Frage: Was kostet scheinbar nichts und wird von Politikern bei jeder günstigen Gelegenheit „angemahnt“? Antwort: Die Menschenrechte. „Der Freitag“ will es sich nicht ganz so einfach machen: In dieser Ausgabe eröffnet Michael Jäger die Reihe zum Thema.
Was sind Menschenrechte: ein Vorwand des westlichen Imperialismus, ein Deckmantel für Kriege, in denen es in Wahrheit um handfeste ökonomische Interessen geht – oder eine linke Utopie? Man findet unter Linken beide Auffassungen, oft gleichzeitig. Tatsächlich stehen sie gar nicht im Widerspruch zueinander. Menschenrechte können eine linke Utopie sein, die heute schwer als solche sichtbar zu machen ist, weil sie allzu oft im Zerrspiegel westlicher Interessen erscheint. Doch wenn das so ist, kann darauf nur mit der Verdeutlichung der linken Utopie geantwortet werden: damit man den Unterschied zu imperialistischen Überlagerungen erkennt und für die Utopie entschieden praktisch eintreten kann.
Nur kurz sei an die gegebene Menschenrechtssituation erinnert, um deren „utopische“ Überbietung es geht. Die meisten Staaten der Welt haben Menschenrechtserklärungen unterzeichnet – die Praxis ist nicht immer danach. Die Situation stagniert, doch wenigstens im Diskurs ist ein Fortschritt zu verzeichnen: „Bürgerliche“ Rechte wie Versammlungsfreiheit und soziale wie das Recht „auf Arbeit“, oder wenigstens auf freie Betätigung von Gewerkschaften, werden nicht mehr wie zur Zeit des Kalten Krieges gegeneinander ausgespielt. In der UNO-Charta standen sie schon immer nebeneinander. Seit zehn Jahren werden sie auch von amnesty international als Einheit angesehen. Dass Rechte, die aufs Individuum bezogen sind, nicht von sozialen getrennt werden können, ist eine für jeden „linken“ Menschenrechtsdiskurs charakteristische Annahme.
Doch sie allein enthält noch keine linke Utopie. Der Soziologe Alex Demirovic hat es am Beispiel der Europäischen Sozialcharta gezeigt: Diese „verwendet mehrfach die Ausdrücke Arbeitnehmer und Arbeitgeber, Koalitionsrecht, Erreichung der Vollbeschäftigung, Familie als Keimzelle der Gesellschaft etc. Da damit der Anspruch auf universelle Geltung erhoben wird, werden bestimmte gesellschaftliche Praktiken und Lebensformen, der heutige Notzustand auf alle Ewigkeit festgeschrieben.“ Die Frage, „ob die damit versprochene Lebensweise mit ihrer Notlagen erzeugenden Dynamik nicht selbst problematisch ist“, wird nicht gestellt. Das wäre aber gerade die Frage der linken Utopie. Man ist notwendig auf sie verwiesen, sobald man nur anfängt, in Menschenrechten mehr als „bürgerliche“ Abwehrrechte gegen den Staat zu sehen.
Der Mensch ist: eine Utopie
Abwehrrechte sind „bürgerlich“ genannt worden, weil der Verdacht im Raum steht, sie dienten dem Schutz einer Privatheit, die mit Rücksichtslosigkeit gepaart sein kann. Versucht man, rein aufs Individuum bezogene Rechte so zu denken, dass daraus keine Rechtfertigung individueller Borniertheit entspringt, ist man schon bei der Frage des Sozialen, nämlich wie sich die mit Abwehrrechten versehenen Individuen zueinander verhalten: rücksichtslos oder solidarisch. Auf diese Frage hat Marx utopisch mit der „Assoziation“ geantwortet, „worin die freie Entwicklung eines jeden die Bedingung für die freie Entwicklung aller ist“. Das heißt: Der Ausgangspunkt bin nicht ich, dessen Recht die anderen Ichs zu respektieren haben – sondern sie sind der Ausgangspunkt, für ihr Recht trete ich ein, weil ich es selbst nicht hätte, würden sie es nicht haben. Rechte hätte ich zwar, aber nicht solche „des Menschen“: „Menschlich“ genannt zu werden, würde ich nicht verdienen. Nicht jedenfalls im utopischen Sinn.
Denn was der Mensch ist, wer weiß es? Er ist eine Utopie. Das heißt nicht, dass die heute vorhandene Auskunft über seine Rechte an der Utopie gemessen und deshalb als ungenügend abgetan werden dürfte. Im Gegenteil: Sie benennt das, was der Mensch nach dem, was man längst weiß, mindestens zu beanspruchen hat, ganz richtig. Aber indem sie es tut, bleiben ihr gewisse Konfusionen nicht erspart, die eben damit zusammenhängen, dass die utopischen Fragen unbeantwortet sind.
So laufen alle klassischen Menschenrechte, die man „bürgerlich“ genannt hat, auf die Befreiung von Herrschaft und dem, was sie anrichtet, hinaus, sei‘s Folter oder Unterdrückung der Meinungsfreiheit. Aber obwohl es die Formel „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ gegeben hat, ist immer unklar geblieben, ob der Befreiung von Herrschaft eine Befreiung zur Solidarität nicht nur ohne Herrschaft, sondern auch ohne private Rücksichtslosigkeit entsprechen sollte. Dabei wird Herrschaft doch gerade durch Rücksichtslosigkeit auf den Plan gerufen, wie schon Thomas Hobbes wusste. Der Krieg aller gegen alle zwingt zur Kapitulation vor dem Leviathan. Ein rein privates statt soziales Menschenrechtsverständnis führt dazu, dass Herrschaft und mit ihr die Gefahr der Menschenrechtsverletzung ständig präsent bleiben. Der Ausweg – keine Herrschaft, nur gewählte funktionale Leitung, und doch Solidarität – kann nur als Utopie gedacht werden. Denn die Ordnung, die dergleichen trüge, ist noch nicht entdeckt worden.
„Der Mensch“ hat das Recht, oder sollte es haben, in einer Ordnung ohne Menschenrechtsverletzung leben zu können. Das heißt, sein elementares Menschenrecht ist das Recht auf eine solche Ordnung. Da nützt es gar nichts, die körperliche Unversehrtheit der Person gegen den utopischen Ordnungsgedanken auszuspielen, indem man argumentiert, dieser sei ideologisch überfrachtet, jene hingegen habe faktischen Charakter und hänge mit konkreten Nöten zusammen, die man nicht zerreden solle. Das ist es ja eben: Auf diesem Planeten verhungern täglich um 25.000 Menschen, jeden Tag also wird die körperliche Unversehrtheit auf massivste Weise 25.000 Mal vernichtet. Ich, dessen Körper unversehrt bleibt, weil ich in einem Staat mit relativ hohem Menschenrechtsstandard lebe, lebe gleichwohl nicht in einer planetarischen Ordnung, die dasselbe auch allen anderen Menschen ermöglicht.
Verwandlung des Täters
Man sieht daran, dass es tatsächlich nicht angeht, Menschenrechte auf Abwehrrechte zu reduzieren, also darauf, dass „der Staat sich nicht einmischen soll“. Das Gegenteil ist richtig. Es ist verlogen, wenn ein reicher Staat seine bessere Menschenrechtssituation gegen die schlechtere eines armen Staates ausspielt. Denn „der Mensch“ ist ein internationales Wesen. Es war schon fragwürdig, dass einst der „Sozialismus in einem Lande“ versucht wurde. Nicht fragwürdig, sondern verrückt wäre die Rede von „Menschenrechten in einem Lande“. Wer beim Wort „Menschenrechte“ nicht an das Individuum denkt, das in afrikanischer Ödnis vergebens nach Nahrung sucht, soll es nicht in den Mund nehmen.
Freilich: Wo man sagen muss, dass Staaten, die nicht eingreifen, sich der Menschenrechtsverletzung schuldig machen, ist die Gefahr „imperialistischer Überlagerung“ besonders groß. Sie greifen ja gern ein, nur nicht in der richtigen Weise. Falsch wird es, wenn sie gegen „objektive“ Verletzungen vorgehen, ohne das Menschenrechtsbewusstsein der Region zu berücksichtigen, um die es geht. Der erste Eingriff muss in der Verbreitung von Rechtsbewusstsein bestehen, wozu es heute genügend mächtige Mittel gibt, schon allein durchs Internet. Ist das Bewusstsein da, können die unterstützt werden, die es haben; sie müssen den Kampf selbst führen. Aber auch das Rechtsbewusstsein der Täter ist in Rechnung zu stellen. Denn auf lange Sicht wird der Schutz des Menschen, der zum Opfer werden kann, nur durch die Verwandlung des Täters in einen Menschen erreicht.
Das beste und wichtigste Beispiel ist das Menschenrecht der Frau. Die es verletzen, sind Männer. Der Weg, es durchzusetzen, führt über deren Zivilisierung. Sicher spricht das nicht gegen die Legitimität kurzzeitiger Zwangsmaßnahmen; aber solche etwa in Afghanistan durchzusetzen, ist schwer. Es ist auch deshalb schwer, weil sich die Frage stellt, wer denn das Subjekt der Zwangsmaßnahmen sein soll. Ein solches Subjekt müsste die verquere Religion zerpflücken können, nach der Frauen Solidarität üben, wenn sie etwa ihr Gesicht verstecken, wie das vor 2000 Jahren auch der Apostel Paulus glaubte. Sind westliche Truppen dieses Subjekt? Auch wenn der Westen in puncto Frauenemanzipation weiter ist als die islamische Welt, gehört es nicht zu seinen Stärken, zwischen Solidarität und fehlgeleiteter Solidarität zu unterscheiden. Vielmehr neigt er dazu, den freien Menschen isoliert zu sehen und so auch zu postulieren. Deshalb glauben Muslime dem Westen nicht, wenn er von Menschenrechten spricht. Dass diese Rechte die Menschen zur Solidarität befreien, weiß nur eine „utopische Linke“. Die müsste intervenieren und würde es sicher nicht militärisch tun.
Wenn es erst noch eine Aufgabe ist, das Subjekt der Menschenrechte hervorzubringen, was durch die Existenz von Tätermenschen bewiesen wird, nützen Militärinterventionen gar nichts. Aber eine andere Weltökonomie würde viel helfen. In einer solidarischen Weltökonomie hätten Täter weniger Spielraum, und mit der Zeit würde ihre Zahl abnehmen. Unser Beitrag, unser Menschenrecht wäre der solidarische Verzicht. Das gehört zur „linken Utopie“ wie der Schutz vor Folterern.
Kommentare 112
Lieber Michael.
Ich habe Deinen wunderbar erbaulichen Artikel statt „Schluss mit lustig“ „Schluss mit rücksichtslos“
schon einmal privat als
“Schluss in dunklen Räumen den Freitag lesen, ab ins Grüne“ i
nterpretiert.
Das ist meiner Lektüre Deines Artikels gut bekommen. Danke!
tschüss
JP
Eine tolle Idee das Thema Menschenrechte aufzuarbeiten. Ich habe den Artikel zwar bis jetzt nur quer gelesen und zum gründlichen Lesen ausgedruckt. Aber... Da es sich hier um ein mehrteiliges Projekt des der Freitag handelt, möchte ich kritische Anmerkungen machen.
Klar, der Freitag ist irgendwie links. Warum also sollte man das Thema Menschenrechte nicht zum Thema einer linken Utopie machen?
Weil:
1. ...Sie schlecht die politische Instrumentalisierung der Menschenrechte beklagen können, dann aber Menschenrechte selbst politisch für ihr Projekt “Linke Utopie” instrumentalisieren sollten. Das ist ein Wiederspruch in sich. Auch Konservative setzen sich für Menschenrechte ein und andere werden Ihnen gleich das Christentum und den Islam unter die Nase reiben.
2. ... Sie die Menschen nicht mitnehmen, die eben nicht mehr irgendwie links und auch nicht irgendwie konservativ sind oder sein wollen.
3.. wenn Menschenrechte universell sein sollen sollten sie unabhängig von einer politischen Richtung und neutral behandelt werden.
Und wenn Sie Menschenrechte ernstnehmen wollen, dann bitte deklarieren Sie den Menschen nicht als Utopie. Der Mensch existiert, das ist eine Tatsache und seine bloße Existenz ist die Grundlage der Menschen- Rechte. Es spielt dabei keine Rolle, welches Bild oder Selbstbild (Utopie) wir vom Menschen haben. Es ist völlig egal, was wir meinen wie er ist, ausschlaggebend ist, dass er ist. Die Tatsache der bloßen Existenz ist völlig wert- und deutungsfrei und erst recht frei von Utopien. Erst die Verbindung des Menschen mit einer Utopie (ob religiös oder sonst wie utopisch) relativiert die Menschenrechte.
Sorry, aber dass muss Ihnen im Grunde glasklar sein .- Der Satz: der Mensch ist eine Utopie geht so was von gar nicht.
Daß der Mensch eine Utopie ist, braucht nicht jeder anzunehmen, ich nehme es aber an, das darf ich. Und ansonsten bin ich ja völlig Ihrer Meinung, habe oben geschrieben: Der Mensch ist eine Utopie, "das heißt nicht, dass die heute vorhandene Auskunft über seine Rechte an der Utopie gemessen und deshalb als ungenügend abgetan werden dürfte. Im Gegenteil: Sie benennt das, was der Mensch nach dem, was man längst weiß, mindestens zu beanspruchen hat, ganz richtig."
Menschenrechte "können eine linke Utopie sein", steht am Anfang. Sie können auch eine Utopie von Konservativen sein, oder einfach ihr Pflichtgefühl (Pflicht ist aber auch eine Art Utopie, wenn man Kant genau liest), ich hoffe, daß das so ist. Wie auch immer, die Utopie laß ich mir nicht ausreden, ich finde, sie ist nötig.
Übrigens, am selben Montag dieser Woche, als ich diesen Artikel abschloß, fand ich die neueste Ausgabe der Deutschen Zeitschrift für Philosophie in der Post, mit einem Aufsatz von Jürgen Habermas: "Das Konzept der Menschenwürde und die realistische Utopie der Menschenrechte".
Werte(r) Angelia,
Sie haben diesen Beitrag von Michael Jäger nur quer gelesen, deuten sie an. Bemerkenswert, dass Sie nach bloßem Querlesen so ausführlich antworten.
"'Der Mensch ist eine Utopie' geht so was von gar nicht", schreiben Sie sehr bestimmt.
Menschsein (gestern, heute, künftig) ist immer mit Utopien von Menschwerdung verbunden. Mit gesellschaftlichen Utopien und denen entsprechend erwartbaren Menschenrechten und Emanzitationen.
Im so genannten irgendwie linken Freitag verbindet Michael Jäger die Menschenrechte mit der Freiheit zur Solidarität.
Ihr
"Sorry, aber dass muss Ihnen im Grunde glasklar sein .- Der Satz: der Mensch ist eine Utopie geht so was von gar nicht"
ist irgendwie doofes Deutsch und Ihre Kritik ist ganz gewiss der Querleserei anzulasten.
Lieber Michael Jäger,
wie fast immer: mit Gewinn gelesen!
Danke
Liebe angelia,
ich bin verwirrt:
Dein Utopiebegriff wird in Deinen Äüßerungen nicht scharf, scheint mir nur umgangssprachlich geprägt. Auf der Höhe von Ernst Bloch z.B. könnte man da aber doch schon sein und könnte da mehr sagen als nur eine bloß behauptende Zurückweisung, oder?
Dann muß ich Michael Jäger in Schutz nehmen:
Er "instrumentalisiert" den Begriff der Menschenrechte ganz sicher nicht, wenn er ihn unter entwickelten Bedingungen des Kapitalismus für das "Linke Projekt" zu reformulieren trachtet. "Instrumentalisierung" enthält in solchen Zusammenhang immer den Vorwurf mechanistischen Kategoriengeklappers im Sinne von herrschaftsstabilisierender Ideologiebildung. Davon sind die seriöse Linke und ganz gewiss Herr Jäger aber Lichtjahre entfernt.
Gänzlich widersprechen muß ich Deinem Argument, Texte der Jägerschen Art würden "Menschen nicht mitnehmen, die eben nicht mehr irgendwie links und auch nicht irgendwie konservativ sind oder sein wollen."
Texte der Jäger´schen Art stellen generell für theoriefeindliche oder ideologieverhafteten Personen ein unüberwindliches Hinderniss im Verstehensprozesss dar und sind, da gegenüber der herrschenden Lehre sich kritisch verhaltend, selbst der Pseudokritik des bürgerlicheh Lagers ausgesetzt. Das muß und kann man als Linker aushalten.
In Deinem Argument scheint mir aber die unbewiesenen Behauptung zu stecken, dass derartigeg Texte schon gar kein Publikum mehr finden könnten, da es im gesellschaftlichen Prozess keinen wesentlichen Widerspruch zwischen Emanzipation/Fortschritt und der Reaktion mehr gäbe, der sich unter anderem in dem Behriffspaar Links-bürgerlich ausdrücken ließe.
Dazu haben wir doch hier im Frietag nicht die Diskussion "Was ist links?" geführt.
Michael Jäger formuliert sehr prägnant, das linkes (utopisches) Denken sich signifikant unterscheidet von bürgerlichem Herrschaftsdenken.
Deinen Wunsch nach "neutraler" Theorie in allen Ehren, aber sogar der von Michael Jäger genannte Habermas wußte einmal, das es einen nicht zu verschweigenden Zusammenhang zwischen "Erkenntis und Interessse" gibt.
"Wert- und deutungsfreie" Theorie oder Handeln, wo gibt es denn sowas? Haben wir das Paradies auf Erden schon erreicht, feiert der Werturteilsstreit oder Positivismusstreit fröhliche Urstände? Da waren ja sogar Weber Popper in gewisser Weise schon weiter, wenn auch nicht genügend.
lg
ut
P.S.: Sollter der Freitag tatsächlich nur "irgendwie" links sein, dann wird er sich bestimmt noch eine ganze Weile halten, denn dann lesen ihn irgendwann Konservative, bis hin zu den irgendwie Linken.
Lieber Herr Jäger,
vielen Dank für den gedankenreichen Artikel, besonders der zentrale Abschnitt "Der Mensch ist: eine Utopie" verdient Anerkennung.
lg
ut
Oh: ich stimme dem zu.
vielen Dank für Ihre Antwort.
Ich wollte Ihnen Utopien nicht ausreden :-) Ich bin auch für klare und realistische Vorstellungen.
