Die Schuld der Worte und die Reinheit des Schweigens

WEITE UMLAUFBAHNEN Gert Neumanns literarische Wallfahrt zum Kloster Chorin in »Anschlag«
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Mit der uralten Einsicht, daß »Worte lügen« (Schnitzler), will sich heute kaum ein Schriftsteller mehr aufhalten. Sprach- und Ausdrucksnot gelten unter literarischen Zeitgenossen als ausgerottete Krankheiten, »unsäglich« (Rilke) ist heute nichts mehr.

Hugo von Hofmannsthals armer Lord Chandos, dem noch die Worte »wie modrige Pilze« im Mund zerfielen, wird, wenn man ihn überhaupt noch zur Kenntnis nimmt, als Hypochonder geschmäht. Celan und Beckett, die Exponenten einer Poetik des Schweigens, hat man in die Archive abgeschoben. Die literarische Moderne präsentiert sich am Jahrhundertende nicht mehr - wie noch der Kulturphilosoph George Steiner definierte - als eine »schweigewütige« Epoche, sondern als eine Ära de