürlich auch bei vielen Gegnern der Linken zu finden ist (Wagenknecht als Stalinistin, Lafontaine als Napoleon, hinter dem Sahra als Robespierre lauert). Die Junge Welt hie, der Freitag (unter vielen Beispielen) da. Schwarz auf Weiß.
Und doch: gerade die tragikkomisch wirkende Überspitzung hat das Moment des Wahren im Falschen: es geht in der Tat um die "Sache", auch wenn die "Sache" im Kampf gegen die Gegner, die eigentlich Freunde sind, eingesetzt wird. Bei der Linken geht es um nichts Ernsteres als perspektivischen Antikapitalismus versus reformistische Verbesserung des Kapitalismus. Und dazu gehört nun einmal der Kampf um Begriffe und Bilder. Wo und wie wird übrigens in den anderen Parteien gekämpft?
Die männerbündische Herkunft der gewählten Waffen in diesem Kampf scheint auch mir evident, wenn auch im Vergleich zu früheren Kämpfen sehr sublimiert. Und genau deswegen bezweifel ich, ob die Reihe "Stalinismus, K-Gruppenmentalität, Verdächtigungskultur" nur Männersache ist. Zumal in dieser Aufzählung die Gender-Option Dietmar Bartschs fehlt ("Strippenziehen"?). Zu Männerbünden gehören laut Theweleit böse "rote" und gute "weiße" Frauen. Bei Linken wäre es in dieser Logik umgekehrt. Welche Farbe hat danach die neue Vorsitzende? Rosa? Bitte nicht!
Tja - die Brutalität nimmt mit der Verkleinerung des Raums zu. Zum Glück gibt es eine Tür, durch die man diesen verlassen kann.
Die naiven hauen ab, die cleveren kämpfen weiter, die ganz naiven dienen den cleveren, ohne zu kämpfen.
Die ganz Cleveren sind Mandatsträger.
"Die ganz Cleveren sind Mandatsträger",
die habe es sich verdient, 20 Jahre Flugis verteilen und dem Oberhirsch nach der Nase reden.
Das tut weh...
Die Flugiverteiler würde ich eher unter der Gruppe der ganz naiven Menschen sehen.
Flugiverteiler sehe ich in der Gruppe der ganz naiven Menschen, zumindest jene die das 20 Jahre lang machen ........
@JoachimZ. Danke, ich habe es im Text korrigiert
Nicht auf der Höhe der Zeit
Die Diskussion in der Partei Die Linke ist wohl wesentlich weiter, als uns der Autor hier glauben machen will. Er aber wiederholt ein paar aus der bürgerlichen Presse stammende Versatzstücke und hält das für eine Analyse. Dass die ostdeutschen und westdeutschen Linken in unterschiedlichen Gesellschaften unter unterschiedlichen Bedingungen sozialisiert wurden, ist ja nun nichts Neues. Die Unterschiede in dem, was man will, sind dennoch nicht so groß oder gar gravierend, wie es nicht nur hier dargestellt wird. Man lese einfach die Originale: www.faz.net/aktuell/politik/inland/im-gespraech-katja-kipping-und-bernd-riexinger-wir-sind-linkspluralistisch-nicht-eine-linke-kaderpartei-11784680.html und parteidebatte.die-linke.de/ .
Ich stimme Aqua-jedi zu: Das ist keine Analyse der Gründe für gehässiges Verhalten unter sich als links und fortschrittlich verstehenden Menschen. Michael Angele stoppelt da etwas zusammen, ohne dass sich daraus ein Zusammenhang ergäbe.