Ich wies darauf hin, dass der Mensch einen Tatsache ist und keine Vorstellung.
Und, dass die bloße Existenz für den Erwerb der Menschenrechte reicht und an keinerlei weitere Auskünfte mehr geknüpft ist.
Vor diesem Hintergrund finde Ihren Satz einfach unlogisch. Aber wie auch immer, ich stolperte beim schnelllesen darüber. Genau so wie über den m.E. Wiederspruch der politischen Instrumenatisierung.
beste Grüße Angelia
Lieber weinsztein
ob doofes Deutsch oder nicht, ich habe meine Kritik begründet. s.o.
Übrigens habe ich schnell und querlesen gelernt. Ohne dem kommt man heute im Job kaum noch klar. Ich gelobe aber den Text in aller Ruhe gründlich zu lesen. :-) und ich kann auch loben, ehrlich ;-))
lieber Uwe
da hast du aber Einiges in meine Sätze hinein interpretiert, glaube ich. Das muss ich morgen lesen. Wenn ich mich nicht irre, bezog ich z.B. wert- und deutungsfrei auf den Status Mensch und auf sonst nichts weiter.
gute Nacht
Angelia heute mit Schlafstörungen
Liebe Angelia,
es geht hier nicht um Lob, nicht um Status Mensch, nicht um Schnell- oder Querlesen, sondern um Utopien zum Menschsein, ums Vorauseilen menschlichen Bewusstseins, das Utopien erst möglich macht.
Und darum, welche gesellschaftlichen Bedingungen wir anstreben, evtl. solidarische oder andere.
Bitte, verschonen Sie mich mit Stuss wie :-) oder ;-)) in diesem Zusammenhang.
°!°
Der Text hat nachts weitergelebt, wie schön. Ich hab im Moment viel zu tun, heute nachmittag kommentiere ich hier aber wieder mit. Z.B. zu Angelia, um dafür zu argumentieren, daß der Mensch eine Tatsache u n d eine Vorstellung ist, ich will sagen, daß er beides nicht nur in meiner Vorstellung ist, sondern daß es eine Tatsache ist, daß er beides ist.
Und, liebe Freunde, danke, daß Ihr mich lobt, aber seid doch bitte nicht gereizt und verwendet Wörter wie "Stuss" nicht. Angelia spricht keinen Stuss.
@ Michael Jäger - "Und, liebe Freunde, danke, daß Ihr mich lobt, aber seid doch bitte nicht gereizt und verwendet Wörter wie "Stuss" nicht. Angelia spricht keinen Stuss."
Hihi - das Menschenrecht auf Stussligkeit wird hier vehement verteidigt. :-)) Das ist Konsequenz.
Davon abgesehen. Danke für den Interessanten Beitrag.
Guten Morgen lieber Uwe
So, zwar nicht richtig ausgeschlafen aber wach genug für eine Antwort ;-)
Ich habe in der Tat ein, m.E. berechtigtes angespanntes Verhältnis zu Utopien und bewege mich auf der Ebene einer kritischen Rationalistin (weinsztein, ich bin weiblich und weder Troll noch Fake) und bilde mir ein, ziemlich auf der Höhe der Utopiekritik eines Karl Popper zu sein. Und ich darf das. Ich darf kritisch sein ;-) Und in Anbetracht der Dekade allgemeiner Orientierungslosigkeit und der Suche nach Orientierung halte ich eine kritische Einstellung gegenüber Zukunftsvisionen sogar für höchst angebracht. (Komplexitätsproblem)
Aus diesem Grund bin ich, was die Logik von Thesen und Sätze sowie deren Ausführung betrifft, vielleicht manchmal etwas überkritisch, Das geben ich gern zu.
Ich habe aber Herrn Jäger nicht persönlich angegriffen, sondern die Logik seines Satzes und den m.E. Widerspruch im Rahmen der politisch motivierten instrumentellen Nutzung universaler, für sich stehender Menschenrechte.
Und auch das darf ich - Aber mehr, als meine Argumente vorlegen und diese begründen kann und will ich nicht. Denn mir ist sehr bewusst, dass ich niemanden mit Hilfe von Argumenten dazu zwingen kann, Argumente anzuhören.
Ich werde es aber ganz im Sinne der Utopie der liberalen Ironikerin trotzdem immer wieder tun.
Und nun gebe ich zurück zur Sendereihe: Menschenrechte
Viele Grüße
Angelia
Meine Meinung:
@ angelia:
„Und wenn Sie Menschenrechte ernstnehmen wollen, dann bitte deklarieren Sie den Menschen nicht als Utopie. Der Mensch existiert, das ist eine Tatsache und seine bloße Existenz ist die Grundlage der Menschen- Rechte. Es spielt dabei keine Rolle, welches Bild oder Selbstbild (Utopie) wir vom Menschen haben. Es ist völlig egal, was wir meinen wie er ist, ausschlaggebend ist, dass er ist. Die Tatsache der bloßen Existenz ist völlig wert- und deutungsfrei und erst recht frei von Utopien. Erst die Verbindung des Menschen mit einer Utopie (ob religiös oder sonst wie utopisch) relativiert die Menschenrechte.“
„Der Mensch“ ist ein Abstraktum. Wenn die „bloße Existenz“ „menschlicher Wesen“ die Grundlage der Menschenrechte ist und das „Selbstbild… vom Menschen“ „keine Rolle“ spielt, warum wurden sie nicht zur Zeit des römischen Reiches formuliert? Wenn es keine Rolle spielt, welches „Selbstbild“ wir vom Menschen haben, dann ist es wahrscheinlich Zufall, dass die UN-Menschenrechtserklärung gerade 1948 verkündet wurde, dass die allgemeinen Menschenrechte erstmals in der US-Unabhängigkeitserklärung von 1776 genannt werden oder 1789 in der französischen Nationalversammlung? Die „Tatsache“ der „bloßen Existenz“ sei „frei von Utopien“. „Immer will man mehr Kuchen“, schreibt Bloch. Existiert der Mensch „bloß“ oder wurden die Menschenrechte formuliert im Kampf gegen den Feudalismus von vom Adel unabhängig gewordenen bürgerlichen Staaten, die damit auch beanspruchten, die Interessen aller Menschen zu vertreten und damit zu ihrer Zeit auch eine Utopie formulierten? Was ist für Sie der „existierende Mensch“? Die Kinder, die vor Hunger in den Müllhalden Brasiliens nach Essbarem suchen? Die Hartz4-Empfänger in Deutschland, die sich prostituieren, um überleben zu können? Sie wollen ihnen nicht die „Verbindung mit einer Utopie“ zugestehen? Eine Hoffnung für sie würde also „die Menschenrechte relativieren“?
@Michael Jäger
Herr Jäger, ich lese Sie seit zwanzig Jahren, teilweise mit Gewinn. Jetzt erfährt man über Herrn Dehm, dass sie früher Maoist waren. Christ sind Sie, glaube ich, auch. Auf jeden Fall scheinen Sie sehr von Bloch inspiriert zu sein. Zum 125. Geburtstag von E. Bloch erschien gerade in der jw eine Bewertung Blochs durch seinen Schüler Hans Heinz Holz. Mich würde interessieren, was Sie davon halten. Ich habe bei einem Schüler von Holz (im Nebenfach) Philosophie studiert und damals Ende der Siebziger, Anfang der Achtziger in Marburg schien mir dieses Denken unerhört neu. Heute teilweise jaw-dropping intolerant und stalinistisch. Aber ist seine Bewertung von Bloch im Kern richtig?
Danke für diesen guten Artikel.
Wo schreibt Dehm das denn, ich sei Maoist gewesen? Habe ich noch nicht gesehen. Jedenfalls stimmt es nicht. Ich war in den 70er Jahren Mitglied der Sozialistischen Einheitspartei Westberlins.
Dehm scheint zur Zeit etwas durchzudrehen, dafür gibt es ja noch andere Anzeichen. Eine Zeitlang hat er mich richtig umworben, und jetzt, wo ich mir erlaubt habe, die Frage der Eigentumsverhältnisse in einer etwas anderen Art und Weise aufzurollen als der Programmenwurf der Linkspartei das tut, kann er sich nicht lassen vor Wut.
Von Bloch bin ich in der Tat inspiriert, habe Ende letzten Jahres, ich glaube in der letzten Ausgabe, auch eine lange Bloch-Würdigung hier im Freitag geschrieben. Die Würdigung von Holz suche ich noch raus und sage dann was dazu.
"Abgesehen von der Überheblichkeit gegenüber Mitbestimmung und Gewerkschaften berauscht sich Jäger (wie viele gewendete Maoisten u.a. Poststalinisten konvertiert von „soviel Erfahrung mit dem Staatssozialismus“) am Nebeldampf der „Zivilgesellschaft“ und verzichtet auf nähere Staatsbetrachtung."
Diesen Kommentar von Herrn Dehm zu Ihrem Artikel "Die Prager Tür" hatte ich so interpretiert, dass Sie Maoist gewesen seien.
"Abgesehen von der Überheblichkeit gegenüber Mitbestimmung und Gewerkschaften berauscht sich Jäger (wie viele gewendete Maoisten u.a. Poststalinisten konvertiert von „soviel Erfahrung mit dem Staatssozialismus“) am Nebeldampf der „Zivilgesellschaft“ und verzichtet auf nähere Staatsbetrachtung."
Diesen Kommentar von Herrn Dehm zu Ihrem Artikel "Die Prager Tür" hatte ich so interpretiert, dass Sie Maoist gewesen seien.
Lieber Michael Jäger,
Angelia spricht keinen Stuss. Stussig fand ich die Smileys, die sie in Ihrer Antwort auf meinen Kommentar untergebracht hatte.
ich denke, meine, hoffe, der 'utopie mensch' kommt mensch näher, wenn begriffen wird, dass menschenrechte (ein erklärtermaßen unabgeschlossenes projekt) immer die der anderen sind. auch und gerade die der ganz anderen.
Danke Michael Jäger – sehr inspirierend...
Der Mensch ist eine Utopie......Das war mir im ersten Moment auch nicht verständlich, weil Utopie ja eigentlich auch den Nicht-Ort bezeichnet - etwas Unerreichbares. Aber es gibt ja auch die reale, realitätsbezogene Utopie, deren Entwicklung an die realen Bedingungen im Jetzt anknüpft. Der Mensch, wie er jetzt ist, muss Ausgangspunkt für eine reale Utopie oder reale Vision sein!
Wir als Menschen haben das Potenzial d.h., die grundlegenden Informationen evolutions-und menschengerechter Gesellschaftssysteme in uns abgespeichert. Und es ist daher kein Zufall und nicht in erster Linie das Ergebnis linker Aufklärungsarbeit, dass viele der grundlegenden linken Vorstellungen und Konzepte mehrheitliche Zustimmung finden. Die gesellschaftspolitische Realität, die bekanntermaßen höchst problematisch ist, fordert menschliches Handeln und aufgeklärte Menschen auch ohne politische Bildung können auf Anhieb sagen, was hier geschehen müsste, um hier eine menschengerechte Gesellschaftsordung zu verwirklichen. Man könnte also sagen, die Evolution tendiere nach links oder der Mensch an sich wäre links – aber für angemessener hielte ich es, wenn man einfach konstatierte, dass die aufgeklärte Linke seit jeher die evolutionären Erfordernisse erkannt und ihre Verwirklichung unterstützt hat. Und genau das sollte die Linke weiterhin tun.
Es geht also nicht darum, eine Utopie zu entwickeln, und sie der Wirklichkeit aufzudrücken, sondern die Entwicklung natürlicher Antworten auf das Dilemma zu unterstützen und realisierbare menschengerechte Konzepte anzubieten. Und eine reale Utopie, die daran anknüpft, sollte mit der zeitlichen Entfernung vom Jetzt an Unschärfe zunehmen – allein schon deshalb, um stets aktuell zu sein und nicht in einen gewaltfördernden Dogmatismus zu verfallen.
Ich finde den Gedanken sehr gut, sich die Aufgabe zu stellen, den Menschenrechten zur Verwirklichung zu verhelfen und diese in den Fokus der Aufmerksamkeit zu stellen, denn Menschenrechte werden notorisch missachtet - auch in Deutschland.
Menschenrechtsforderungen sind immer eine Antwort auf die herrschenden Verhältnisse und daher ist der Wunsch nach einer Aktualisierung sehr gerechtfertigt. Sinnvollerweise sollte man da die Menschen selber fragen...
Den Hinweis darauf, dass es dabei nicht zu einer Anerkennung der ungerechtfertigten Herrschaftsverhältnisse kommen darf, finde ich sehr wichtig. Letztlich können sämtliche Menschenrechte nur verwirklicht sein, wenn die Menschen ihre Lebensbedingungen selbst bestimmen.
Daher halte ich es auch für wichtig, das Thema des gemeinschaftlichen Menschenrechts oder vielleicht besser Menschengemeinschaftsrechts in die Diskussion zu bringen. Das berührt die wichtigste Menscheitsfrage: Wer soll bestimmen dürfen, was auf diesem Planeten geschieht?
Für mich wäre das erste Menschengemeinschaftsrecht, das Recht auf Selbstbestimmung der Menschengemeinschaften über die gesellschaftlichen Bedingungen in denen sie leben wollen. Das ist das Recht auf eine wirkliche Demokratie, welches wir in Deutschland per Grundgesetz zwar haben, aber das von lobbybestimmten Politikern täglich mit Füßen getreten wird.
Demokratie ist die Antwort auf die Machtfrage: Wer soll hier wie herrschen.
Demokratie erfordert gemeinschaftliches (solidarisches) Denken, Handeln und Wissen. Sie muss erlernt werden, und das schon in der Familie, im Kindergarten, in den Schulen, Betrieben usw. Und natürlich, durch Erweiterung demokratischer Rechte – z.B. Volksentscheide auf Bundesebene. ....
Da wir auf diesem Planeten nicht allein sind und Verantwortung auch gegenüber allem anderen Leben haben, drängt sich mir auf, dass wir auch eine Menschengemeinschaftspflicht haben. Und da sehe ich als eine wichtige Pflicht, dass die, die unsere Lebensbedingungen und das Leben hier im großen Maßstab gefährden, daran gehindert werden es weiter zu tun. Auch da sehe ich eine wirkliche Demokratie, ausgeübt von aufgeklärten Menschen, als den einzig sinnvollen Hebel. Ich sehe uns in der Pflicht, hier endlich echte demokratische Verhältnisse einzuführen und für menschen-und naturgerechte Verhältnisse zu sorgen.
Ach so. Die Smileys bildet mein PC nicht ab. Muß man aber auch nicht stussig nennen, finde ich. Und irgendwo stand auch was von "doof". Das muß alles nicht sein.
Hallo Nox
vielen Dank, dass Sie mir durch ihre Fragen die Chance geben, meine Gedanken weiter auszuführen.
Aristoteles schloss Sklaven, Frauen, Fremde usw. einfach aus der Gattung Mensch aus, weil sie seinen Vorstellungen vom menschsein nicht entsprachen. Er knüpfte das Menschsein an die seiner Vorstellungen vom Menschen und somit an Bedingungen (Stichworte Polis, Freiheit, Reichtum, Bildung, Herkunft) Und nicht an deren Zugehörigkeit zur Gattung Mensch als exsistierendes, d.h. lebendes Wesen. Im römischen Reich war diese Haltung ähnlich. Selbst Olymp de Gouges musste mehr als 2000 Jahre später, während der Verfassung der Menschen- und Bürgerrechte, gegen diese Vorstellung vom Menschsein kämpfen. Sie bezahlte ihren Mut und Einsatz u. a. auch deshalb mit dem Leben. Als es darum ging, sich gegen Feudalherrschaft und den Adel zu stellen, hatte man Frauen und Sklaven schlicht von Menschen- und Bürgerrecht ausgeklammert.
Diskriminierungen von Frauen, Schwarzen usw. sind auf Vorstellungen vom Menschen zurück zu führen. Aber ich gebe zu, es ist schwierig Menschen vom Ausgangspunkt des bloßen Daseins und unabhängig von Eigenschaften, Vorstellungen und somit auch frei von Vor-Urteilen, zu sehen. Aber das bloße Dasein und die Zugehörigkeit zur Gattung Mensch, ist nicht weiter verhandelbar und kann nur an die Bedingung des einfach erst mal vorhanden seins geknüpft werden. Es spielt keine Rolle, ob man die Vorstellung hat, der Mensch sei Gottes Geschöpf, eine Weiterentwicklung der Affen, oder was auch immer. Aus diesem Grund kann man, wenn Menschenrechte unteilbar für alle gelten sollen, eben selbst einem Mörder Menschenrechte nicht absprechen. Und sei er noch so bestialisch und grausam. Diese Kröte muss man erst mal schlucken können.
Vorstellungen von dem, was ein Mensch ist, also von seinen Eigenschaften, was er qua seines Menschseins überhaupt leisten kann usw., sind aber dann notwendig, wenn man Gesellschaftsutopien entwickelt, Rechte formuliert und es um die Anwendung von Strafe geht. Denn die ausschlaggebende Frage ist, auf welcher Grundlage man das tut - auf der Basis des so sein Sollens oder der Basis des so Seins. Diese Frage war vor ein paar Jahren im Rahmen der Hirnforschung ein aktuelles Thema, als es um die spannende Frage nach dem freien Willen ging.
Ihre Frage, was für mich der existierende Mensch ist, habe ich hoffentlich somit auch beantwortet?
Beste Grüße Angelia
Liebe Angelia, "der Mensch ist eine Utopie" ist eine verdichtete Formulierung, die man nach meinem Urteil in bestimmten Sprechsituationen, nicht in allen, vollkommen regulär verwenden darf. Der Satz ist ähnlich gebaut wie "Afghanistan ist eine Zeitbombe". Da dürften Sie nicht antworten: Nein, Afghanistan ist eine Tatsache. Sondern nur, daß Sie dem Satz nicht zustimmen, was etwas ganz anderes ist.
