Porträt Der Wirtschaftsminister trägt die Opel-Rettung nur widerwillig mit. Sein Alleingang verschafft Karl-Theodor zu Guttenberg Respekt bei den Wählern der Union
Als Karl-Theodor zu Guttenberg Anfang Februar zum Bundeswirtschaftsminister ernannt wurde, fragten sich die Kommentatoren, was ihn denn nur zu diesem Amt befähige. Mit 37 der Jüngste, der es je antrat – ein erfreuliches Alter zweifellos, aber wenn sich Jugendlichkeit mit Inkompetenz paart? Aus Verlegenheit dichtete ihm eine Nachrichtenagentur Erfahrungen im Fachgroßhandel für Trockenbau an, das war aus der Luft gegriffen. Zu Guttenberg nannte sich auch selbst erfahren, doch die Tätigkeit im Familienunternehmen, auf die er hinwies, hatte nur in der Verwaltung des Familienvermögens bestanden.
So zeigte seine Berufung lediglich, dass der Union nach dem Weggang von Friedrich Merz die Wirtschaftsfachleute ausgegangen waren. Es scheint ja fast, als habe sie ihr
be sie ihre Wirtschaftspolitik an die FDP abgetreten, und ihr eigener Beitrag bestehe nur noch in der wahltaktischen Verbrämung – was kann da ein Wirtschaftsminister tun, außer eine gute Figur zu machen? Zu Guttenberg kann mehr, doch seine Berufung verdankt er tatsächlich dem Auftreten. Der junge Freiherr ist in seinem ganzen Habitus so adlig, dass er einem Journalisten wie „am Reißbrett entworfen und im Windkanal optimiert“ erschien. Als Glos zurücktrat, musste CSU-Chef Seehofer, seinerseits ein Arbeitersohn, schnell handeln, und ihm fiel ein, was er am selben Wochenende erlebt hatte: wie sich zu Guttenberg, der eloquente, in vielen Sprachen bewanderte Mann, auf der Münchener Sicherheitskonferenz bewegt hatte.Zu Guttenberg ist einer von denen, die man sich außerhalb der adligen Welt gar nicht vorstellen kann. In dieser Welt heiratet man keine „Bürgerlichen“, und so ist auch er mit einer Ur-Urenkelin des Fürsten Bismarck verheiratet. Die Guttenbergs sind eine Familie, deren politisches Engagement bis in die Zeit der Hitler-Attentäter zurückreicht, mit denen sie verbündet waren. Ihre antifaschistische Gesinnung wurde auch in der Bundesrepublik deutlich: Sein Vater, der Dirigent Enoch zu Guttenberg, trat aus der CSU aus, weil der damalige bayerische Ministerpräsident Streibl nicht an einer Demonstration gegen Antisemitismus teilnehmen wollte. (Der Großvater war unter Kanzler Kiesinger Staatssekretär gewesen.) Zu Guttenberg selbst, den Seehofer am 3. November 2008 zum Generalsekretär der CSU gemacht hatte, trennte sich zwei Wochen später von einem langjährigen Vertrauten, weil sich herausstellte, dass der sich 16 Jahre zuvor mit dem Hitlergruß hatte ablichten lassen.Strammer als die anderenVorher war er Obmann der Unionsfraktion im Auswärtigen Ausschuss des Bundestags. Er gehörte dort zu den Hardlinern: Ob Misstrauen gegen Russland oder Bereitschaft zum Afghanistan-Einsatz, immer war er noch strammer als andere. Man würde ihm aber unrecht tun, wenn man ihn für einen bloßen Prinzipienreiter hielte. Immerhin hat er das Wort von der „privilegierten Partnerschaft“ der EU mit der Türkei in die Welt gesetzt, das sein taktisches Talent unterstreicht. In diesem Politikfeld ist er jedenfalls kein Laie – seine Dissertation trägt den Titel „Verfassung und Verfassungsvertrag: konstitutionelle Entwicklungsstufen in den USA und der EU“.Doch auch in der neuen Rolle als Wirtschaftsminister fand er sich schnell zurecht. Bald nach der Berufung musste er in die USA reisen, um über das Schicksal von Opel zu verhandeln. Die Bundesregierung hatte ihn beauftragt, bei General Motors einige Auskünfte einzufordern. Natürlich machte er wieder eine gute Figur, und die Opposition mochte noch so sehr bemängeln, er habe nichts erfahren, was man nicht schon vorher wusste: Mit dieser Reise war, in den Augen der Öffentlichkeit, neben den Sozialdemokraten Steinbrück ein anderer Manager der Wirtschaftskrise getreten. Im Übrigen brachte er immerhin das Versprechen von General Motors mit, sich bei Opel in Zukunft mit einer Minderheitsbeteiligung zu begnügen. Abgesehen davon machte er auch Fehler: Wie FDP-Chef Westerwelle kritisierte, hatte er von General Motors die Vorlage eines Krisenplans verlangt, dabei ging es längst nur noch darum, den Krisenplan selbst zu erstellen.Das geschah auch in den folgenden Monaten, wobei vor allem das Kanzleramt aktiv wurde, denn Angela Merkels Vertrauen in ihren Wirtschaftsminister hatte Grenzen. Zunehmend zeigte sich eine Meinungsverschiedenheit: Zu Guttenberg betonte immer wieder, er könne sich Opels Insolvenz vorstellen, Merkel hielt es eher mit den SPD-Ministern, die eine solche Lösung verteufelten. Was übrigens reichlich verlogen war, hatte doch die SPD selber die neue Insolvenzordnung, nach der es nicht mehr nur darum ging, die Gläubiger zu befriedigen, sondern auch um Rettung überlebensfähiger Teile des insolventen Unternehmens, 1999 auf den Weg gebracht. Als zu Guttenberg am vorigen Wochenende äußerte, er hätte Opels Insolvenz dem beschlossenen Rettungsplan vorgezogen, erschien er wie ein einsamer Marktradikaler, doch wenig später sagte auch Steinbrück, die Insolvenz sei immer noch eine Option.Dogmatisch prinzipienfest zeigte sich zu Guttenberg in anderer Hinsicht. Es war seine Idee, an Opel eine Treuhandgesellschaft zu beteiligen: So wurde die Staatsbeteiligung vermieden. Soll man nun sagen, er habe sich schnell ins Fach eingearbeitet, nur vom Wahlkampf verstehe er nichts? Das ist unklar, denn in Arbeitsteilung mit der wendigen Kanzlerin kann auch Dogmentreue gut ankommen, jedenfalls hat zu Guttenberg hohe Beliebtheitswerte. Es ist gut möglich, dass man von ihm noch viel hören wird. Ob weiter als Wirtschaftsminister, ist zwar unsicher. Wenn nach dem September eine schwarzgelbe Regierung zustande kommen sollte, wird wohl die FDP diesen Posten beanspruchen. Doch sein Fach ist ja ohnehin ein anderes.
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