Ich gehöre wohl auch zu den 100'000 linksradikal sozialisierten Menschen in der einstigen Bundesrepublik, doch die Geschichte habe ich etwas anders in Erinnerung, als sie uns Kollege Angele mit Hilfe von Wolfgang Kraushaar nahebringen möchte. Die linkssozialistische, maoistische, trotzkistische und sonstige Bewegung war ein verzweifelter Versuch, wieder Anschluss an den durch den Faschismus brutal unterbrochenen Traditionsstrom emanzipatorischer Kräfte in Deutschland zu finden. Die teilweise sehr harten Auseinandersetzungen wurden in der Hoffnung geführt, wieder so etwas wie ein Subjekt der Befreiung zu finden. Ja, dabei gab es viel Verbohrtheit und sehr viel deutsche Rechthaberei, insbesondere von Männern. Es gab aber auch wichtige Lernprozesse. Ich empfehle Michael Angele, die im März 2012 erschiene "Flugschrift" seines Redaktionskollegen Michael Jäger (sowie von Thomas Seibert) zu lesen. Da findet er einige bedenkenswerte Überlegungen, die etwas mit dem von ihm angeschnittenen Thema zu tun haben.
@Oberham:
Ich habe mir aus sonst glaubhaften Quellen sagen lassen, das sowohl Obama als auch Schröder 4 cm Hornhaut am Daumen vom Verteilen einer halben Million Flugblaetter haben...
*Grins*
;-)
„Die Linke zerfleischt sich selbst, ...“
Das ist eine Meldung von gestern. Alle Vertreter der Strömungen in der Linken haben auf dem Parteitag bekundet, dass sie künftig gemeinsam und kooperativ an einem 'Strang' ziehen wollen. DieLinke macht nun genau das Richtige und befragt erst einmal sich selbst, und dann die Bürger - für die sie ja letztlich Politik machen wollen - wie die Politik und die Performance der Partei zur Zufriedenheit und zum Wohlgefallen der Bürger und der Parteimitglieder zu gestalten wäre.
Parteidebatte derLinken:
„ Liebe Genossinnen, liebe Genossen,
auf unserem Parteitag hat sich vieles zugespitzt. Auch wenn jetzt eine Entscheidung gefallen ist, sind damit sicherlich noch nicht gleich alle Gräben zugeschüttet. Deshalb haben wir uns in der Kunst des Zuhörens zu üben. Mit diesem Blog wollen wir euch deshalb ermuntern, uns eure Wahrnehmungen und eure Erfahrungen mitzuteilen. Nur so können wir von ihnen lernen und als Vorsitzende wie als Parteivorstand unseren Beitrag leisten, die Partei wieder auf ihre wichtigste Funktion zu fokussieren: die soziale und demokratische Gegenmacht in diesem Land zu organisieren und parlamentarisch sowie außerparlamentarisch zum Ausdruck zu bringen.
Wir alle müssen die Fenster deutlicher aufstoßen in Richtung Gesellschaft. Dazu gehört, aktiv das Gespräch zu suchen. Das tun wir zunächst mit euch, den Mitgliedern unserer Partei. Ganz nach dem Motto, fragend schreiten wir voran, möchten wir drei Fragen formulieren, deren Beantwortung uns besonders am Herzen liegt:
Welche Erfahrungen macht ihr bei politischen Diskussionen, wenn ihr unsere Forderungen gegenüber euren Bekannten und KollegInnen vertretet. Welche Forderungen kommen gut an, welche nicht? Wo glaubt ihr, müssten wir Forderungen besser erklären? Wo vielleicht sogar zuspitzen?
Wie nehmt ihr unsere Partei gerade wahr? Welche Sichtweise haben eure Bekannten und KollegInnen auf unsere Partei? Habt ihr Vorschläge, wie wir unser Auftreten verbessern können?
Wie könnt ihr euch in die Parteiarbeit einbringen? Was stört euch bei der Parteiarbeit? Was läuft gut? Was kann könnte besser sein, damit die Arbeit in unserer Partei euch mehr Freude bereitet?