Wenn von Widersprüchlichkeit die Rede ist, würde ich noch weitergehen und sagen, mindestens so "widersprüchlich", wie daß der Mensch eine Utopie sei, ist der, daß er eine Tatsache sei. Denn die Frage, was d e r (!) Mensch ist, ist gleichbedeutend mit der Frage, was er gewesen sein wird. Und das ist noch gar nicht entschieden, weil er noch nicht am Ende seines Weges ist. Wenn mich meine biologischen Minimalkenntnisse oder besser -weltsichten, von Kenntnis kann kaum die Rede sein, nicht trügt, dann kann man durchaus sagen, was z.B. ein Affe "tatsächlich ist", und zwar deshalb, weil wir wissen, was sich aus ihm entwickelt hat, ohne noch Affe zu sein, d.h. weil wir die Grenze und damit den ganzen Begriffsumfang des Affen kennen. Auf jeden Fall wäre in dieser Weise von Neandertalern und den verschiedenen Präsapiens-Formen zu reden, einfach weil es sie gar nicht mehr gibt. Diese Früh- und Vormenschen sind zu puren Tatsachen geronnen, weil sie tot sind. Nicht so "der Mensch".
Übrigens gilt das auch für jeden einzelnen noch lebenden Menschen. Niemand kann z.B. von sich sagen "Es ist eine Tatsache, daß ich kein Lügner bin", selbst wenn er noch nie gelogen hat, aber auch nicht, glücklicherweise, "Ich bin ein Pechvogel", "ein Mann, den Frauen nicht mögen" und so weiter. In diesem Sinn b i n i c h keine Tatsache, obwohl ich auch eine Tatsache bin.
Ich hatte ursprünglich schreiben wollen "Der Mensch ist noch nicht fertig" und habe mich dann für die Zuspitzung entschieden. Auf jeden Fall hat sie eine, wie ich finde, interessante Diskussion ausgelöst.
Lieber Michael,
Menschenrecht als linke Utopie verhandelt, gerät leicht unversehens in das beunruhigend kabbelige Gebirgsmassiv Fahrwasser der Bildung einer „Menschenrechts Ecclesia“, die täglich die Gläubigen aller religiösen Farben per Glockenschlag und -klang zu Gebeten herbei lockt, das Menschenrecht, ohne Sinnen und Trachten bestehendes Menschenrecht einzuklagen, in hymnisch himmlisch Eschatologiescher Gnade des Menschenrechts als Unbesicherte Utopie „UU“ anzurufen?.
Tschüss
JP
Siehe dazu:
www.freitag.de/community/blogs/joachim-petrick/auf-gehts-in-weltweite-ruecksichten!
09.07.2010 | 17:09
Auf geht’s in weltweite Rücksichten!
serie:menschenrechte
Menschenrecht, die unveräußerliche Keimzelle unserer Weltwirtschaft?
Menschen-, Tier-, Pflanzen- , Elementen- Recht, die unveräußerliche Keimzelle unserer Weltwirtschaft?
Eine Antwort auf Michael Jägers Freitags Artikel:
www.freitag.de/kultur/1027-schluss-mit-r-cksichtslos
Serie:Menschenrechte | 07.07.2010 11:05 | Michael Jäger
Hallo Herr Jäger
Im Rahmen des Rechts auf persönliche Selbstentfaltung darf man aber Dinge doof und stussig finden, na ja.
Vielen Dank, dass Sie meine Einwände ernst nehmen und mich nicht reflexartig abbügeln.
beste Grüße Angelia
Liebe Angelia, dieser Kommentar von Ihnen hat sich mit meiner Antwort weiter oben überkreuzt. Dem, was Sie hier schreiben, stimme ich natürlich vollkommen zu. Es ist auch sehr wichtig, diese Dinge immer wieder zu betonen. Ja, ein Mörder ist auch ein Mensch. Aber sehen Sie, das war ja gerade der Ausgangspunkt meiner Überlegungen: Der Mörder ist ein Mensch und sein Opfer ist ein Mensch und beide haben Menschenrechte. Der Ausdruck "Menschenrechte" bezieht sich aber auf einen Begriff "des" Menschen, von dem wir somit feststellen, daß er in den Antagonismus von Mörder und Mordopfer sich spaltet. Oder von Patriarch und unterworfener Frau, Millionär und Verhungernden usw. Ich meine nun, weil man den Begriff Menschenrechte nicht vom Begriff "des" Menschen trennen kann, dem er seine Emphase verdankt, und ohne diese Emphase wäre er gar nichts (nur positive Gesetze und pragmatische Überlegungen blieben übrig, z.B. ob Folter nicht unter Umständen doch notwendig ist, oder man Flugzeuge abschießen dürfen muß, um Terroranschläge zu verhindern), aus diesem Grund handelt man sich mit ihm, dem Begriff Menschenrechte, auch die Frage nach der weiteren Entwicklung jener Antagonismen, und ob sie überwunden werden können, ein.
Da haben Sie auch wieder recht. Ich reagiere nur so, weil hier in der Community so viele Debatten in Schlägereien ausarten. Aber wenn ich das nun gerade bei weinsztein feststelle, trifft es sicher den Falschen. Ich wünsche mir eben nur, daß wir alle gemeinsam "den Anfängen wehren". Also nichts für ungut, lieber weinsztein!
Liebe Angelia, nun bin ich noch Ihrem Link gefolgt und habe das Papier übr Popper und Hans Albert gelesen. Ich finde wenig an ihm auszusetzen. Es ist ja ein Plädoyer f ü r Utopien, wenn sie r e a l i s i e r b a r sind. Es stellen sich demnach Fragen von der folgenden Art: Angenommen, es gibt wirklich einen Zusammenhang zwischen besonders schlechter Menschenrechtslage in bestimmten Weltregionen und unsolidarischer Weltwirtschaftsordnung, halten wir die Schaffung einer solidarischen Weltwirtschaftsordnung für realisierbar oder nicht?
Ich möchte noch eine Bemerkung machen, die über unser Thema "Menschenrechte" hinausgeht. Sie haben "in Anbetracht der Dekade allgemeiner Orientierungslosigkeit [...] eine kritische Einstellung gegenüber Zukunftsvisionen". Das ist verständlich, aber darin liegt auch eine Gefahr. Orientierungslosigkeit heißt, es scheint keine Ziele mehr zu geben, jedenfals kennt man sie nicht mehr oder noch nicht wieder. Darauf mit einem generalisierten Mißtrauen gegen Zielformulierungsversuche reagieren, heißt sich in den N i h i l i s m u s noch weiter hineinsteigern. Ich denke, daß wir uns hier einig sind, aber man muß diesen Punkt betonen, damit wir keine Mißverständnisse fördern. Kritisch sind wir gegen u n r e a l i s i e r b a r e Zukunftsvisionen, und wir sind f ü r Visionen, die den jeweils "nächsten Schritt" betreffen, das sagt ja auch Popper.
Genau so habe ich es gemeint, danke.
Ich stimme Ihnen zu. Wir verstehen "Utopie" nicht als ein Sollen (da hat Angelia recht, s.o.), sondern als etwas, das sein kann, möglich ist; als mögliche Antwort auf Fragen, die sich stellen. Daß Menschenrechte so etwas wie "Menschengemeinschaftsrechte" sind, ist dann richtig, wenn "der" Mensch, wie Marx schreibt, ein "Ensemble gesellschaftlicher Verhältnisse" ist. Nur den Satz, daß es immer die Linken waren und sind, die die sich stellenden Fragen erkennen, wage ich zu bezweifeln. Ich denke, alle großen Linken haben sich auf die Schultern von Rechten gestellt, Marx z.B. auf die Schultern von Hegel, Bloch und Adorno verdanken Nietzsche viel usw. Sie haben alle ihren Beitrag geleistet.
Gut, dass Sie die Leistungen der „Nichtlinken“ würdigen, ich schrieb allerdings nicht, dass es immer die Linken waren und sind, die die sich stellenden Fragen erkennen. Ich schrieb:
„.......aber für angemessener hielte ich es, wenn man einfach konstatierte, dass die aufgeklärte Linke seit jeher die evolutionären Erfordernisse erkannt und ihre Verwirklichung unterstützt hat. Und genau das sollte die Linke weiterhin tun.“
Ich habe den Text von Holz gelesen und finde ihn unsäglich dumm. Das betrifft nicht die Frage, wie er zu dieser oder jener Aussage Blochs steht. Aber dieser Herr Holz, wahrlich ein Gespenst der Vergangenheit, glaubt doch tatsächlich immer noch, er spreche im Namen "des Marximus" und könne von daher ex kathedra beurteilen, worin Bloch sich nur scheinbar für marxistisch hält und worin nicht. Was für ein Schwachsinn! Und vor allem: Was für eine primitive M e t a p h y s i k , von einem Mann, der sich über "den Platonismus" erhaben dünkt! An die Stelle des Platonisms tritt bei ihm der Glaube, daß "die marxistisch-leninistische Partei der Arbeiterklasse", die, wie man genau weiß, nur die Partei eines kleinen Segments der Arbeiterklasse war, ein privilegierter Ort der Erkenntnis sei, von dem aus er sogar noch heute sprechen kann, obwohl es sie gar nicht mehr gibt. Naja, vielleicht gibt es sie ja noch, ich habe mich das schon manchmal gefragt. Jedenfalls: Mit so einem Mann würde ich mich nicht darüber unterhalten, ob er Bloch "richtig" bewertet. Ich glaube, ich würde ihm nicht mal die Hand schütteln.
Der Unterschied zwischen Holz und Bloch ist, daß Holz den Marxismus mithilfe sehr alter Philosophien aufzuschlüsseln versucht, so der Widerspiegelungslehre und der Philosophie von Leibniz, die er übrigens in einen recht originellen Zusammenhang bringt, während Bloch das auch tut, aber sehr viel weiter geht, nämlich bis in die Jetztzeit, d.h. bis zu Nietzsche, von dem er viel gewinnt, und Heidegger, zu dem er eine Alternative bietet.
Okay, dann habe ich das falsch gelesen.
ich finde es müßig, festzustellen (herauszufinden), ob die aufgeklärte linke seit jeher oder nicht oder nur halb. nach meiner erfahrung finden sich menschenrechte überall, auch in der arabischen charta der menschenrechte und auch in den märchen der aborigines und auch in den zornigen reden des propheten Amos.
ich halte es daher für dringend nötig, geschichte der menschenrechte zu lehren/lernen. und die beginnt da, wo auch immer privilegien bestritten wurden.
aber aber lieber Michael,
wer wird denn gleich in die Luft gehen,
kaufe lieber..
ja was denn?,
ein Stückgut Recht auf Meinungsfreiheit, die gerade darin besteht, eine Meinung als solche gelten zu lassen, auch wenn diese in sich als Ach unter ihrem Dach einen iausgemachten Irrtum trägt!
tschüss
JP
Gott lebt oder der Wille zur Solidarität (Nächstenliebe), die Umwertung der Werte des Sozialdarwinismus
Friedrich Nietzsches „Wille zur Macht“ war seine Konsequenz, dass für ihn Gott tot ist. Die Ablehnung aller Moral und ethischer Wertemaßstäbe. Das wirkt bis heute, obwohl wir uns bereits in einer Umbruchszeit befinden. Ein Belohnungssystem für asoziales Verhalten spült die Asozialen nach oben und zerstört die Gesellschaft.
Die Deregulierung der Finanzmärkte entspricht in etwa der Abschaffung des Strafrechts und der Sanktionierungsmöglichkeit gesellschaftlich zerstörerischen Verhaltens im sozialen Bereich. Raub, Mord und Totschlag werden toleriert und nicht mehr bestraft, sondern den Tätern der rote Teppich ausgerollt. Asoziales Verhalten wird belohnt, wie bei Insolvenzverwaltern und Insolvenzrichter (Karstadt-Insolvenzverwalter bekommt mehr als 50 Millionen), wie bei Anwälten und Juristen, die wie Hyänen und Aasgeiern bei Prozessen voll zulangen, wie bei Großspekulanten, die Firmen zerstören und Volkswirtschaften beschädigen und glauben, ihr riesiges Vermögen aus Blutgeld sei besonders anerkennenswert, wie bei „Beratungsgesellschaften“ wie Berger und Co., die gesunde Firmen über die Klinge springen lassen, ausschlachten und die Arbeiter auf Hartz4 schicken, wie bei den Bankern, die ihre Verluste auf die Steuerzahler abschieben und dafür enorme Provisionen einstreichen, wie bei Managern, die ihre Unternehmen an die Wand fahren und für diese „Leistung“ Prämien von mehreren Millionen Euro dafür erhalten, während die Mitarbeiter zu Hartz4 Bettlern erniedrigt werden. Dass all diese Asozialen mehr Geld verdienen als Unternehmer, die etwas nützliches für die Gesellschaft leisten und dabei ihren Kopf und Kragen riskieren, als Ärzte, von denen die meisten unter hohem Stress Menschenleben schützen und retten, als alle anderen Handwerker, Putzfrauen, Pflegekräfte, Polizeibeamte etc., die mit ihren Dienstleistungen die Werte dieser Gesellschaft erarbeiten, dass stört mich. Doch unsere Politiker stehen auf der Seite der Asozialen und fördern dieses asoziale Spiel aktiv durch ihre Gesetzgebung, ihr Volk ist ihnen egal, denn sie sind ebenfalls Profiteure dieses asozialen Systems. Und sie blockieren das Anti-Korruptionsabkommen, um sich selbst Straffreiheit zu sichern und sie verhindern Transparenz, um ihre Sebstbedienung zu vertuschen. Genau hier können Journalisten diese asozialen systemischen Strukturen durch eine Umwertung ändern. Strukturelle und systemische Verstösse gegen die Menschenrechte (sittliche Sollnorm oder rechtsverbindliche Mussnorm?) aufdecken und anprangern, und nicht nur bei offener Gewalt.
Nun ja, Rahab, es geht in dem Beitrag von Michael ja auch um eine linke Utopie - um linke Perspektiven. Verwirklichung der Menschenrechte und der Demokratie sehe ich für die aufgeklärte Linke ganz oben auf der ToDo-Liste. Und das natürlich in allen gesellschaftlichen Bereichen.
Selbstverständlich sind es nicht nur Arbeitsfelder der Linken, sondern aller Demokraten, Menschenrechtler, Christen usw.
Hallo Angelia,
ich darf Sie hiermit versichern, Sie haben nicht nur:
„Ihre Frage, was für mich der existierende Mensch ist, habe ich hoffentlich somit auch beantwortet?“
tatsächlich beantwortet, sondern nebenbei kolossal kollateral auch geklärt welchen Geistes das Menschenrecht auf Meinungsfreiheit seiner Natur nach wirklich ist.
Eine Meinung hat man/frau ja nicht erst dadurch, dass andere sie gelten lassen, sondern dadurch, das diese geäußert wird, gleich wie genial, klar hier, verworren, gestört, verstört da, sie daherkommen mag..
Die Psychoanalytische Bewegung der Zwanziger Jahre des Zwanzigsten Jahrhunderts bestand im Kern darin, von der Kita über die Schule, Werkbank, Lehre, Wehrpflicht, bis zur UNI, von der Wiege bis zur Bahre, Meinungsäußerungen, wie Ausscheidungen, gleich welcher Art volksmedizinisch als „Goldplättchen“, in der Annahme eingehend zu verhandeln, dadurch, allseitig eine heilsam psychohygienische Wirkung auszulösen.
An der Gesellschaft liegt es, dafür z. B. über die Ressourcen des Staate, aber nicht nur, Sorge zu tragen, dass Meinungsäußerungen nicht zu Lasten des Rechts auf Meinungsfreiheit als Menschenrechts auf Gesundheit Dritter Schaden nimmen.
tschüss
JP
Hallo derendingen,
wenn Gott tot ist, wie Friedrich Nietzsche in seinem Werk „Wille zur Macht“ nahe legt, haben wir Grund, gläubig oder nicht- gläubig, nicht nur gemeinsam Trauer über den Verlust Gottes zu empfinden sondern Verantwortung für die Abwesenheit Gottes zu übernehmen.
Das kann z. B. durch den Aufbau einer weltweit lokal wirkenden Verantwortungs- und Achtsamkeitskultur geschehen.
Tschüss
JP
Hallo Rahab,
interessante Aspekt, allen voran nicht die Religionen, Kirchen bei der Durchsetzung der Menschenrechte aus der Pflicht und Verantwortung der Mitgestaltung dieser Durchsetzung zu entlassen. Danke!
tschüss
JP
@derendingen
Genau . Ein sehr gelungener druckvoller Kommentar. Die Akteure dieses Systems verstoßen permanent gegen Menschenrechte und Grundgesetz. Das wird viel zu wenig thematisiert....
ich sach ma so: menschenrechtsarbeit - toller titel! - geschieht ohne großen bahnhof. obwohl ab und zu ein bißchen presse dabei/dazu hilft.
Beim allem Verständnis dafür, daß angestauter Zorn hin und wieder denaturieren muß, um nicht zur zweiten Natur zu werden: Mit Ressentiments kommen wir in diesen entscheidenden Fragen ebensowenig weiter wie mit grotesk entstellter (um nicht zu sagen schlicht falscher) Nietzsche-Exegese.
Lieber Herr Jäger
Vielen Dank für Ihre weiteren Erläuterungen von gestern. Ich finde es auch wunderbar, dass sich eine konstruktive Diskussion ergeben hat. Ich stimme Ihnen ausdrücklich zu, die Umsetzung der Menschenrechte stellt uns immer wieder vor neue Herausforderungen, die sich einerseits aus dem Antagonismus Täter zum Opfer real ergeben. Andererseits, weil die Menschen durch ihre bloße Zugehörigkeit zur Gattung und Mensch, durch ihr bloßes Vorhandensein in der Welt zwar auf den kleinsten gemeinsamen, nunmehr unteilbaren Nenner gebracht sind, sich aber fast im selben Moment durch ihre Handlungen, die sich wahrscheinlich aus Ihren Begehrlichkeiten ergeben, voneinander trennen und unterscheiden.
Was den Nihilismus betrifft, stimme ich Ihnen ebenfalls zu. Eine fundamentale Verneinung würde bedeuten, sich der Herausforderung nicht zu stellen, (stellen zu wollen). Die Frage ist, und hier schließt sich der Kreis zu ihrem Artikel, wie machen wir das, wie werden wir mit den Herausforderungen fertig.
Ich meine, Orientierungslosigkeit ergibt sich aus einem Mangel an Instrumenten, wie ein funktionierendes Wertesystem und Maßstäbe, die realisierbare Ziele erst als solche erkennbar machen, damit man sie sich setzen kann.
Popper schreibt dazu:
„Arbeite lieber für die Beseitigung von konkreten Missständen als für die Verwirklichung abstrakter Ideale.“ und
„Das Elend ist konkret, die Utopie abstrakt.“
Konkrete Missstände haben sie in Ihrem Artikel aufgezeigt.
Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass in einer kritischen Grundhaltung die Gefahr liegt überkritisch zu sein und man sich mit keinem Plan zur Umsetzung von Zielen wirklich anfreunden kann. Man muss schon selbstkritisch sein können, um angemessen kritisch zu sein. Sogar gegenüber der eigenen Anhängerschaft der eigenen Grundhaltung.
Bestes Beispiel: Frau Merkel Sie hat aus Poppers/van Hayeks Philosophie ihren Politikstil zum Selbstzweck, zu Gunsten einiger Weniger und zu Lasten der Gesellschaft perfektioniert. Da muss man erst mal hinterkommen! Ein Hammer nicht wahr.
Es gibt wirklich nichts, was sich nicht zum Zweck instrumentalisieren lässt. Auch die Menschrechte nicht. Aus diesem Grund bin ich sehr glücklich über Ihren Artikel aber auch skeptisch, wenn man Menschenrechten eine politische Richtung geben will. Aber, da stimme ich Ihnen ausdrücklich zu, es gibt m.E z.Z neben der Idee der Demokratie keine bessere Basis als die Menschenrechte, um eine zukunftsfähige Vision mit realistischen Zielen zu entwickeln. Wenn Linksorentierte Menschen das schafften, wäre es ein großer Schritt in die m.E richtige Richtung.
Vielen Dank für die anregende Diskussion.
Und mit besten Grüßen Angelia
Joachim Petrick
"An der Gesellschaft liegt es, dafür z. B. über die Ressourcen des Staate, aber nicht nur, Sorge zu tragen, dass Meinungsäußerungen nicht zu Lasten des Rechts auf Meinungsfreiheit als Menschenrechts auf Gesundheit Dritter Schaden nimmen."
Jeder sollte lernen, Meinungsäußerungen für sich als sinnvoll oder nicht sinnvoll bewerten zu können. Die Gesellschaft hat höchstens dafür Sorge zu tragen, dass man die dafür notwendigen Mittel erhält. Bildung z.B. Für seine Psychohygiene ist jeder selbst verantwortlich.
D.h. man muss sich nicht mit jeder Meinungsäußerung befassen.
Der obige Artikel bringt interessante Gedankengänge zur Sprache und regt auch zum Nachdenken und Weiterdenken an.
Bei Utopien vertrete ich die Ansicht, dass gerade auch das Hinausgehen dieser über das Realisierbare ein wichtiges Potential ist. Ein großes Problem in unserer heutigen Zeit ist die postulierte alternativlose Sachzwangpolitik, also das extreme Eingrenzen der wahrzunehmenden Realität durch einen Scheuklappen- und Tunnelblick. Utopien sind das Gegenteil dessen.
»Denn auf lange Sicht wird der Schutz des Menschen, der zum Opfer werden kann, nur durch die Verwandlung des Täters in einen Menschen erreicht.«
Täter und Opfer sind Menschen. Menschen werden leichter zu Tätern, wenn sie ihren Opfern das Menschsein absprechen. Opfer werden leichter zu Täteropfern, wenn sie ihrerseits den Tätern das Menschsein absprechen.
»Sicher spricht das nicht gegen die Legitimität kurzzeitiger Zwangsmaßnahmen; aber solche etwa in Afghanistan durchzusetzen, ist schwer.«
Ich zitiere aus der Broschüre Der Linken 'Bundeswehr raus aus Afghanistan!', Kapitel 'Krieg bringt keinen Frieden', wo wiederum Malalai Joya zitiert wird: »Die Geschichte beweist, dass keine Nation eine andere befreien kann. Es ist die Pflicht unseres eigenen Volkes und liegt in seiner Verantwortung, für seine Freiheit zu kämpfen und Demokratie herbeizuführen. Die Menschen anderer Länder können uns dabei nur eine helfende Hand reichen.«
Malalai Joya ist eine engagierte und couragierte Politikerin, Frauenrechtlerin und Kriegsgegnerin aus Afghanistan, und laut dem Büchlein Der Linken 'Den Krieg beenden - Frieden für Afghanistan!' die wichtigste Ansprechpartnerin der Linksfraktion in Afghanistan ist.
Ein bisschen Zorn muss sein – so lange er nicht in Hass um schlägt. Den Begriff Asoziale, fand ich in dem Beitrag etwas zu inflationär eingesetzt. Ich würde da ganz drauf verzichten. Nietsche ? Egal.
Die Werte-Frage ist die, die auch m.E. dringend ansteht.
Wir bräuchten endlich mal einen allgemeinen, freien, konstruktiven Wertediskurs – m.E. Voraussetzung für eine funktionierende Demokratie.
Ein schönes Zitat, das du da bringst thinktankgirl:
»Die Geschichte beweist, dass keine Nation eine andere befreien kann. Es ist die Pflicht unseres eigenen Volkes und liegt in seiner Verantwortung, für seine Freiheit zu kämpfen und Demokratie herbeizuführen. Die Menschen anderer Länder können uns dabei nur eine helfende Hand reichen.«
Die meisten Menschen in Deutschland (ca75% ?) wollen sich nicht in die Geschicke anderer Völker einmischen und wollen selbstverständlich auch nicht, dass sich andere Völker in ihre Angelegenheiten einmischen.
Etwas anders verhält es sich wahrscheinlich, wenn es um die uneigennützige Unterstützung demokratischer Bewegungen in anderen Ländern geht. Die internationale Solidarität. Die wird sich wohl erst dann mehrheitlich entwickeln, wenn sich hier ein umfassendes demokratisches Bewusstsein breit gemacht hat, Demokratie zum Alltag gehört und als Garant menschenwürdiger Verhältnisse geschätzt wird.
Hilfe darf m.E. nur gewährt werden, wenn sie von ehrenwerten Leuten für ehrenwerte Ziele angefordert wird.
Oh, sorry Red Bavarian!!!!!!!!!!!!!!!
thinktankgirl hat auch die Katze im Profilbild
>>Täter und Opfer sind Menschen. Menschen werden leichter zu Tätern, wenn sie ihren Opfern das Menschsein absprechen.
Oder wenn sie nicht darüber nachdenken, ob eine von oben verordnete Definition nicht auch gegen sie selber gerichtet sein kann.
Beispiel: Der synthetische Antagonismus zwischen den noch-Tarifangestellten und ihren natürlichen Feinden, den Arbeitslosen...
>>Opfer werden leichter zu Täteropfern, wenn sie ihrerseits den Tätern das Menschsein absprechen.
Oder wenn sie glauben, sich nicht wehren zu können, zum Beispiel weil sie sich in Pseudointeressengruppen aufsplittern lassen.
Ursprünglich wollte ich ja noch zuwarten, bis die angekündigte Reihe zu den Menschenrechten abgeschlossen ist. Allerdings bin ich, insbesondere nach Art und Anlage der hiesigen Kommentare, davon überzeugt, daß ein Fazit schon jetzt zu ziehen wäre, auch wenn es sicherlich ziemlich unerfreulich ausfallen dürfte.
Im Vorsatz zum Artikel steht eine Frage: »Was kostet scheinbar nichts und wird von Politikern bei jeder günstigen Gelegenheit „angemahnt“? Antwort: Die Menschenrechte.«
Exakt so ist es, und Herr Jäger hat (wie immer) kluge Bemerkungen zum Thema gemacht — aus meiner Sicht allerdings vergebens, denn der Kern der Sache blieb bislang außen vor.
Zunächst einmal sollte man sich vergegenwärtigen, daß »Menschenrechte«, als Konzept und Diskursgegenstand, unmittelbare Folge der hergebrachten Natur- und Vernunftrechtslehren sind (sie teilen ja denselben Grund, nämlich das Bedürfnis nach über-positiven Gründen dafür, weshalb und wie weit Recht gilt), weshalb für Argumentationen dieser Art auch dieselben kritischen Einwände geltend zu machen sind:
• Sie verwenden unbestimmte Ausdrücke, die bestimmte Gefühle hervorrufen sollen, aber nichts Genaues bedeuten oder von vornherein unlogisch sind (begrifflich sind »soziale Rechte« genau wie »Menschenrechte« eine Tautologie).
• Sie definieren eine Unbekannte durch eine andere.
• Sie vermischen Definitionen und Theoreme.
• Ihr Zweck ist im wesentlichen, möglichst stark die Gefühle zu bewegen, um die Person, an die sie sich richten, zu einem bereits feststehenden Ziel zu lenken.
Das sind mitnichten Einreden gegen die Ausführungen von Herrn Jäger, sondern treffen auf alle mir bekannten Menschenrechtsdiskurse jeder Provenienz zu, was, wie erwähnt, daran liegt, daß sie alle einem gemeinsamen Schoße entstammen; was für den gilt, trifft natürlich auch seine Sprößlinge.
Menschenrechtsdiskurse liefern keine Informationen, sondern höchstens Konfusionen, und sind von daher völlig sinnlos, weil sie den grundsätzlichen Zusammenhang verschleiern, daß Recht immer nur sein kann, was Person A der Person B gegenüber als als solches Einschätzt. Das Problem auf eine höhere Ebene (Gott, Natur, Vernunft usw.) zu transponieren vertagt diese Erkenntnis allenfalls, trägt aber überhaupt nichts zum Erkenntnisgewinn bei.
Insofern wäre schon viel gewonnen, würde man endlich anerkennen, daß sich Menschenrechte in gar keiner Weise von allen anderen Rechten unterscheiden. Das Recht auf körperliche Unversehrtheit unterscheidet sich kein Gran von, etwa, einem Mietvertrag über eine Wohnung: Im letzteren Falle einigen sich (mindestens) zwei Menschen darüber, Wohnunraum zu überlassen sowie den Mietzins zu entrichten, im ersten Fall einigen sich (mindestens) zwei Menschen darauf, einander keine körperliche Gewalt anzutun.
Das war's. Mehr ist's nicht. Wohlfeile Diskurse über Menschenrechte sind das, was die Arbeitswerttheorie für den Marxismus ist: blanker Unsinn, den niemand braucht und der lediglich vom Wesentlichen ablenkt.
" D.h. man muss sich nicht mit jeder Meinungsäußerung befassen."
Wohl wahr:
befassen oder lassen ist hier die Frage!?
tschüss
JP
Einige Einsichten und Gedanken nach der Lektüre der vorherigen Kommentare:
Ein Recht ist immer eine Vereinbarung zwischen mindestens zwei Menschen.
Das natürliche Recht gibt es nicht – außer das Recht des Stärkeren.
Es gibt aber Verhaltens-Wünsche an die Mitmenschen einer Gemeinschaft.
Die meisten Verhaltens-Wünsche, die ein Mensch hat, hat jeder Mensch - können also als allgemeine Wünsche angesehen werden.
Einige Beispiele:
Der Andere soll mir mit Respekt begegnen.
Gewaltfreiheit nicht nur auf der körperlichen Ebene.
Wenn ich frei sein will, so muss ich frei sein dürfen - niemand soll ohne meine Erlaubnis über mich bestimmen.
Wenn ich mit jemandem Handel treibe, so muss er fair sein – gerecht.
Der andere soll mir ehrlich und offen in seinen Absichten gegenübertreten.
Der Mitmensch soll mich und meine Gesundheit nicht durch sein Handeln gefährden.
etc
Das sind natürliche Ur-Verhaltens-Wünsche in einer sozialen Gemeinschaft – wahrscheinlich von allen (manchmal im Verborgenen) gewollt. Aber daraus ergibt sich noch kein Rechtsanspruch. Der kann sich erst ergeben, wenn die Mitglieder einer Gemeinschaft sich darauf einigen allgemeine Verhaltens-Wünsche zur Pflicht und zum Recht zu machen.
Das Problem ist, dass heute viele von ihren Mitmenschen oder einer Gemeinschaft mehr erwarten, als sie selbst bereit sind zu geben bzw zu unterlassen.
Daher wäre es m.E. angebracht die gewünschten Werte eines gemeinschaftlichen Zusammenlebens allgemein und ergebnisorientiert zu erörtern und die Vorteile, die sich aus ihrer allgemeinen Einhaltung ergeben, herauszustellen. Und die sind enorm. Der „Preis“ den jeder dafür zahlen muss ist allein der, die allgemeinen vereinbarten Werte (die auch überwiegend seine sind) anzuerkennen und sich danach zu verhalten. Als Hilfsleitspruch das alte Sprichwort: „Was du nicht willst, was man dir tu, das füg auch keinem andern zu.“
Letztlich geht es m.E. darum, dass die Menschen selbst sich artikulieren und die Frage beantworten: „Wie wollen wir hier leben“ - und da wir in einer Demokratie leben, sie sich auf ihre Rolle als politikbestimmender Souverän besinnen.
M.E. kommen wir um ein freies und konstruktives Bürgerbrainstorming nicht herum. Das ist längst überfällig. Auf Vieles können wir uns als Bürger schnell einigen und die Politiker als unsere Dienstleister in die Pflicht nehmen.
Die Unterscheidung, oder wenigstens die Andeutung einer Unterscheidung von "Bürgerrechten" und "Menschenrechten", hat mir sehr gut gefallen.
Aber überhaupt kann es meiner Ansicht nach keine universalen Menschenrechte geben. Ein 'Recht' ist ja immer kodifiziert und letztlich eine Vereinbarung, die Aspekte des gesellschaftlichen Lebens regeln und möglichst einen Ausgleich in Konfliktsituationen ermöglichen sollen.
Wenn die Gesellschaftsform eine andere ist, ist auch das Recht anders. Wenn, sagen wir jetzt mal, "uns" eine Gesellschaftsform nicht passt, ist es im Grunde hinfällig, deren Rechtsauffassung als schlecht, falsch oder gar nicht vorhanden zu geißeln.
Wenn "wir" nun unsere westlichen 'Bürgerrechte' als universal erklären, so ist das ein unmöglicher Zustand, der implizit erklärt, diese Rechte hätten sich nicht entwickelt, und zwar unter bestimmten Vorraussetzungen, sondern hätten irgendwo am Baum gehangen, man habe sie bloß zu lange übersehen und irgendwann gepflückt.
Staaten, die intervenieren, um "die Menschenrechte" zu stützen oder zu ermöglichen, setzen sich nicht nur einem "Imperialismusverdachts" aus; nein, das ist Imperialismus. Recht kann nicht einfach transferiert werden genausowenig wie ein vermeintliches Naturrecht (auch das wäre aber ein erklärtes) geeignet sein könnte, Gesellschaften der heutigen Zeit zu organisieren.
Am besten sollte man 'Recht' vielleicht als stets dynamisch begreifen; entstehen und sich verändern kann es sich nur aus den Gegebenheiten des jeweiligen historischen Entwicklungsstandes eines Landes, Staates oder Gesellschaft.
@Axiom
Etwas missverständlich dahingebrabbelt die beiden ersten Zeilen. Für den Rest des Textes eigentlich auch nicht so wichtig ....
Mit „Recht des Stärkeren“ meine ich:
Der Stärkere - ein Einzelner Machthaber, ein Teil oder auch die Mehrheit einer Gemeinschaft - kann bestimmen, was als Regel (als Recht) angesehen und eingehalten werden soll. Die, die Macht ausüben, schaffen das definierte Recht. Und in einer Demokratie ist es die Gemeinschaft.
„Es gibt also ein Recht auf Solidarisierung; das ist, finde ich, ein guter Ausgangspunkt.“
Genau. Dieses Recht sollte unbedingt genutzt werden.
Etwas missverständlich dahingebrabbelt ....
Damit meinte ich die beiden ersten Zeilen meines Beitrages auf den du dich beziehst.
ich finde das Zitat. das Red Bavarian gibt, nicht so geglückt: »Die Geschichte ... keine Nation ... befreien ... Pflicht ... unseres ... Volkes ... Verantwortung, ... Freiheit ... kämpfen ... Demokratie« Zusammengeschmolzen stehen da also die Versatzstücke der Kritik, die eben betont, daß d i e Geschichte eben noch nicht zu ihren Begriffen gekommen ist, sie verwirklicht hat, sondern dieselben Begriffe doch wohl eher die Ideologie einer befestigten Welt sind.
So kann ich den Optimismus von Fro gar nicht verstehen. Und die LINKE, die ich immerhin wähle, auch nicht.
Na da hab ich dann einmal eine Frage an möglicherweise hier versammelten Rechtsverstand:
In
Artikel 14 der Erklärung der Menschenrechte durch die UN heißt es:
1. Jeder hat das Recht, in anderen Ländern vor Verfolgung Asyl zu suchen und zu genießen.
2. Dieses Recht kann nicht in Anspruch genommen werden im Falle einer Strafverfolgung, die tatsächlich auf Grund von Verbrechen nichtpolitischer Art oder auf Grund von Handlungen erfolgt, die gegen die Ziele und Grundsätze der Vereinten Nationen verstoßen.
Nach meinem Verständnis dieses Artikels stellt die Asylrechtsaushöhlung des Art. 16a GG in seiner Neufassung einen eindeutigen Verstoß gegen die Charta (Art. 14) und dort zusätzlich gegen
Artikel 30
Keine Bestimmung dieser Erklärung darf dahin ausgelegt werden, daß sie für einen Staat, eine Gruppe oder eine Person irgendein Recht begründet, eine Tätigkeit auszuüben oder eine Handlung zu begehen, welche die Beseitigung der in dieser Erklärung verkündeten Rechte und Freiheiten zum Ziel hat.
dar. Die Neufassung von Art. 16a GG bindet die Nichtgewährung von Asyl ausdrücklich an politische Gründe, nicht aber an objektiv festgestellte Straftatbestände, die Strafverfolgung zu Folge hätten, was nach Art.14, Abs. 2 UN-Charta die einzige Klasse von Gründen wäre die die Verweigerung des Asylrechts , bzw. Abschiebung rechtfertigen würde.
Art. 14, Abs. 1 UN-Cahrta billigt dem Asylsuchenden das Land seiner Wahl zu und gibt ihm das Recht dort Asyl "genießen" zu können, nicht nur das Recht sein Recht prüfen zu lassen, um es dann aus politischen, nicht rechtsstaatlich Strafverfolgung auslösenden Gründen zu verweigert zu bekommen.
