Wir haben die Häme noch im Ohr, die Kurt Tucholsky über den Kompromiss ausschüttete: "Einerseits – und andrerseits – so ein Ding hat manchen Reiz..." Was hätte er erst zum sturen Weiter so! gesagt, das sich Kompromiss nennt, zum Bock als Gärtner? Von dieser Art ist der neueste "Atomkompromiss", den die Bundesregierung ins Gespräch bringt. Veränderte Sicherheitsvorschriften sollen zu einer Scheidung in alte AKWs, die mit vertretbaren Kosten nicht nachgerüstet werden können, und neue führen, die sogar der terroristischen Bombardierung trotzen würden. Die "zwei oder drei" ältesten schaltet man im nächsten Jahr ab, die meisten anderen bekommen eine Laufzeitverlängerung bis weit in die 2020er Jahre hinein. Wie neue Berichte der europäischen und internationalen Kontrollkommissionen zeigen, ist das ungefähr der Zeitpunkt, zu dem der weltweite Uranbedarf ohnehin nicht mehr gedeckt werden kann.
Die Süddeutsche Zeitung schreibt, der "Kompromiss" sei "gesichtswahrend für alle Seiten", und das trifft es genau. Den Atomkraftgegnern soll der große Erfolg, der ihnen in den Schoß falle, präsentiert werden können. So viele Meiler werden abgeschaltet! Man ahnt schon, wie die Union den nächsten Bundestagswahlkampf führen wird: Rot-Grün habe geredet, bei ihr sehe man Taten. Dabei hätte sie nur das rot-grüne Gesetz selektiv umgesetzt. Im Schatten der "Taten" macht dann die AKW-Wirtschaft weiter, solange es geht. Stellen wir uns vor, es würden wider Erwarten mehr Uranvorkommen entdeckt: Dann ginge die ganze Diskussion von vorn los. Jetzt sind die Meiler doch auch gegen Terror geschützt, bekämen wir zu hören. Tatsächlich erwägt die Bundesregierung, auf die Angabe eines letztmöglichen Ausstiegszeitpunkts für alle Meiler ganz zu verzichten.
So glatt die Zungen auch sind, können sie ihrer Sache doch nicht sicher sein. Denn der "Kompromiss" führt zu längeren Laufzeiten, als Bundesumweltminister Röttgen fordert, und weshalb es dann unnötig sein soll, dass der Bundesrat zustimmt, ist noch schwerer zu begründen. Es gibt aber keinen Trick, den sie unversucht lassen.
Kommentare 4
Lieber Michael,
bei Lichte betrachtet, geht es nicht um eine Verlängerung der Laufzeit der AKWs, sondern um eine Verlängerung der Laufzeit dieser Art Regierungen von Gnaden der großen Energie- Konzerne und AKW- Betreiber.
Wer danach strebt, bestehende Verträge wie den Atomausstiegsvertrag der rotgrünen Regierung von 2002 in den Bruch zu treiben, erfindet die Rede von den AKWs als Brückenindustirie von einer unhaltbaren Energie- zur nächsten haltlosen Energie Industrie.
tschüss
JP
Vielleicht ist es in diesem Zusammenhang nicht unwichtig, wenn man nicht von Brückentechnologie sondern von Sackgassentechnologie spricht, um die verlogene Vokabel Brückentechnologie als das zu entlarven, was sie ist eine Lüge.
Die Atomkraftwerke behindern den schnellen und kräftigen Ausbau der Eneuerbaren, da sie im nur im Grundlastbereich einsetzbar sind, Gaskraftwerke dagegen flexibel sind also die Schwankungen der Erneuerbaren sehr gut kompensieren können. Also die Atomkraftwerke bauen keine Brücke in eine Zukunft der alternativen Energien, sondern sie verhindern sie.
Danke, das sind zwei wichtige Hinweise.
Hallo Michael.
Es sei an die Sendung Monitor erinnert vom 28.01.2010. Dort erfährt man, dass bereits im Etat vom Ländle die Laufzeitverlängerungen in den Büchern steht. Wenn also Mappus gegen Röttgen "schießt", dann auch deshalb weil er um seinen Haushalt im Ländle bangen muss.
Unter "den glatten Zungen" wird Geld geparkt. Das ist aus meiner Sicht immer die wichtigste Aufklärungsgrundlage. Sie sortiert sofort jedes gelogene Gemeininteresse in ein gemeines Wirtschaftsinteresse ein oder um.