Eure Antworten und Anregungen wollen wir Anfang September zusammenfassen und in unsere weitere politische Strategie einfließen lassen. Diese Auswertung werden wir hier veröffentlichen. Bitte weist auch andere GenossInnen auf diesen Blog hin und helft ihn, über Mailinglisten oder soziale Netzwerke (z. B. Facebook, Twitter) zu verbreiten.
Katja Kipping, Bernd Riexinger
Parteivorsitzende“
Lieber Herr Seifert, ihre Verklärung der Suche nach dem "Subjekt der Befreiung" würde ich ihnen nur zu gerne mit einem schönen Adorno-Zitat parieren, aber ich finde gerade keines :)
Ich meine: Da "stopple" ich mir doch lieber etwas zsammen, als die Geschichte dergestalt zu verklären. Es soll also der Faschismus daran Schuld gewesen sein, dass sich "emanzipatorische Kräfte" die Eisenstangen um die Ohren hauten? Und was ist es dann, das einen Lothar Bisky in die totale Resignation treibt und andere sich einfach abwenden lässt? Lassen Sie mich raten: Der Finanzkapitalismus? Gute Nacht und schöne Grüße
Lieber wwalkie
"Eine Geschichte der 'politischen Gereiztheit' wäre reizvoll" - schreiben Sie sie, ich werde sie lesen. Beste Grüße MA
@ Fro
Ich unterstütze den Ansatz der neuen Parteivorsitzenden der Linken. Zuallererst muss die Partei nach innen stabilisiert bzw. befriedet werden. Das geschieht (auch) mit Fragen an die Mitglieder, die sich aktiv einbringen können und nicht bevormundet werden.
Die Linke hat auch ein Problem in der Vermittlung ihrer Inhalte nach draußen. Das liegt aber auch daran, dass sie nach innen zerstritten ist, trotz der überwältigenden Zustimmung zum Parteiprogramm. Zerstrittenheit, vor allem eine nach außen dokumentierte, kommt beim Wähler ganz schlecht an.
Was nun die beiden Lager Ost bzw. West betrifft, kommt es darauf an, dass mit den konstruktiv geprägten Personen eine sachliche Zusammenarbeit entsteht, die (weitestgehend) frei von Vorurteilen und Ressentiments ist. Es läuft alles auf eine Mediation hinaus, die beiden Vorsitzenden - jeder auf ihre/seine Art - bewältigen müssen. Eine Mammutaufgabe, um die ich die beiden nicht beneide.
Ich bleibe dabei, die Linke hat nur eine Chance, wenn sie bundesweit agiert. Im Übrigen werden die sozialen Spannungen in Europa und zeitverzögert auch in Deutschland zunehmen. Das ist nur eine Frage der Zeit.
Dann kommt die Stunde der Linken - wenn es sie dann noch gibt!
bei Religionen geht es grundsätzlich um Aussagen, die gar nicht in einem vergleichbaren Sinne "wahr" sein können wie andererseits Aussagen der Art, dass Eurasien und Amerika durch Meere voneinander getrennt sind. Sehr viel mehr als diese prinzipiell nicht klärbaren Aussagen braucht es gar nicht, damit die Leute sich gegenseitig den Hals umdrehen,
Aber so gefährlich sie auch sein mag, die Metaphysik ist auch unsere Hoffnung.
Schon das Hoffen an sich bedarf derartiger "prinzipell nicht klärbaren Aussagen".
"Vermutlich kommt keine politische Gruppierung ganz ohne feindzentriertes Denken aus, einfach weil es deren Zusammenhalt festigt."
Hört, hört! Warum zitieren Sie nicht gleich Carl Schmitt?
Fleischhauer, ick hör Dir trapsen!
Richtungskämpfe sollen in einer linken Gruppe oder Partei fruchtbar wirken, für Klärungen sorgen, am Ende für mehr Gemeinsamkeiten und für politische Stoßkraft. Es kommt darauf an, den Richtungsstreit zu zivilisieren, ihn solidarisch auszutragen und zu organiseren.