So wird aus dem Menschenrecht auf Asyl im deutschen und EU-Recht eine schlechte Utopie gemacht, oder irre ich mich?
axiom zitiert Fro:
"Das natürliche Recht gibt es nicht – außer das Recht des Stärkeren. "
und meint dann: "Es gibt also ein Recht auf Solidarisierung; das ist, finde ich, ein guter Ausgangspunkt."
Also, zur Bildung der Menschenrechte gehe ich von einem anderen Punkt aus: Zunächst einmal von der verifizierbaren Feststellung, dass der Mensch in der Welt vorhanden ist. Die nächste Frage die sich dann zwangsläufig aufdrängt ist: Wer ist dieser Mensch überhaupt?
Der Mensch will leben, existieren, weil er, wegen seines Überlebenstriebes, gar nicht anders kann als überleben zu wollen. Deshalb müssen bestimmte überlebensnotwendige Bedürfnisse befriedigt werden. Der am. Psychologe Abraham Maslow hat dazu eine Bedürfnisspyramide entwickelt, die die Prioritäten der Bedürfnisse aufzeigt:
An erster Stelle stehen körperliche Existenzbedürfnisse: Atmung, Schlaf, Nahrung, Wärme, Gesundheit, Wohnraum, Kleidung, Sexualität, Bewegung.
Das macht ja auch im Zusammenhang mit dem Überlebenstrieb Sinn. Daraus kann man ein erstes Grundrecht des Menschen ableiten. Und da jeder Mensch als Zweites ein Bedürfnis nach Sicherheit hat, hat er kein Interesse daran, das Recht des Stärkeren gelten zu lassen. Menschen akzeptieren auch aus diesem Grund Regeln und Gesetze, die übergeordnet, d.h. über ihre egoistischen subjektiven Bedürfnisse stehen. Selbst wenn sie sie, des eigenen Vorteils wegen brechen.
Solidarität ist kein Recht, sondern lange Zeit schlicht eine Notwengigkeit gewesen. In der Gruppe hatte man einfach bessere Überlebenschancen und da Menschen auch als Drittes soziale Bedürfnisse haben, nach Liebe Intimität und Kommunikation, haben sie sich zu sozialen Wesen entwickelt, die eben auch die Schwächsten immer mit durchs Leben geschleppt haben.
(Auch die Spieltheorien zeigen, dass Kooperation/Solidarität auch heute noch die langfristig erfolgreichste Überlebenstragtegie ist. Das heißt, dass egostisches Verhalten zu Lasten der Gruppe von der Gruppe aus sich heraus langfristig nicht geduldet werden wird. usw. )
Was sich damit sagen will ist, Menschenrechte und auch Rechtsentwicklung kann immer nur dann sinnvoll und akzeptabel sein, wenn es gelingt, den Bogen zum Menschen und seinen Bedürfnissen zurückzuschlagen.
Gut, schwieriger wird es, wenn es um Anerkennungsbedürfnisse, (Wertschätzung, Status, Respekt) und Selbstverwirklichungsbedürfnisse geht. Aber hier steht eben die Frage im Raum, ob der Einzelne und eine Mehrheit es duldet, dass diese Bedürfnisbefriedigung zu Lasten und auf Kosten anderer geschehen darf.
Ich glaube, wenn man Menschenrechte diskutiert, bleibt einem, wegen der Komplexität, manchmal nichts anderes übrig, als vom Ursprung her immer wieder neu zu denken und Komplexität zu reduzieren.
Gute Nacht
@axiom schrieb am 15.07.2010 um 23:10
Danke für die Antwort,
aber mein Problem war nicht, dass das neue Asylrecht 16a GG das Asylrecht auf politische Gründe einschränkte (das tat der alte bedingungslose Artikel 16, Abs. 2, Satz 2 auch), sondern politische, nicht strafrechtliche Gründe hat, um zu rechtfertigen, dass der Asylsuchende, obwohl er keiner Strafverfolgung zu entfliehen sucht, sondern aus politischen Gründen die BRD als Asylland auswählt, abgeschoben werden kann in ein Drittland, von dem "angenommen" wird, es schützte ihn genauso, wie die BRD, da er über dieses versucht hat, in die BRD zu gelangen. Es ist dabei zudem nicht ausgeschlossen, dass es dann zu einer Kettenabschiebung kommen könnte und überhaupt kein Asyl mehr "genossen" werden könnte.
"Über diesen Umweg", der mir gegen den Geist und Wortlaut der UN-Charta zu handeln scheint, ist dem neue Asyllrecht im GG praktisch fast jede Schutzwirkung genommen worden.
@ axiom am 16.07.2010 um 01:12
Sie beschreiben mit der - wenn auch von Ihnen zunächst persönlich nicht so bezeichneten - politisch-ökonomischen "Last" genau den politischen Grund für die Aushöhlung des deutschen Asylrechts, der als solcher nicht von der UN-Charta gedeckt ist.
Als einer der reichsten Staaten der Erde sollte Deutschland zudem sich als Einwanderungsland bekennen und darauf hinwirken, dass die Asylgründe in den Herkunftsländern nicht mehr gegeben sind. Wer einen Asylsuchende erzeugenden Krieg in Afghanistan für viel Geld führt, der sollte nicht davon reden, er könnte als ""Top"-Asylstaat" die "Last" der Asylanten, die Sie, Axiom, dann doch wieder in Ihre eigenen Darstellung der Dinge einführen, nicht tragen.
Dem letzten Absatz Ihre Postings muß ich ganz entschieden widersprechen: Die linke Utopie besteht nicht darin, hoffend "anzunehmen", dass jedes Land als Asylsuchende Schützendes bezeichnet werden könnte, sondern darin, die Gründe von, die Beduingungen für Asylsuche eben beseitigt zu sehen.
@ axiom schrieb am 16.07.2010 um 02:19
Das war jetzt missverständlich.
Das ist es mir immer noch, beser es ist mir unverständlich:
Eine Utopie, die "möglich", d.h. also verwirklicht ist, ist keine Utopie mehr.
Die Utopie ist immer die Formulierung einer Hoffnung im Trotzdem (Bloch); deshalb kann es nur heißen:
"... linke Utopie besteht darin, hoffend "anzunehmen", ....,"
Ihren letzten Satz
Den Unterschied macht die Kontrolle der Umstände, die ja, wie Jäger ausführt, zum Alibi von Machtinteressen werden kann, aber nicht soll.
verstehe ich überhaupt nicht, da mir nicht klar ist welchen Unterschied wo zwischen sie meinen und wie eine (welche?) "Kontrolle der (welcher?) Umstände" "zum Alibi von Machtinteressen (wessen?) werden kann", dass müssten Sie schon einmal präziser erklären.
P.S.: Meine Frage nach der Unvereinbarkeit von UN-Charta und Grundgesetz hinsichtlich des Asylrechts blieb übrigens inzwischen auf der Strecke.
@ axiom schrieb am 16.07.2010 um 15:36
Da müssen Sie sich entscheiden, bevor ich antworten kann.
Ich schrieb ursprünglich am 16.07.2010 um 01:51 Uhr
Die linke Utopie besteht nicht darin, hoffend "anzunehmen", dass jedes Land als Asylsuchende Schützendes bezeichnet werden könnte, sondern darin, die Gründe von, die Beduingungen für Asylsuche eben beseitigt zu sehen.
wobei das "hoffend" weiter gelten sollte für den Charakter der von mir als links benannten Utopie im zweiten Satzteil. Die Utopie ist mit Bloch immer nur als erhoffte denkbar.
Aus "hoffend anzunehmen" wollten Sie in Ihrer ersten Antwort an mich lieber ein "sicher anzunehmen" machen, was ich im folgenden als der Utopie nicht angemessen mehrfach zurückwies.
Ich gehe also davon aus, dass Ihnen ein Hoffen nicht ausreicht, daher die Utopie als politische Kategorie Ihnen nicht dienlich sein kann, sie eine Sicherheit des Faktischen(??) brauchen, um politisch zu argumentieren.
Insofern entscheide ich mich für "... linke Utopie besteht darin, hoffend "anzunehmen", ....," und erwarte gespannt Ihre Antwort.
P.S.: Das alles heißt nicht, dass mir empirisch zu erhebende Tatsachen gleichgültig seien, stünden Sie der Utopie entgegen.
@ axiom schrieb am 16.07.2010 um 19:13
Das ist doch dasselbe.
Ich glaube nicht das es "dasselbe" ist, ob ich als Deutschland "annehme", dass Polen ein sicheres Drittland sei - selbst, wenn dem so sei -, oder sich darum kümmerte, dass ein "Erstland" wie Pakistan oder Sudan keine Asylsuchenden mehr "produzierte". Die erste "Annahme" ist eine politische Zweckannahme, die bei gänderten politischen Verhältnissen, leicht geändert würde, während letztere auf die grundsätzliche Änderung der Verhältnisse im Sinne von Selbstbestimmung und menschenwürdigen Bedingungen sowohl im Herkunftsland als im Eigenen Land im Blick hätte. Von daher setzte ich annehmen auch deshalb in Anführungszeichen, weil ich deutlich machen wollte, dass es hier nicht nur um eine Annahme (= man weiß es nicht sicher) von Ungesichertem handelt, sondern um das Annehmen (= Übernehmen) einer Aufgabe, die noch zu lösen ist (= Inhalt der Utopie).
In die Diskussion über "kann oder sollte" mich hineinzudenken, fällt mir schwer. Ich kann nur beitragen, daß mir die deutsche Abschiebepraxis auch höchst problematisch zu sein scheint, in der Tat vor allem wegen der Gefahr der Kettenabschiebungen. Man kann der Bundesrepublik vielleicht wirklich nicht zumuten, alle Flüchtlinge der ganzen Welt aufzunehmen. Wohl aber könnte man ihr zumuten, die Kettenabschiebung unmöglich zu machen. Dafür müßte sie die Mittel haben. Wenn sie Flüchtlinge nur unter der Bedingung abweisen kann, daß Kettenabschiebung droht, darf sie nicht abweisen.
Sonst war mir noch aufgefallen, daß es nicht reicht, wenn ein Staat selber nicht Menschenrechte verletzt, er muß auch verhindern, daß andere es auf seinem Gebiet tun.
Als Anfang der 90er Jahre der Asylartikel des GG ausgehöhlt wurde, sind wir hier im Freitag Sturm gelaufen, besonders gegen die SPD, die mitgemacht hat, und fanden, daß der damalige Parteivorsitzende Engholm ganz zu Recht bald danach seinen Hut nehmen mußte. Es hat damals eine ungute Entwicklung begonnen, und noch heute stößt man ständig auf diesen Fragenkomplex, Stichwort "Residenzpflicht" oder die Praxis der Abfertigung am Flughafen.
auaua! meines wissens wollen garnicht alle flüchtlinge dieser welt nach deutschland. und es kommen auch garnicht alle flüchtlinge hier an, noch nicht mal durch!
also: bevor auf dem gebiet utopien diskutiert werden, sollte vielleicht erst mal festgestellt werden, was tatsächlich der fall ist.
von dem, was der fall ist, ist die residenzpflicht das geringste der probleme (obwohl für betroffene residenzpflicht alles andere als lustig ist). das hauptproblem besteht darin, dass sich die wenigsten vorstellen können, was alles politisch motivierte verfolgung ist/sein kann bzw. woran diese anknüpft - manchmal schon daran, dass wer atmet oder lacht. davon, dass nicht nur in der theorie sondern auch im wirklichen leben armut sehr viel mit politik zu tun hat, haben auch nur die wenigsten mal was gehört....
und, noch ein kleiner hint zur zeitgeschichte: die 'ungute' entwicklung hierzulande begann, als die BRD (west-deutschland) in die vertrackte lage kam, nicht nur aufrechte anti-kommunisten aus dem ostblock sondern auch irgendwie linke studenten aus Griechenland und , schlimmer noch, richtig linke aus Chile als asylberechtigte anerkennen zu müssen. als sich um diesselbe zeit auch noch der indische subkontinent auf die socken machte (aus guten gründen), da war das maß voll. also auch das 'boot'. seitdem, also seit mitte der 70-ger jahre, wurde an Art.16 GG rumgeknabbert, erst im verordnungs-, später im gesetzeswege und am ende mit einer kleinen GG-änderung.
Du hast ja recht. Ich habe nur versucht, die Diskussion zwischen Theel und axiom zu verstehen.
weiß ich doch. aber meine déformation professionelle, die konnte das so nicht stehen lassen.
Worin besteht denn das Problem? Vielleicht kann man das noch mal sagen?
@ Michael Jäger schrieb am 17.07.2010 um 20:39
Worin besteht denn das Problem? Vielleicht kann man das noch mal sagen?
Lieber Herr Jaeger,
die ursprüngliche Frage habe ich in meinem Kommentar vom 15.07.2010 um 15:48 Uhr formuliert und mehrfach in dem Dialog mit axiom versucht zu entfalten.
Im Kern handelt es sich um das (völkerrechtliche?) Problem, ob die Neufassung in Art. 16a GG mit Ihrer politischen Begründung "das Boot ist voll" den Asylzufluß zu stoppen nicht gegen die UN-Carta verstößt indem sie den ursprünglichen Art. 16, Abs. 2, Satz 2 aus politischen Gründen änderte, d.h. das Asylrecht verschlechterte, ein Menschenrecht verkürzte, wo alleine, wenn überhaupt strafrechtliche Gründe dafür hätten herhalten könnten?
Axiom scheint mir auf darauf in seinem Antwortversuch nicht wirklich eingegangen zu sein, so dass die Frage noch offen steht.
Mich würde eine Klärung hier sehr interessieren.
mfg
ut
@ Michael Jäger schrieb am 17.07.2010 um 20:39
Worin besteht denn das Problem? Vielleicht kann man das noch mal sagen?
Lieber Herr Jaeger,
die ursprüngliche Frage habe ich in meinem Kommentar vom 15.07.2010 um 15:48 Uhr formuliert und mehrfach in dem Dialog mit axiom versucht zu entfalten.
Im Kern handelt es sich um das (völkerrechtliche?) Problem, ob die Neufassung in Art. 16a GG mit Ihrer politischen Begründung "das Boot ist voll" den Asylzufluß zu stoppen nicht gegen die UN-Carta verstößt indem sie den ursprünglichen Art. 16, Abs. 2, Satz 2 aus politischen Gründen änderte, d.h. das Asylrecht verschlechterte, ein Menschenrecht verkürzte, wo alleine, wenn überhaupt strafrechtliche Gründe dafür hätten herhalten könnten?
Axiom scheint mir auf darauf in seinem Antwortversuch nicht wirklich eingegangen zu sein, so dass die Frage noch offen steht.
Mich würde eine Klärung hier sehr interessieren.
mfg
ut
der rechtsverstand kann u.t's frage mit ja und mit nein beantworten. die ja-antwort (verstößt) findet sich beispielsweise in der begründung der verfassungsbeschwerde zum sog. asyl-komporomiß - die nein-antwort(verstößt nicht) findet sich in der dazugehörigen entscheidung des BVerfG.
Gut, und worin besteht axioms Problem? "Nicht in der Zahl der Asylsuchenden", sondern ... ?
@ axiom
ist ja auch kompliziert
@ Rahab schrieb am 17.07.2010 um 21:15
der rechtsverstand kann u.t's frage mit ja und mit nein beantworten.
So isset imma mit den Rechtsvastand. Jäb`s doch´n Linksvastand.
Na, jetzt hat doch jede(r) von uns ein schönes Schlußwort gehabt. Axioms letzte Bemerkung führt übrigens in ein weiteres wichtiges Feld: Bei "Asylrecht als internationale Aufgabe" fällt mir ein, was in gewissen linken Kreisen als "Globale soziale Rechte" diskutiert wird. Das hatte ich in meinem Beitrag ausgespart, ist aber wichtig, das diskutieren wir ein anderes Mal.
Ebenfalls interessant für die Serie über Menschrechte könnte die Diskussion um das "Recht auf Stadt" sein,
deren Wandlungen seit den 60er Jahren bspw. von
Margit Mayer [Das "Recht auf die Stadt", in Forum Wissenschaft 1/2009]
www.bdwi.de/forum/archiv/archiv/2380971.html
und Andrej Holm [„Recht auf Stadt“ – Mehr als ein guter Slogan?, in hEFt für Literatur, Stadt und Alltag, Juni 2010]
gentrificationblog.wordpress.com/2010/07/07/recht-auf-stadt-mehr-als-ein-guter-slogan/
dargestellt werden.
Aktuelle städtische Protestbewegungen, die gegen die neoliberale Hegemonie eigene Ansprüche an die städtischen Entwicklungen formulieren, beziehen sich in unterschiedlicher Weise auf dieses Konzept, das wohl erstmals in den '60er Jahren von Henri Lefebvre formuliert wurde.
was ist eigentlich der unterschied zwischen "WSK-Rechten" (wirtschaftlich-sozial-kulturell) und "globale soziale Rechte" - außer dass in letzteren die worte wirtschaftlich und kulturell nicht vorkommen?
Das Konzept der Globalen Sozialen Rechte (GSR) verweist auf eine (aktuelle) Diskussion in der Globalisierungsbewegung, die auf die Initiierung eines politischen Projekts zielt, während der Begriff der WSK-Rechte auf den bestehenden und von vielen Staaten ratifizierten UN-Sozialpakt und die dazugehörigen Institutionen (wie bspw. den UN-Auschuss über WSK Rechte) verweist.
In der Diskussion um GSR werden vor dem Hintergrund des veränderten Sozialen der globalisierten Welt (Stichworte sind hier bspw. Postfordismus/Neolliberalismus) Fragen nach veränderten gesellschaftlichen Praktiken und Lebensformen gestellt, aus denen sich dann (neue) Rechte ableiten. Oder umgekehrt: die Forderung nach GSR zielt auf eine Organisation des Sozialen, die über bestehende Formen hinausweist.
Einen ersten Eindruck von der Diskussion bekommt man auf der Seite „Kritischer Bewegungsdiskurs“ (www.bewegungsdiskurs.de/; vgl. auch die Textsammlung auf ebendieser Seite: www.bewegungsdiskurs.de/html/texte_gsr.php) und auf der „Plattform der Initiative für Globale Soziale Rechte“ (www.globale-soziale-rechte.de/index.php?id=4).
aha.
und WSK weist nicht über "bestehende Formen" hinaus?
danke für die links.
Es ging mir bei dieser Formulierung um das auch in Michael Jägers Text im Abschnitt 2 und 3 angesprochene Problem, dass Menschenrechte auch die universelle Geltung bestehender sozialer "Formen" festschreiben.
Zitat Jäger:
"Der Soziologe Alex Demirovic hat es am Beispiel der Europäischen Sozialcharta gezeigt: Diese „verwendet mehrfach die Ausdrücke Arbeitnehmer und Arbeitgeber, Koalitionsrecht, Erreichung der Vollbeschäftigung, Familie als Keimzelle der Gesellschaft etc. Da damit der Anspruch auf universelle Geltung erhoben wird, werden bestimmte gesellschaftliche Praktiken und Lebensformen, der heutige Notzustand auf alle Ewigkeit festgeschrieben.“ Die Frage, „ob die damit versprochene Lebensweise mit ihrer Notlagen erzeugenden Dynamik nicht selbst problematisch ist“, wird nicht gestellt."
Die Perspektive der globalen sozialen Rechte begreift „Recht“ und „Sozialpolitik“ also in einem "weiten" Sinn. Nicht als Kompensation bestimmter Effekte des gegenwärtigen Sozialen in rechtlicher Form, sondern als politisch-rechtliche Teilhabe aller am Sozialen einer Gesellschaft. Eine solche Perspektive zielt also auf die Transformation des Sozialen und des Politischen und schließt damit an Konzepte radikaler Demokratie oder sozialistische Programmatiken an, versucht diese aber vor dem Hintergrund der gegenwärtigen gesellschaftlichen Transformationen zu reformulieren.
Danke stado. Ich hätte auch auf die Seite "Bewegungsdiskurs" verwiesen, wo sich übrigens, unter "Presse", auch ein Artikel von mir über die GSR findet. Im übrigen sind da die Thesenpapiere zu einer Vortragsreihe über GSR veröffentlicht, darunter das von Demirovic, aus dem ich hier zitiert habe. (Demirovic selbst kann leider an unserer Freitag-Serie aus Zeitgründen nicht teilnehmen.) In diesen Papieren nun zeigt sich, daß nicht zuletzt auch über das Verhältnis der Begriffe "Menschenrechte" und "GSR" diskutiert wird, ziemlich kontrovers.
Wenn ich es richtig begriffen und in Erinnerung habe, schließen GSR ein Recht auf eigenmächtige Aneignung der Rechte ein, auch der sozialen, und werden insofern als "militantes" Konzept verstanden.
noch mal aha. habe wohl ab und zu schon mal militant gearbeitet ohne es zu wissen. macht nichts - das ist schließlich die herausforderung im beruf der rechtsanwenderin.
Naja, bei GSR ist es eben so, daß die Militanz schon im Begriff enthalten ist. Insofern hat der Begrff vielleicht sogar etwas mit der Debatte oben mit j-ap zu tun. GSR sind Rechte, die von keinem höheren Wesen herrühren und von denen man zwar fordert und zu erreichen versucht, daß Staaten sie kodifizieren, die man sich aber abgesehen davon "selbst herausnimmt". Und noch einmal, das soll man ja gewiß auch bei Menschenrechten tun, aber hier liegts schon im Begriff. Ich finde, das ist gar nicht die Frage, ob GSR etwas anderes sind als Menschenrechte, das sind sie nicht (obwohl manche das glauben, diejenigen, die schon den B eg r i f f Menschenrechte für deren imperialistischen Mißbrauch verantwortlich machen), sondern ob sie dem Menschenrechtsbegriff zusätzliche Nuancen verleihen (was wiederum andere bestreiten).
Muß jetzt aus dem Haus, bis morgen, tschüs.
Liebe Rahab, lieber Michael Jäger,
ich würde GSR als einen Versuch deuten, bestimmte für soziale Bewegungen positive Effekte im Menschrechtsdiskurs zu erzielen. Insofern stellt meine Deutung des Begriffs natürlich bereits eine Position in der Debatte dar.
Etwas Ähnliches (und auf diese Autoren wird ja in der Debatte auch Bezug genommen) haben Anfang/Mitte 2000 bspw. auch Hardt/Negri (die in Empire drei "Rechte der Multitude" formulieren) und Etienne Balibar (in seinem Buch "Sind wir Bürger Europas?" spricht er von den "Baustellen der Demokratie") versucht. Dabei geht Balibar davon aus (ähnlich aber auch Hardt/Negri im Empire), dass die im Zusammenhang mit den Transformationsprozessen der Globalisierung stehende gegenwärtigen Relativierung des national-sozialen Staates durch supra-nationale politisch-ökonomische Einheiten, die gleichzeitig die staatlichen Integrationsmechanismen der sozialen Konflikte auf erweiterter Ebene reproduzieren und dabei systematisch die Mechanismen der Ungleichheit und internen Exklusion verstärken, eine Weiterentwicklung bzw. Überschreitung der gegenwärtigen sozialen Staatsbürgerschaft nötig machen. Das ist aber nur im Rahmen der Neuerfindung einer Politik von unten möglich, die jenseits des national-sozialen Staates operiert. Denn es genügt weder, die sozialen Rechte auf nationaler Ebene einfach zu verteidigen, noch die bereits vorhandenen Institutionen unverändert auf die supranationale Ebene zu übertragen, um die grundlegenden Widersprüche des national-sozialen Staates zu überwinden (bzw. um diese nicht auf höherer Ebene zu reproduzieren).
Diese Überlegungen Balibars scheinen mir den Ausgangspunkt für die Debatte um GSR (und die sich daraus ergebenden Schwierigkeiten) recht gut zu charakterisieren.
Da ich gerade nicht viel Zeit habe, kopiere ich noch schnell einige (eigentlich viele zu lange) Absätze aus einem Text zu GSR in den Kommentar, den ich vor einiger Zeit zusammen mit einem Freund für einen Sammelband schrieb, der jedoch nie erschien (im Mittelteil sind Passagen zu Hegemonie, Gouvernementalität, Postfordismus/Neoliberalismus gekürzt). So wird vielleicht deutlich, welche Aspekte der Debatte mir interessant bzw. weniger interessant erscheinen. In unserem Text nimmt das Paar Aktivierung-Passivierung in Institutionen gewissermaßen den Platz des von Dir (Michael) angesprochenen Begriffs der Aneignung ein.
Globale soziale Rechte zwischen sozialen Kämpfen und Hegemonie
In dem vorliegenden Beitrag wollen wir die in der linken Diskussion der letzten Zeit zirkulierende Forderung nach „Globalen Sozialen Rechte“ zum Anlass nehmen, um über das Verhältnis von linker Politik und Fragen der Institutionalisierung nachzudenken. Dass dieses Verhältnis hoch problematisch ist, deutet sich in einem Gespräch des argentinischen Colectivo Situaciones mit dem italienischen Philosophen Paolo Virno an, wenn Virno sagt, er glaube nicht, dass der Begriff ausschließlich „zum Vokabular des Gegners gehört“ (Colectivo Situaciones / Virno 2006: 9). Institutionen, so heißt es weiter, seien „Rituale, mit denen wir versuchen, die Krise einer Gemeinschaft abzuschwächen und zu lösen“ (ebd.). Diese sind also nicht per se abzulehnen oder zu verabsolutieren („Verstaatlichung“), sondern es kommt auf ihre innere und äußere Struktur an, auf die in ihnen sedimentierten sozialen Praktiken und Kompromisse. Aufgabe dieses Beitrags ist es, in Anlehnung an Virno, sich der Herausforderung zu stellen „im Einzelnen herauszufinden, welche Institutionen sich jenseits des im Staat verkörperten 'politischen Entscheidungsmonopols' setzen“ (ebd.).
Anstatt nun im Namen eines „ursprünglich Guten“, das sich angeblich in der Multitude verköpert einem naiven Anti-Etatismus das Wort zu reden, wollen wir darüber diskutieren, welche Kriterien man aufstellen müsste, um zu prüfen, welche Art von Institutionen, welche Art von staatlichen Apparaten man anzustreben bereit ist. Die Forderung nach Globalen Sozialen Rechten, wie sie aus dem attac-Umfeld und vielen anderen Nicht-Regierungsorganisationen erhoben werden, thematisiert die Frage der Institutionalisierung sozialer Kämpfe indem sie Form (Recht) und Geltungsbereich (global) dieser Institutionalisierung adressiert. Sie artikuliert damit aktuelle Kritiken an der traditionellen Fassung der „sozialen Frage“ - bleibt dabei jedoch unbestimmt. Wir wollen diese Unbestimmtheit nicht zum Ausgangspunkt für die Konstruktion eines worst case scenarios nehmen, sondern die Probleme einer solchen Forderung anhand einiger Überlegungen aus der Hegemonietheorie diskutieren. Dies erscheint uns auch deshalb plausibel, weil die breite Rezeption und Akzeptanz der Formel von den Globalen Sozialen Rechten auf dessen übergreifende und formierende Funktion für die Linke verweisen könnte. Allerdings wollen wir uns dabei auf eine Lesart von Hegemonie stützen, die diese als Modus von Führung begreift, indem also Formen von Passivierung und Aktivierung zueinander ins Verhältnis treten. Nach unserer Überzeugung sind dies die Parameter, anhand derer sich heute der Stellenwert von Institutionen für Emanzipation untersuchen lässt.
[…]
Aus der bisher entwickelten Perspektive erscheint die Forderung nach Globalen Sozialen Rechten nicht geeignet, um eine adäquate Reaktion auf die von uns skizzierten gesellschaftlichen Veränderungen darzustellen. Fokussieren Rechte nicht zu sehr auf den Staat und die Staatsform und stellen sie nicht eine Zurückdrängung der Sphäre der Zivilgesellschaft dar? Ganz wie der Staat stellt auch das Recht aus der Perspektive einer hegemonietheoretisch informierten Staatstheorie eine spezifische Artikulationsfläche sozialer und politischer Kämpfe dar. Einerseits entsteht durch die Übersetzungsarbeit ins Recht eine relative Autonomie, eine rechtliche „Existenzweise“ (vgl. Maihofer 1992; Buckel 2007). Andererseits ist die Autonomie, ebenso wie beim Staat, Ausdruck von Klassenkompromissen. Auch wenn in der Rechtsform der bürgerliche Anspruch, den allgemeinen Willen zu repräsentieren zum Ausdruck kommt, ist das Recht auch eine Artikulationsfläche für die Subalternen. Das Recht ist damit die Bewegungsform für das Ensemble gesellschaftlicher Widersprüche auf einem historisch bestimmten Niveau. Rechte können aktivierend sein, wo sie der Formierung der Subalternen zu einer Gruppe dienen und passivierend, wenn sie sie isolieren und vereinzeln.
Ein gutes Beispiel für eine solche Passivierung stellt sicherlich die Verrechtlichung angesichts der Erosion der sozialstaatlich institutionalisierten Kompromisse dar. Sergio Bologna betont in seiner Arbeit über die neuen Selbständigen, in denen er „freie Arbeiter“ sieht, dass für diese eine Politik sozialer Kämpfe nicht mehr die von Forderungen in Kollektiv-Verhandlungen, sondern auf der Ebene von Gerichtsentscheidungen angesiedelt sind. Diese Verrechtlichung der Repräsentation der Arbeit hat tiefgreifende Konsequenzen für die möglichen Formen der Organisierung und der Kollektivität überhaupt. Das bürgerliche Vertragsrecht, auf dessen Terrain sich ein großer Teil der „sozialen Frage“ der selbständigen Arbeiter abspielt, trägt dazu bei, dass diese eigentlich eher prekarisierten ArbeiterInnen sich dem Neoliberalismus anschließen: Weil die neuen Selbstständigen nur ihr individuelles Recht durchsetzen können, wird der gesellschaftliche Charakter ihrer Arbeit ausgeblendet. Denn ihr Gegenüber ist der Markt und kein Unternehmer, von dem sie etwas fordern können und weil sie somit keine sozialen Schutzbestimmungen durchzusetzen vermögen, neigen sie zu Einzelklagen vor Gericht (vgl. Bologna 2006).
Zum anderen ist die Erosion des Zusammenhangs zwischen sozialen Rechten und nationaler Staatsform von vielen politischen Akteuren in die Formel eines Rechts auf Rechte gebracht worden. Dies gilt insbesondere für die sozialen Bewegungen, die sich mit der Frage der Migration auseinandersetzen. Rechte sind in dieser Argumentation weder reduziert auf das positive Recht, noch zurückzuführen auf vermeintliche Naturrechte, sondern ergeben sich aus den konfliktiven Praxen um den politischen Raum. Das klandestine Überqueren der Grenzen Europas und die Auseinandersetzungen um die Durchlässigkeit der Grenzen, die MigrantInnen innerhalb und außerhalb dieser Grenzen führen, macht die MigrantInnen in gewisser Weise bereits zu „Bürgern“ insofern sie teilhaben an der gemeinsamen – wie auch immer konfliktuellen – Produktion und Reproduktion der Institutionen (vgl. Karakayali/Rigo 2007). Diese „biopolitische“ Bürgerschaft gründet sich in der Beobachtung, dass die Grenzen und der Raum, den sie organisieren, auf eine Regierung der Zirkulation gründet, in die die Praxis der Migration konstitutiv eingeschrieben sind: Das Moment der Einheitlichkeit eines politischen Raumes (wie des europäischen) lässt sich nicht in einer formalen Kontinuität finden, es ist vielmehr in der Materialität jener begründet, die den Raum durchqueren. Mit dem „Recht auf Rechte“ wird eine Strategie verfolgt, die auf dieses konstitutive Moment anspielt. Sie zielt darauf ab, die latente und prekäre „Macht“ der Subalternen, von den Apparaten stets wieder-vereinnahmt, zu institutionalisieren und damit zu stabilisieren.
Die Perspektive der globalen sozialen Rechte sollte also in einem weiten Sinn von „Recht“ und „Sozialpolitik“ begriffen werden. Nicht als Kompensation bestimmter Effekte der kapitalistischen Produktionsweise in rechtlicher Form, sondern als politisch-rechtliche Teilhabe aller am Sozialen einer Gesellschaft. Eine solche Perspektive zielt also auf die Transformation des Sozialen und des Politischen und schließt damit an Konzepte radikaler Demokratie oder sozialistische Programmatiken an, versucht diese aber vor dem Hintergrund der gegenwärtigen gesellschaftlichen Transformationen zu reformulieren.
Die Bezeichnung der Globalen sozialen Rechte knüpft an die Frage sozialer Menschenrechte an, die in der Erklärung der Menschenrechte von 1948 kodifiziert sind. Hier werden in den Artikeln 22 bis 29 umfassende soziale Rechte proklamiert (wie z.B. das Recht auf soziale Sicherheit, Arbeit, kulturelle Teilhabe, Bildung). Dazu kommen weitere international ratifizierte Dokumente, wie z.B. der Sozialpakt von 1966 oder der Pakt zur „Beseitigung jeder Form der Diskriminierung der Frau“ von 1979 (vgl. Köhler 1987, Fritzsche 2004). Das in der Diskussion um globale Rechte oftmals von „Bürgerrechten“ oder von einem „Weltbürgerrecht“ Bezug genommen wird, verweist auf das Problem, dass soziale Menschenrechte sich nur in Form von (staatlich garantierten) Bürgerrechten materialisieren. Die Menschenrechte bilden also vor allem einen Bezugspunkt für verschiedene Apparate, Institutionen und auch Bewegungen, aus dem bestimmte Forderungen, Handlungen und Interventionen abgeleitet werden (können). Die Frage der institutionellen Garantie von Rechten ist auf globaler Ebene nicht gelöst. Das Einfordern globaler Rechte macht also eher auf das Problem der Bindung der sozialen Rechte an den nationalen Bürgerstatus aufmerksam, als dass es eine Lösung formuliert.
Dies verweist auf eine weitere Schwierigkeit. Die Kämpfe um das Soziale können und sollten nicht nach dem Modell einer „globalen“ Transformation des Sozialen gedacht werden. Zwar haben sich zahlreiche internationale und transnationale Institutionen und Apparate herausgebildet, die durchaus eigene (wohlfahrtsstaatliche) „Programmatiken“ entwickelt haben. Diese haben aber nicht die Funktion eines Weltstaates, sondern wirken eher über die Regulierung von Rahmenbedingungen z.B. für den entstehenden globalen Markt für sozialpolitische Leistungen, den Wettbewerb zwischen verschiedenen Wohlfahrtsstaaten oder über die Einflussnahme auf grundsätzliche sozialpolitische Entscheidungen (Diskurs über die Individualisierung der Verantwortung) auf die regionalen und nationalen Institutionen zurück (vgl. Deacon 2003). Die Kämpfe werden also um die konkrete Ausgestaltung der jeweiligen regionalen und nationalen Institutionen und deren institutionellen Traditionen geführt werden, ohne dabei die globalen Interdependenzen vernachlässigen zu können. Insofern werden die Kämpfe um Globale soziale Rechte maßgeblich durch die Unterschiede zwischen verschiedenen Gesellschaften, wohlfahrtsstaatlichen Regimeformen und kulturellen Traditionen geprägt werden. Wie damit umzugehen ist, wird umkämpft sein. Insofern werden immer wieder Kompromissbildungen zwischen den verschiedenen Akteuren notwendig werden.
Diese Notwendigkeit der Kompromissbildung ergibt sich jedoch nicht nur aus der (inter)nationalen Fragmentierung des Globalen, sondern auch aus der Spannbreite der Kritiken, die mit den vergangenen und gegenwärtigen Kämpfen formuliert wurden. Diese Kritiken richten sich gegen konservative, liberale und sozialdemokratische Formen des Sozialen und des Staates gleichermaßen. So stellten die Kämpfe um die Emanzipation der Frau und gegen Heteronormativität und die Kämpfe gegen exklusive Formen der Staatsbürgerschaft und den damit verbundenen dominanten Kulturen die konservativen Vorstellungen eines über die Gemeinschaftsformen Familie und Nation regulierten sozialen in Frage. In den Kämpfen gegen den „Sicherheitsstaat“ (Hirsch) standen aber auch sozialdemokratische Gleichheitsvorstellungen, die an staatlich-bürokratisch Regulierung und zentral an die (männliche) Lohnarbeit gebunden waren, in der Kritik. Im Mittelpunkt der aktuellen Kämpfe steht mit dem Begriff der „Prekarität“ eine Kritik der gegenwärtigen neoliberalen Hegemonie, die sich beispielsweise gegen Marktregulierung, individuelle Absicherungsformen und die Privatisierung von Risiken wendet.