Vielen spukt der Demokratische Zentralismus noch im Kopf herum, "Fundamentalisten" wie "Rechtsabweichlern" und anderen. Über den wäre zu diskutieren, meine ich.
Ein bisschen Lesestoff hier:
de.wikipedia.org/wiki/Demokratischer_Zentralismus
Ah, Kuntz der Öderich ist mal wieder da, der diesmal Schmitt zitiert sehen will und Fleischhauer trapsen hört.
Gewiss wird er es uns erklären.
Eine Geschichte des Antikommunismus ist notwendig, um die Geschichte der Linken in Deutschland und Europa, den USA, ja der Welt zu verstehen. Der Einsatz aller Mittel, um linke Bestrebungen klein zu halten, große linke Parteien wie PCI und FKP von der Macht fern zu halten... Aller Mittel heißt: Geheimdienste, Medien, Anschläge unter falscher Flagge, Destabilisierung usw. Nachzulesen in Daniele Gansers Buch "Nato-Geheim-Armeen in Europa". Man braucht starke Nerven, um das zu verdauen. Todeslisten in den 50ern in Hessen, zwei Staatsstreiche in Italien und zwei in Frankreich, um linke Sozialdemokraten!! aus der Regierung fernzuhalten. Der Mord an Aldo Moro, der Anschlag auf den Bahnhof von Bologna, Supermarkt-Killer in Belgien, Gründung von Parteien wie der Democrazia Cristiana (mit Millionen und Abermillionen finanziert), der dann zweitstärksten Partei in Italien, Aufbau von Personen wie Berlusconi, Abspaltung von Gewerkschaften wie der Force Ouvrière in Frankreich, Gründung von Medienagenturen wie Aginter Press in Portugal, Bestechung, Drohung, Mord.
All das war sehr erfolgreich und die Zersplitterung und der Hass auch ERgebnis dieser Subversion.
Das alles spricht die heutigen Akteure nicht frei. Niemand zwingt einen, sich idiotisch zu verhalten. Ein Ausstieg aus dieser Kultur, dieser zutiefst patriarchalen Kultur, gelingt nur, wenn man sich dieser patriarchalen Kultur bewusst wird und sie bekämpft - auch in sich selbst.
Ansonsten finde ich es fast schon witzig, wie wenig sich die Positionen der Westlinken und der Ostlinken unterscheiden. Die wenigsten wollen eine Überwindung des Kapitalismus, sondern seine Bezähmung und Verschönerung. Das würde aber die Macht von Banken und Finanzmagnaten einschränken müssen, der Mächtigsten im Lande also. Damit macht man sich Feinde. Papandreou sen. kann davon berichten. Er wurde von den Staybehind-Leuten in trauter Eintracht mit dem CIA weggeputscht, weil er linker war, als diese Herrschaften zulassen wollten (auch bei Ganser). Der griechische Klientelismus ist direkter Ausfluss dieses brutalen Eingriffs auf dem Weg der Modernisierung.
..... :-))))))) in der Tat!
Frau Kipping bekam von mir schon etliche Mails, sie hatte leider keine Zeit darauf einzugehen - nur phrasenhafte Standartantworten - .... vom Mitarbeiterstab (der ja mit kanpp 16.000 Euro pro Monat von der Gemeinschaft finanziert wird)
Übrigens die Gute, sie weist auf ihrer HP darauf nicht hin, wer es nicht besser weiß, denkt sie würde nur die UKP dafür zur Verfügung haben.
Soviel zur politischen Kultur und Transparenz bei den Linken.
Normalerweise lobe ich Mandatsträger nicht, aber wer sich einmal die HP eines Herrn Kelber ansieht, der kann unter der Rubrik gläserner Abgeordneter eine wirklich - zumindest was die Geldflüsse staatlicherseits betrifft - gute Auflistung lesen.