Diese Kritiken betreffen sowohl die Form der Regulierung der Individuen und der Bevölkerung, als auch den Status der Bürgerschaft. Die Kämpfe um Globale soziale Rechte sollten also auf eine gesellschaftliche Transformation zielen, die die Vielfalt der Kritiken und Kämpfe um das Soziale aufnimmt und in den politischen Raum (unter Bezug auf die Bürgerrechte) einschreibt. Der Begriff der Biopolitik ermöglicht es unseres Erachtens, diese Vielfalt der Kämpfe im Sozialen deutlich zu machen. Denn er verweist darauf, dass es verschiedene Wissensformationen sind, die das Soziale konstituieren, eine Bevölkerung, die auf die Logiken der Arbeit, des Leben und der Sprache verweist: Die biopolitische Perspektive steht also in der Tradition des sozialistischen Projekts, insofern der Begriff auch auf eine Transformation der ökonomischen Arbeitsteilung als Vorraussetzung von radikaler Demokratie verweist, aber weit darüber hinausgeht (vgl. Pieper u.a. 2007).
Es lassen sich hier aber auch Unterschiede zu solchen Projekten markieren, die sich ebenfalls in die Perspektive einer globalen Demokratie stellen, aber passivierend wirken: Im Unterscheid zu den kosmopolitischen Liberalen, die im Hinblick auf globalen Rechte die Frage ihrer Legitimität in den Mittelpunkt stellen und partikulare Machtzentren verpflichten wollen, dem demokratischen Recht Geltung zu verschaffen, sollte die Bezugnahme auf Rechte zur Repolitisierung des nationalen politischen Raums und seiner Öffnung führen. Dies kann aber nur durch Kämpfe um den Bürgerstatus, also die Einforderung der Teilnahme und damit auch der Veränderung der bisherigen Figur des Bürgers geschehen.
Im Unterscheid zu Ansätzen der global governance, die Politik vor allem als Lösung technischer Probleme (wie Umweltverschmutzung, Migration) definiert, die im biopolitischen Raum der Bevölkerung über spezifische Mechanismen oder Programme bearbeitet werden können, sollten die biopolitischen Kämpfe an die Erfahrungen der bereits existierenden „familiale[n] oder kommunitäre[n] Netze gegenseitiger Hilfe, die zum Teil sogar transnational operieren [… anknüpfen], die für eine „Globalisierung von unten“ ebenso unverzichtbar sind wie die Erfahrungen, die in den Migrationsbewegungen gesammelt wurden. Hinzuzurechen ist hier der in den letzten Jahren im Norden wie im Süden rapide gewachsene Sektor der von parastaatlichen oder privaten Einrichtungen geleisteten sozialen Arbeit, der auch humanitäre Hilfe einschließt. Nimmt man die primär auf gegenseitiger Hilfe basierenden Formen der informellen mit den gemeinwesenorientierten Formen der sozialen Arbeit zusammen, zeichnet sich das weite Feld einer solidarischen Ökonomie ab, deren Stärkung gegenüber der privatwirtschaftlichen oder staatsverwalteten Ökonomie vorrangiges Ziel einer Demokratisierung der Arbeitsteilung sein muss.“ (medico international 2004: 6)
Die Dreigliederung des Begriffs der der Globalen sozialen Rechte macht die Schwierigkeiten deutlich, die bei der Formierung eines Projekts gegen den Neoliberalismus zu erwarten sind: Während die Bürgerrechte auf den politischen Charakter verweisen, der vor dem Problem steht, im globalen Raum zu agieren, verweist das Soziale auf die Ebene der Bio-Politik, die nicht mehr (rein) national verstanden werden kann. Es geht also um ein hegemoniales Projekt, dass eine (Neu-)Konstruktion des Sozialen (incl. der Macht- und Selbsttechnologien im Sinne Foucaults), als auch der politischen Gemeinschaften auf die Tagesordnung setzt, ohne dieses Spannungsverhältnis zu einer Seite hin aufzulösen.
@ axiom schrieb am 18.07.2010 um 22:22
So genannte "Bootvoll" Argumente erkenne ich in dem Artikel 16a nicht, und dass jemand, der aus einem Land kommt, in dem er nicht verfolgt wird, keine Asylgründe im Sinne der Charta vorweisen kann, ist auch nachvollziehbar.
Das tut mir leid für Sie, aber der alte Art.16 wurde genaus nund einzig aufgrund des "Bootvoll-Argumentes" jn den neuen 16a geändert und hat auch genau das gewünschte Ergebnis gebracht: Dramatisch gesunkene Zahlen anerkannter Asylbewerber.
Die von Ihnen angeführte "Kettenabschiebung" kann auch in anderer Richtung stattfinden, indem anerkannte Asylanten zu einer Weiterreise in andere Länder "überredet" werden.
Dazu hätte ich mal konkrete Beispiele in signifikanter Zahl genannt, oder meinen Sie die Residenzpflicht und die Arbeitsbeschränkungen für anerkannte Asylbewerber; das alles und noch mehr meinschenunwürdige Schikanen, die gibt es allerdings schon und das ist ebenso mit dem "Bootvoll-Argument" begründet.
hier mal ein link zu Art 16a GG dejure.org/gesetze/GG/16a.html
da steht genaugenommen drin, wer alles garnicht erst in den genuß eines asylverfahrens in der brd kommen soll bzw. wer nicht den ausgang des prüfverfahrens in der brd abwarten können dürfen soll.
konkret bedeutet das (einzelfall): der gesichtsverschleierten französin kann ich sagen, dass sie hier zwar noch mit gesichtsschleier asyl beantragen dürfte, dass dies aber ein sehr schnelles verfahren sein wird, weil EU-staat. ich kann ihr also nur raten, entweder weiterzuwandern, sagen wir nach Singapore oder Malaysia, oder aber gleich nach fronkroich zurückzukehren und den gesichtsschleier dort nur noch in den eigenen vier wänden (die sie hoffentlich noch vorfindet) zu tragen.
dies gilt auch für den gewerkschaftler aus griechenland, den/die deserteur aus USA, die genitalverstümmelte frau aus Neuseeland - kurzum für alle die, die aus ländern kommen, die entweder EU oder vergleichbar oder sonstwie auf dem papier "die Forderungen der Menschenrechte" erfüllen. oder in denen sonst aus gründen, welche nur der gesetzgeber kennt, eine politische verfolgung nicht stattfinden soll.
die sog. drittstaatenregelung und die annahme, es gäbe auch verfolgungsfreie länder, gab es auch vor der änderung des GG. nun allerdings steht dies im GG selbst, und zwar nicht nur als 'gibt es' sondern auch als 'zieht kein bzw. ein abgekürztes verfahren nach sich'.
damit ist der kreis der möglichen anspruchsberechtigten erheblich eingeschränkt. dahinter steckte (auch? nur?) die parole: das boot ist voll. das fand sich sogar ins bild gesetzt wieder, beispielsweise beim spiegel (siehe dazu hier: www.demokratiezentrum.org/themen/europa/europaeisches-bildgedaechtnis/festung-europa/abb-5-ansturm-der-armen.html). und das findet sich heute noch in dem spruch: wir können nicht alle... - zu dem immer nur gesagt werden kann: es kommen nicht alle, die meisten bleiben da, wo sie sind bzw. in der unmittelbaren nachbarschaft.
zu der annahme, ein anderswo asylberechtigter /anerkannter konventionsflüchtling genieße auch in der BRD asyl, kann ich nur sagen: pustekuchen! ihr/ihm kann sogar widerfahren, dass sie/er an der grenze zurückgewiesen wird. oder dass sie/er sich in abschiebehaft wiederfindet. gerade dann, wenn es sich um eine person handelt, welche aus dem europäischen ausland kommt, also dort anerkannt wurde.
so, nun habe ich von dem thema schon wieder rallbolle!
@ axiom am 19.07.2010 um 00:23
Freilich kann ich Ihren Salto nachvollziehen, aber es ist eben ein salto mortale, dessen inhaltliche Begründung ich aus zuvor schon ausgeführten Gründen für haltlos halte.
Ihr Kostenverteilungsmodell in allen Ehren, aber raten Sie mal, warum weder die EU noch die UN das bisher verwirklicht haben? Sie sagen Sie sind gegen die genannten Schikanen. was ich Ihnen gerne glaube, gleichzeitig aber scheinen Sie die Augen vor deren Existenz und Gründen zu verschließen.
Ansonsten verweise ich dankend auf Rahaabs Kommentar vom 19.07.2010 um 09:26 Uhr, wo ich meine Sicht der Dinge bestätigt finde.
sicher ist das thema des blogs nicht das asylrecht - aber das asylrecht ist nun mal ein prüfstein (nicht der einzige, aber ein wichtiger) dafür, wie ernst aktuell und womöglich auch in der utopie menschenrechte genommen werden, von ihrer internationalen durchsetzung nicht zu reden.
@ axiom schrieb am 21.07.2010 um 01:47
Also jetzt mal klarer Text: ...
Sorry, axiom, aber da verwirren Sie mehr, als Sie klarzustellen glauben, wenn ich davon absehe, dass Sie den Charakter linker Theorie und Praxis, wie an Ihrem letzten Postin recht klar wird, nicht wirklich anerkennen.
Eine Utopie, gerade eine linke, entwirft tatsächlich einen Hoffnung, die noch nicht erfüllt ist, da sie aber nicht unhistorisch und undialektisch sein kann, muß ihr Durchsetzungsprozess von genausolchen Diskussionen und Prozessen begleitet werden, durch diese gestaltet sein, die Sie hier so vehement ablehnen. Linke Theorie ist konkrete Utopie und Kritik der herrschenden Zustände in einem.
Ich kann mich in diesem Streit nur auf Rahabs Seite stellen. "In der Utopie" wird es zwar kein Asylrecht mehr geben, weil dieses dann überflüssig sein wird. Aber man kann ja angeben, was dann stattdessen sein wird: Ein Besuchsrecht aller Menschen auf der ganzen Erde, wie Kant es im Ewigen Frieden entwirft, und eine Inanspruchnahme desselben ohne alle Not weder des Hungers noch der Verfolgung, sondern nur aus Neugier und Kontaktbedürfnis, Brüderlichkeit und Schwesterlichkeit; außerdem eine Freiheit, zu wohnen wo man will, ohne daß es noch Fremdenhaß gäbe, und auch wieder dahin zurückzukehren, von wo man herkam, oder mal, da mal dort zu wohnen. Ja, und genau davon ist doch ein Asylrecht ein kümmerlicher Vorschein. Wenn wir es stärken, kommen wir der Utopie näher, und die Utopie leitet uns an, es zu stärken. Oder?
"Wenn wir es (das Asylrecht) stärken, kommen wir der Utopie näher, und die Utopie leitet uns an, es zu stärken. Oder?"
Ich weiß nicht Herr Jäger, reicht im Grunde nicht schon ein tiefes inneres Bedürfnis nach weniger Grausamkeit in der Welt, um sich für ein humaneres Asylrecht, für mehr Menschlichkeit überhaupt einzusetzen? Ich könnte nie wirklich glaubhaft rational begründen, warum ich mich für Frieden, Menschlichkeit und mehr Gerechtigkeit einsetze.
Kants kategorischer Imperativ hat mich nie überzeugt. Rational konnte ich diese These zwar erfassen, da logisch. Im tiefsten Inneren hat sie mich nie erreicht.
Mich widert es einfach zu tiefst an, dass Menschen ausgebeutet, misshandelt, versklavt, gefoltert und gedemütigt werden. Es tut mir weh und mich widern all diese Ausbeuter und brutalen Kriegstreiber an. Ich brauche keinen weiteren Grund und auch keine Vorstellung von einer besseren Welt.
Ohne mein Gefühl tiefster Ablehnung imhumaner Handlungen käme ich auch erst gar nicht ans Nachdenken, darüber was man wie machen kann, um zu weniger Grausamheiten und zu mehr Menschlichkeit zu kommen.
Ich frage mich auch, was für eine Art Mensch man braucht, wie soll der Mensch denn dann sein, in einer noch zu erreichenden Utopie? Darf er dann überhaupt noch Mensch sein? Muss er dann nicht Heiliger, oder zumindest Übermensch sein und kann der Mensch das überhaupt, heilig, übermenschlich sein?
Ich liebe Molière, In seinem Stück der Menschenfeind heißt es:
der größte Narr ist der der sich vermißt die Menschheit zu verändern, sie bleibt stets wie sie ist.
beste Grüße Angelia
hallo axiom
du zitierst: "Aber eine andere Weltökonomie würde viel helfen."
Eben, dass sehe ich auch so.Ayslsuchende sind ein Symptom einer Ursache X, welche z.B Herrschaftsformen sein können, die sich auch aus der Weltökonomie ergeben können.
Symptome kann man nur lindern. Will man heilen, muss man bei den Ursachen ansetzen.
schöne Grüße A.
Ich schließe mich an. Mehr habe auch ich mit der Utopie Mensch nicht gemeint. Damit scheinen wir uns doch nun einig zu sein.
ich denke, eine utopie der menschenrechte/eine menschenrechtliche utopie wäre nur dann eine, wenn sie angeben kann, wie sich im falle des konflikts die einen menschen (oder auch die utopie) gegenüber anderen, vielleicht oppositionellen, menschen verhalten/verhält.
ich denke dies deshalb, weil ich nicht sicher bin, ob mit einer anderen weltökonomie bereits alle möglichen ursachen politisch motivierter verfolgung von tatsächlich oder auch nur vermeintlich anders denkenden aus der welt geschafft wären.
@axiom
da die menschenrechte noch nicht abschließend feststehen - weder ihrem umfang noch ihrer bedeutung nach - können sie zwangsläufig das optimale verhalten noch garnicht beschreiben. außerdem: sie beschreiben auch nicht verhalten, sondern deuten an, in welche richtung dies verhalten (von menschen wie gruppen bis hin zu staaten oder anderen menschlichen zusammenschlüssen) ginge, würden menschenrechte gegenseitig allumfassend respektiert.
ich kann heute ursachen/gründe/begründungen politisch motivierter verfolgung einigermaßen genau beschreiben - ausgehend von dem, was heute ist. wie kann ich sicher sein, dass ich damit schon alle möglichen formen von macht benannt habe?
verstehen Sie mich nicht falsch! ich bin eine glühende verfechterin der idee der menschenrechte - und dennoch weiß ich nicht, ob mit der für und gegen jede/n wirksamen durchsetzung(?) der menschenrechte die utopie schon hergestellt wäre.
@ axiom schrieb am 21.07.2010 um 16:27
Werter axiom,
mich würde sehr interessieren, in welcher Weise genau sich Ihre sehr lyrische Interpretation
"Bevor Sie den Baum fällen, legen Sie dar, welche Vögel später darin nisten sollen."
auf meine Aussage
Eine Utopie, gerade eine linke, entwirft tatsächlich einen Hoffnung, die noch nicht erfüllt ist, da sie aber nicht unhistorisch und undialektisch sein kann, muß ihr Durchsetzungsprozess von genausolchen Diskussionen und Prozessen begleitet werden, durch diese gestaltet sein, die Sie hier so vehement ablehnen. Linke Theorie ist konkrete Utopie und Kritik der herrschenden Zustände in einem.
bezieht, zumal Sie Rahaabs Position und damit meiner plötzlich irgendwie doch zustimmen und in Ihrem Posting vom 23.07.2010 um 13:18 mit folgenden Sätzen wenn auch wesentlich unpräziser zur selben Aussage kommen, wenn sie schreiben
"Sicher sein kann man eben nicht und ein perfektes System gibt es auch nicht, trotzdem muss man sich ja auf den Weg machen, sonst bleibt die Utopie blosse Phantasie und kann sich auch nicht weiterentwickeln.
Ausserdem ist die Durchsetzung der menschenrechte ncht sofort auch die "Verwirklichung der Utopie", sondern nur ein Schritt dahin, wie ich oben sagte: Sie wird möglich."
Unpräziser deswegen, weil sie das Moment der Kritik der bestehenden Verhältnisse weglassen und unhistorisch und undialektisch davon unterstellen, dass Linke Theorie immer ein "sicher" zu erreichendes Idealziel eines "perfekten" Zustandes im Auge hätte, um diese Annahme gegen den linken Ansatz zu kehren.
Zudem scheinen Sie sich mit Angelia darin einig zu zu sein, dass das linke Projekt den Menschen ändern wollte, um auch dieses als Beweis für die Unmöglichkeit des Projektes zu nehmen. Ihnen beiden Sei gesagt.
Das Linke Projekt will nicht den Menschen andern, sondern die Verhältnisse unter denen er lebt.
@ Angelia am 22.07.2010 um 21:44
Hallo Angelia,
niemand wollte und sollte Dir Dein Gefürl gegen Inhumanität und Ungerechtigkeit als Triebfeder Deines Handelns absprechen, gleichwohl wundert es mich, dass eine bekennende Kritische Rationalistin hierzu keine Worte finden sollte, wenn dies auch ein Beweis sein könnte, dass diese Theorie eben eher affirmativ denn systemkritisch wäre.
Insbesondere aber muß ich Deiner, mindestens impliziten Unterstellung widersprechen, dass Linke Theorie, das Linke Projekt, den Menschen ändern wollte, gar zu einem Übermenschen oder Heiligen hin. Nichts könnte falscher sein.
Das Linke Projekt will die Verhältnisse unter denen Menschen elend leben ändern, nicht den Menschen neu erfinden. Diese Elenden Verhältnisse sind es, die bei Dir den von Dir selbst beschriebenen Abscheu auslösen, der von Dir aber bisher immer aufgehoben werden zu scheint in einer Angst vor dem Prozess, der die Umwälzung dieser elenden Zustände dienen könnte.
Es ist in der Tat derselben Mensch, der das Reich der Freihei einfordert, wie der, der die aktuelle Knechtschaft errichtet und rechtfertigt. Es sind nur verschiedene Personen, die dies tun. Die einen haben sich so, die anderen anders entschieden. So paradox es klingt genau darin liegt die Freiheit des Menschen begründet, dies zu können. Der Imperativ der linken Utopie stellt eine mögliche Entscheidung dar.
"Which Side Are You On?"
by : Florence Reece (1931)
Our father was a union man some day i'll be one too.
The bosses fired daddy what's our family gonna do?
Come all you good workers good news to you
I'll tell of how the good old union has come in here to dewll.
Which side are you on?
Which side are you on?
My daddy was miner and I'm a miner's son
and I'll stick with the union 'til every battles done.
Which side are you on?
Which side are you on?
They say in Harlan County there are no neutrals there
you'll either be a union man or a thug for J.H. Blair
Which side are you on?
Which side are you on?
Oh workers can you stand it?
Oh tell me how you can will you be a lousy scab or will you be a man?
Which side are you on?
Which side are you on?
Don't scab for the bosses don't listen to their lies
us poor folks haven't got a chance unless we organize.
Which side are you on?
Which side are you on?
Lieber Uwe
Also das Rationalste, was sich dir anbieten kann ist Folgendes:
Mich widern Grausamkeiten an - die logische Konsequenz ist, gegen Grausamkeiten zu sein und etwas dagegen zu unternehmen. Und da es genügend Grausamkeiten gibt, kann ich sofort mit meinem Engagement beginnen. Wozu soll ich mir obendrein noch ausmalen, wie es sein könnte, wenn die menschliche Welt gänzlich ohne Grausamkeiten wäre?
Oder warten, bis eine politische Linke mit ihrer Utopie fertig ist? Die mit hoher Wahrscheinlichkeit ohnehin, wie all die anderen Utopien, am Komplexitätsproblem scheitern wird. Wo liegt da der Sinn? Zumal sie, die Linke, eh nur ein Teil des gesamten Systems ist. Da schließe mich doch lieber gleich human rights watch oder AI an (die sind schon seit Jahrzehnten in Sachen Menschenrechte unterwegs) und achte auf einen menschenwürdigen Umgang in meiner Umgebung.
Wenn ich Menschen nicht verändern will, sie so akzeptieren oder mit ihnen umgehen kann wie sie nun mal sind, wozu soll ich mir dann auch eine Utopie vom Menschen ausmalen? Da gebe ich dir Recht. Zumal wir immer nur mit dem gegenwärtigen Menschen umgehen können müssen. Es gibt immer gerade keine anderen. Insofern macht es wahrscheinlich ohnehin wenig Sinn, eine Utopie vom Menschen zu entwerfen.
VG A.
@ Angelia schrieb am 25.07.2010 um 01:08
Wenn ich Menschen nicht verändern will, sie so akzeptieren oder mit ihnen umgehen kann wie sie nun mal sind, wozu soll ich mir dann auch eine Utopie vom Menschen ausmalen?
Liebe Angelia,
es geht nicht um eine "eine Utopie vom Menschen", sondern um eine "eine Utopie einer Welt für Menschen.
Wenn Du einen solche Utopie allein mit dem Argument des Komplexitätsproblems widerlegt sehen willst, dann müsstest Du dieses Argument auf den kritischen Rationalismus selbst beziehen. - Außerdem:Was könnte dann im Feld von Gesellschaftstheorie oder Politik, bzw. Ökonomie überhaupt noch bewiesen werden?
Ich glaube Du unterschätzt die Listungsfähigkeit hermeneutischer Methode und dialektischer Theorie in Geschichte und politischer Ökonomie.
Luhmann kann Bloch nicht widerlegen. Menschliche Geschichte ist nicht als kybernetisches oder informationstechnisches Modell abbildbar, daher auch nicht mit deren Methoden kritisierbar.
Lieber Uwe
„es geht nicht um eine "eine Utopie vom Menschen", sondern um eine "eine Utopie einer Welt für Menschen.“
Aber Uwe, dass hatte ich doch bereits schon vor Wochen verstanden. Obwohl der Mensch in einer Utopie ja vorkommen sollte und man sich schon fragen muss, welche Rolle ihm da so zugedacht werden soll. Ich philosophierte im 2. Abschnitt doch nur so grob über den Sinn einer Utopiebildung vom Menschen. Ich habe zwar Luhmann auch gelesen, hatte aber Dietrich Dörners Buch: Die Logik des Misslingens - im Sinn. Dieses Buch kann ich, da realitätsnah, jedem dringlichst empfehlen, der gerade an einer Gesellschafts-Utopie für den Menschen arbeitet.
Nur damit aus gut gemeint nicht schlecht gemacht wird.
Apropos Kybernetik und Mensch. Da gibt es ein herrlich interessantes Buch auch von Dietrich Dörner: Bauplan für eine Seele.
Ansonsten habe ich keine Lust auf einen Theorienstreit Bloch - Luhmann. Zumal beide ganz unterschiedliche Theorienasätze hatten. Ich bin nämlich gerade ganz praktisch in Sachen weniger Grausamkeiten unterwegs. Meine Utopie ist nämlich: Und während Villariba noch an ihrer Gesellschafts-Utopie schreibt, wird in Villabacho schon die erfolgreiche Bewältigung der weltweiten ungleichen Partizipation am Weltbruttosozialprodukt gefeiert. ;-)
@ axiom schrieb am 26.07.2010 um 01:13
lieber axiom,
es gibt keinen utopischen Menschen, man kann aber eine utopische (=hoffnungsvollere) Welt für den Menschen anstreben und bauen.
Sie sind es, der den Menschen als unveränderbar annimmt und daraus ableitet, dass es auch keine bessere Welt geben könne. Ihr Menschenbild ist einseitig, undialektisch negativ, pessimistisch.
Ich wiederhole dagegen meinen dialektische Position der Hoffnung: Da der Mensch in seiner Art sich nicht ändern läßt, aber diese Art lebende Natur gleichzeitig die Wahlfreiheit zwischen (hier z.B.) rechts und links hat, fällt die Welt entsprechend gleich schlecht und schlechter, oder anders besser aus.
Ihr Satz Da wird es nun völlig paradox, denn die Konsequenz ist, nichts und niemanden zu verändern, und dazu braucht es keine Utopie. ist vollkommen unsinning, beruht mindestens auf einem Denkfehler und ignoriert mein Argument vollkommen.
Der Mensch ist der Mensch, er wird es sein. Die Welt, in der er lebt, ist veränderbar.
Es ist nur ein scheinbares Argument, dass die Welt nicht veränderbar sei, bloß, weil der Mensch, der der selben Natur angehört, in seinen Anlagen nicht veränderbar sei. Wir ändern das Eisen auch nicht als Eisen, wenn wir entweder Pflugscharen oder Schwerter daraus schmieden.
Außerdem: Der Mensch ist bild- und erziehbar. Das ist das Pendant, wenn auch nicht das Identische zur politischen Veränderbarkeit der Welt in der wir leben.
@axiom
die menschenrechte sind ein noch unabgeschlossenes projekt - bedeutet auch: von heute aus lassen sich weder anzahl noch bedeutung noch die notwendigkeit der offensiven inanspruchnahme der menschenrechte abschließend bestimmen. auch für eine utopie nicht.
im übrigen ist mir eine utopie mit einem menschenrecht (asyl, aber andere könnten es genausogut sein), welches nicht in anspruch genommen werden muß, lieber als eine utopie, welche behauptet, dies menschenrecht sei überflüssig geworden.
Lieber axiom, ich finde, die beiden letzten Einträge von Rahab und Theel machen die Sache aber doch ziemlich klar. Die tatsächlich existierenden Einzelmenschen in ihrer Psychologie usw. sollen nicht "umerzogen" werden, in diesem Sinn streben wir nicht "den neuen Menschen" an, was ein totalitäres Projekt wäre. Aber der Mensch ist nicht nur Summe von Einzelmenschen, sondern auch, wie der junge Marx gesagt hat, ein "Gattungswesen". Der späte Marx hat deutlicher expliziert, er sei ein "Ensemble gesellschaftlicher Verhältnisse", oder so ähnlich. Zur Bestimmung dessen, was "der" Mensch in diesem Sinn ist, gehört und hat immer gehört, daß er sich gesellschaftliche Organe schafft, die sein Streben und Verhalten als empirischer Einzelmensch in Schranken halten und in bestimmte Bahnen lenken. Auf dieser Ebene gibt es eine Entwicklung und sie kann weitergehen bis zur "Utopie". Der Einzelmensch verändert sich dann irgendwie mit (wir fressen uns ja z.B. heute schon meistens nicht mehr gegenseitig auf), aber das darf niemals der Hebel sein, an dem man ansetzt, sonst landet man bei Umerziehungslagern.
Übrigens wird in der heutigen Ausgabe der FAZ ein Buch über Menschenrechte rezensiert, das wiederum den Gesichtspunkt von Utopie ins Spiel bringt (obwohl es sie hauptsächlich als historisches Faktum einer Begriffsentstehung und –verwendung thematisiert), wie ich weiter oben schon darauf hinwies, daß Habermas selbiges in einem eben veröffentlichten Aufsatz tut. Die Rede ist von Stefan-Ludwig Hoffmann (Hg), Moralpolitik. Geschichte der Menschenrechte im 20. Jh., Göttingen 2010. Dies nur, um zu zeigen, daß wir hier keine absurde Debatte führen. Man muß sie führen, und sie wird von allen geführt. Die Rezension beginnt mit dem Satz:
"Die Geschichte der Menschenrechte wird zumeist als eine Fortschrittsgeschichte vorgestellt, in der sich eine Idee, deren universellem Geltungsanspruch sich letztlich niemand entziehen kann, mit Notwendigkeit nach und nach weltweit durchsetzt."
Und sie endet mit Zitaten aus dem Buch:
"'Die Geschichte der Menschenrechte als historisch spezifische Idee umzuschreiben heißt nicht, deren Relevanz in Frage zu stellen, sondern anzuerkennen, wie wichtig es ist, weiterhin konkreter nachzufragen, was dieser Begriff bedeutet hat, was er bedeuten könnte – und für wen.' Über alle geschichtlichen Bedingtheiten, Brüche und Unvollkommenheiten hinweg bleiben die Menschenrechte dabei 'als das von allen Völkern und Nationen zu erreichende gemeinsame Ideal' selbst eine stetig auf ihre vollständige Verwirklichung drängende, geschichtsmächtige Wirkkraft.'"
@ axiom am 26.07.2010 um 13:41
Werter axiom,
entweder Sie verstehen aus Provokation bewuß miß, oder Sie haben Michael Jaeger aus anderen Gründen nicht begriffen:
Seine Ausführungen unter der Teilüberschrift
Der Mensch ist: eine Utopie
belegen eindeutig, dass die Überschrift eine rhetorische Verkürzung des Gemeinten, "Der Mensch ist: ein Wesen, dass für die Verwirklichung einer Utopie vom menschenwürdigen Leben immer noch kämpfen muß und kann", darstellt.
Ihre "Diskussion" hier im Blog tendiert immer wieder dazu diese These zu zerreden, bzw. ihr die uralte bürgerlich deterministische These des auf nur individuellen Eigennutz ausgerichteten Menschen entgegenzusetzen, ohne diese selbst zu belegen oder offensichtlich durchdacht zu haben.
@ axiom am 26.07.2010 um 17:30
Irrtum axiom:
Jaeger schreibt präzise: Die Utopie wird nur dann zum Hebel, zum Hebel den Menschen zu ändern, wenn Sie zu diesem Zweck und Ziel eingesetzt würde. Das linke Projekt will genau das nicht, sondern Plan und Hoffnung sein, nach menschlichem Ermessen, menschenwürdige Verhältnisse verwirklichen.
Das von Ihnen dagegen eingewandte Argument, daß man "keine Vorstellung davon hat, wie die eigene Utopie sich auf die Menschen auswirkt", daher nicht verwirklicht werden dürfte, ist nicht stichhaltig, da der Mensch diese Auswirkungen jederzeit bemerken, ihnen widersprechen kann, wenn Sie sich als Gegenteil dessen entpuppen würden, was angestrebt war.
Anders hat es nie menschlichen Fortschritt gegeben. "DIE Lösung" ist nie im Vorhinein vollkommen denkbar.
Allerdings implizieren Sie offenbar ein "sicheres" Wissen, dass die linke Utopie nicht machbar sei, weil sie Utopie sei. Woher die Sicherheit?
P.S.: Verzeihung, ich drücke Ihnen als Person keinen Stempel auf, allerdings muß es ja wohl erlaubt sein, Ihre Texte, deren Aussage begrifflich kenntlich und präzise zu kritisieren?!
Lieber Herr Theel, ich finde, jetzt könnten Sie mal einlenken. Sie haben die Diskussion hier weitergebracht, waren produktiv, aber Einlenkenkönnen gehört auch zu einer vernünftigen Gesprächskultur. Diskussion in Gänsefüße setzen und von einer "uralten bürgerlichen deterministischen These" sprechen, das wirkt auch auf mich so, als holten Sie Stempel heraus. Ich sage dasselbe wie oben zu Weinsztein: Solche Gereiztheiten müssen nicht sein! Ich schlage vor, daß wir uns an dieser Stelle alle als mteinander einverstanden erklären und die Diskussion, die nach meinem Empfinden sehr gut war und keinerlei Gänsefüße verdient, beenden.
@ axiom am 26.07.2010 um 18:19
extrem witzig axiom:
ad 1. Frage: Wie helfen Sie einem Straßenfeger, der die Straße nicht fegt, beim Straße fegen? Antwort: Sie fegen die Straße.
ad 2. ... den oder irgendeinen Widerspruch hat Ihnen auch niemand abgesprochen. Die Frage ist nur, wem und mit welchen Argumenten widersprechen Sie. Da hätten Sie nämlich die freie Wahl, es käme Ihnen da dann höchstens ein (un)eingestandenes Interesse in die Quere.
ad 3. Wenn zwei das gleiche sagen ist es noch lange nicht das selbe: Ihnen erscheint "DIE Lösung" deshalb nicht sicher, weil sie dem Menschen nicht zutrauen, dass er massenhaft die linke Antwort gäbe, oder wenn, dass es dann nur mit Nachteilen für diejenigen, die die rechte Antwort geben verbunden wäre. Sie sind, so verstehe ich Sie, im Übrigen ganz sicher, dass die linke Antwort, da einer Utopie entspringend, sowieso der menschlichen Natur nicht angemessen sei, während Sie die kapitalistische Antwort offenbar als sehr natürlich empfinden und sich wohl damit trösten, dass man ja auch nicht genau wüsste, wie der Kapitalismus funktioniert, er im übrigen so unvermeidlich sei, wie die Natur des Menschen unveränderlich und dem Kapitalismus entsprechend ist, mann alles tue, um die Schäden so klein wie möglich zu halten.
Dass sie die Lösung durch den Kapitalismus sobegreifen, ist m.E. Ihre Unvollkommenheit des Wissens um diese Lösung, wie um deren Alternative - womit ich mich nicht trösten ließe, da ich dann von nicht genügendem Nachdenken über alternative Lösungen ausginge.
ad 4. Um hier klarer zu sehen, müßten Sie vielleicht Ihren begriff der Utopie ein wenig explizieren. Jedenfalls haben sie bis jetzt immer argumentiert - jedenfalls verstand ich es bisher so - mit diesem Begriff käme man der Lösung, die die Linke anstrebe nicht näher, eigentlich wäre sie sogar unrealisierbar. Wenn es nicht am utopischen Gehalt liegen sollte, dann bäte ich um Angabe der sonst von Ihnen angenommenen Gründe.
Michael Jäger am 26.07.2010 um 20:09
Lieber Herr Jäger, ich danke Ihnen gerne nochmals für die Einladung zu Ihrem Blog und für das natürlich Kompliment an mich. Dieser Blog wird sich wie alle anderen auch mehr oder weniger "natürlich" beenden, oder beendet werden. Dazu genügt nicht, eine Einzelner oder der Apell an ihn. Mit sich selbst kann man sowieso nur mühsam diskutieren.
Was Ihre Auffordeung zum "sich einverstanden erklären" betrifft, wird es für mich schon entschieden schwieriger. Wenn ich widerspreche, dann tue ich es nicht aus Prinzip und wahllos, sondern weil ich mich unter gewissen Regeln - hier sind es die der FC, bzw. die allgemeiner Blogkultur - mit jemandem geeinigt habe, dass wir ins Gespräch kommen. Da gibt es "vielleicht" den Wunsch, zu einem inhaltlich gemeinsamen Ergebnis zu kommen, aber aufgefordert dazu werden kann nicht. Selbstverständlich sollte a priori der Konsens bestehen, dass man am Ende, wenn sich keine inhaltliche Einigung ergeben sollte, gewaltfrei auseinandergeht, dies kann dann geschehen in dem gemeinsamen Bewußtsein we agree to differ. Davon gehe ich grundsätzlich aus.
Über die Schwierigkeiten im virtuellen Raum die contenance zu wahren, die Person von der Sache zu unterscheiden, dazu habe ich hier in der FC an anderer Stelle auch schon diskutiert, leugne die Schwierigkeiten nicht und versichere wie weiland James, der Butler Well, I'll do my very best!.
Was die Gänsefüßchen betrifft so sind sie mehr den mangelnden Formatierungs- und Hervorhebungsmöglichkeiten diese Blogsoftware geschuldet. Gänsefüßchen werden von mir aus Not hier gleichermaßen benutzt um jedwede Fragwürdigkeit, Zitat oder auch betonende Hervorhebung auszudrücken. Das ergibt sich ganz aus meinem Argument, bzw. der Vorlage, die ich dabei abarbeite. Da muß man dann genau lesen, bei Gelegenheit muß Nachfrage und Nacharbeit her. Dies pauschal negativ als "Stempel aufgrücken" zu bezeichnen, halte ich für falsch. In aller Regel beziehe ich mich auf Aussagen in Texten, d.h. ich interpretiere einen Blogkommentar nach den Regeln der geisteswissenschaftlichen Kunst und z.B. politologischen Methode und ihren Begriffen. Wenn mir eine These "uralt, bürgerlich und deterministisch" erscheint, werde ich das sagen und bei Bedarf und Nachfrage weiter verteidigen, oder bei treffendem Gegenargument zurücknehmen, aber nicht aussschließen, es bei Bedarf zu verwenden.
Ich wünsche Ihnen und uns in diesem Sinne fruchtbare Diskussionen.
mfg
Uwe Theel
Hallo Herr Jäger
ich wollte mich auch bedanken für eine der interessantesten Diskussionen, die ich seit Langem im Netz geführt habe. Dies liegt neben dem spannenden Thema auch an Ihrer geschickten Moderation und vor allem an Ihrer Geduld mit uns. Immerhin läuft die Debatte seit 20 Tagen. Sie haben ja auch noch andere Aufgaben und die Betreuung eines Blogthemas ist eine anstrengende Sache, finde ich.
Deshalb vielen Dank und beste Grüße Angelia