(Natürlich ist das keine Geheimnis, doch kaum ein MDB spricht offen über die jählich fast 200.000 euro mit denen er ganz persönliche Arbeitssklaven halten kann....) - .....
"Woher kommt dieser Hass?" - Naja, als ob so ein Hass auf einmal da ist und mit besseren Umständen wieder weggeht, wer andere derart zerfleischt hat das Zerfleischen wohl in der Persönlichkeit.
Hallo Chri,
sicher eine Geschichte des Anti-Kommunismus bzw. die Aufarbeitung dessen in der Geschichte der Linken ist wichtig.
Aber so wie Du es darstellst ist der Blick verkürzt auf Repression, Bestechung, Counter-Insurgency usw als Phalanx "des Bösen"...
In anderen Weltgegenden und zu anderen Zeiten hat es auch Todesschwadronen, geheuerte Killer usw. gegeben - sollte eigentlich eher ein Grund sich zusammenzuschließen und zur kollektiven Selbstverteidigung zu greifen, statt sich gegenseitig ideologisch zu zerfleischen, oder?
So wie ich Angeles Artikel verstehe, befindet er sich eher in der Position eines Hinterfragenden, der die umfassende Antwort auf diese merkwürdigen Erscheinungen auch noch nicht gefunden hat.
Vielleicht sollte man auch mal den Begriff für den gegenwärtigen Zustand der Linken wechseln und das verfemte Wort "Krise" darauf anwenden.
Sprich, nicht nur der Kapitalismus hat seine Krisen, sondern die Linke eben auch - bspw nach dem Zusammenbruch des Ostblocks, der mir hierzulande immer noch nicht verdaut scheint.
Eine Aufarbeitung dessen erscheint mir vordringlich, weil es ohne dies eben in der Gegenwart immer wieder dazu führt, daß die gleichen alten ideologischen Deutungsmuster untergründig fortbestehen und den Diskurs nachhaltig vergiften bzw. die Generalverdachtsmechanismen nicht wirksam bekämpft werden können.
Auch der Begriff Patriarchat erscheint mir darauf angelegt allzu grob - richtiger ist wohl, daß sich im Zuge der Modernisierung hegemonialer Männlichkeiten deren Führungsansprüche und Deutungshoheiten wie ehedem als wirkungsmächtig zeigen.
Womöglich wäre eine Selbstkritik vonnöten, dergestalt, daß es eben eine linke Intelligenz bzw. Intellektualität gibt, die sich in ihrem Bildungsstatus derart überhöht, daß sie glaubt sich damit über "die Masse" zu erheben - was ja den typisch bürgerlichen Gegensatz von Individuum und Gesellschaft (in diesem Buch von Adorno wäre Angele fündig geworden) als Masse () rekonstruiert wird.
In früheren Zeiten wurde der Typus "linker" Platzhirsch als einer umschrieben, der sich bevorzugt das - ideologisch imaginierte - "revolutionäre Subjekt" nur als Massenbewegung (auf das zu warten er sich im Elfenbeinturm der Theorie anschickt und sich während des Ausbleibens mit allerlei Derivaten tröstet) vorstellen kann.
Daraus speist sich eine pseudo"links"intellektuelle Haltung, die (wie man früher im RZ-Jargon ironisch anmerkte) sich "die Arbeiterklasse als das revolutionäre Subjekt, am liebsten als Fußvolk halten möchte".
Immer wenn ich dem Typus des linken
"Generalissimus" (i.d.R. mit Sprechdurchfall als "Berufs/ungs"krankheit) begegne, mache ich lieber einen Umweg um diese Abform hegemonialer Männlichkeit, die letztlich auch nur ein Ausfluss von Obskurantismus ist.
Emanzipation geht anders.
I.
Oppositionelle Kleinparteien ziehen renitente Persönlichkeiten an. Das ist leider so. Eine Mannschaft aus Unzufriedenen kann man schlechter für eine Idee begeistern.