Des Kaisers neuer Haarschnitt

Rettungsakt Mit dem jüngsten 130-Milliarden-Hilfspaket der Euro-Staaten geht es weniger um Griechenland. Vielmehr werden die Rendite-Verluste der Gläubiger aufgefangen

Wieder einmal ist der Ägäis-Staat vor der Staatspleite bewahrt worden – bis zum nächsten Rettungsakt. Am 20. März werden Anleihen im Nennwert von 14,5 Milliarden Euro fällig, die Griechenland refinanzieren muss. Nun ist die Lösung gefunden, und sie ist nicht zum Schaden der Banken und Hedgefonds, die zuletzt Griechenbonds zu Spottpreisen aufgekauft haben – in Erwartung satter Renditen. Denn je tiefer der Kurs dieser Papiere unter ihren Nennwert rutscht, desto höher die Rendite, die Besitzer solcher Anleihen bei Fälligkeit einstreichen können. Seit Januar sind die Renditen der Griechenbonds in schwindelnde Höhen geschossen. Und bei mehr als 1.500 Prozent Rendite werden Banker und Fondsmanager wild. Dank der Beschlüsse der Eurofinanzminister zu Wochenbeginn wird Griechenland zahlen können – und alle Finanzmarkt-Akteure wissen, dass man mit Griechenland-Anleihen weiter glänzende Geschäfte macht.

Tatsächlich erleben wird nichts anders als die Verzögerung und Verschleierung eines Staatsbankrotts. Doch hat das ebenso Methode wie das mehrfache Auf- und wieder Zuschnüren des jüngsten Rettungspakets. So hält man die Regierung Papademos unter Druck, der von Mal zu Mal erhöht wird – als abschreckendes Beispiel für andere unsichere Kantonisten in der Eurozone. Haushaltsdisziplin à la Merkel heißt: Der Schuldendienst – der Dienst an den Gläubigern – genießt absoluten Vorrang vor anderen Staatsaufgaben.

Umtausch der Papiere

Wohl auch deshalb wird der Athener Exe­kutive nun ein Sonderkonto für fällige Zinszahlungen und Tilgungen zugemutet, über dessen Gebrauch von der Troika aus EU-Kommission, Internationalem Währungsfonds (IWF) und Europäischer Zen­tralbank (EZB) bestellte Inspektoren entscheiden. Offenbar soll mit einem derartigen Eingriff in administrative Souveränität Vorsorge getroffen werden, falls aus den Neuwahlen im April eine Regierung hervorgeht, die mit dem Übergangskabinett aus Nea Dimokratia und Pasok nicht mehr viel zu tun hat. Die Devise lautet: Was an den Wahlurnen entschieden wird, ist ohne Einfluss auf die Politik, die danach von Griechenland erwartet und durch externen Einfluss garantiert wird.

Das neue Rettungspaket jedenfalls ist ein zweifelhaftes Konstrukt, das dazu dient, privaten Gläubigern einen Staatsbankrott schmackhaft zu machen, der keiner sein soll. Also spielt man das Stück vom „freiwilligen“ Schuldenschnitt und bietet den Gläubigern 30 Milliarden Euro schwere Garantien, um ihnen diesen hair-cut zu versüßen. Das Werk der Friseure dürfen wir erst bewundern, wenn die nächste und entscheidende Szene über die Bühne gegangen ist. Zwar haben ihre Verhandlungsführer zugestimmt, aber nun müssen in den kommenden Wochen die Privatgläubiger – griechische und europäische Banken, Versicherungen und Kapitalfonds – dem Umtausch ihrer Griechenland-Papiere in neue Anleihen mit niedrigerem Nennwert, längerer Laufzeit und niedrigeren Zinsen zustimmen. Und zwar jeder für sich. Sonst wäre die Sache keine „freiwillige“ Vereinbarung zwischen Schuldner und Gläubigern, sondern ein Staatsbankrott. Auch das wäre keine Katastrophe für Griechenland-Investoren, die sich inzwischen mit Kreditausfallversicherungen (CDS) eingedeckt haben. Für die Finanzinstitute, die solche CDS ausgegeben haben und im Fall eines Griechenbankrotts zahlen müssten, wäre das freilich fatal.

Europäische wie griechische Banken müssen also durch einen Schuldenschnitt nicht so sehr einen Kapital-, sondern einen Gewinnverlust hinnehmen. Sie haben zum derzeitigen Marktwert Griechenbonds gekauft und auf hohe Renditen gesetzt – nun werden sie statt des Nennwerts ihrer Papiere nur einen Teil davon (etwas weniger als 50 Prozent) erhalten. Den gibt es nicht in bar, sondern durch neue Anleihen zu weit schlechteren Konditionen. Angeschmiert sind auch Banken und Hedgefonds, die CDS auf Griechenland-Papiere in Erwartung einer lange schwelenden Schuldenkrise und steigender Spekulationsgewinne beim Handel mit diesen Papieren gekauft haben.

Schrecken ohne Ende

Das heißt, in diesem Spiel gibt es einige klare Verlierer und etliche Gewinner. Griechenland und der Rest Europas verlieren, einige europäische und amerikanische Hedgefonds, einige europäische und amerikanische Finanzinstitute gewinnen. Sogar die Banken, Versicherungen und Pensionsfonds, die sich den Haarschnitt gefallen lassen, weil sie ihre Griechenbonds nicht rechtzeitig veräußert haben, stehen besser da als bei einem Staatsbankrott. Sie werden noch besser dastehen, wenn sie durch hartnäckiges Feilschen beim Umtausch der Anleihen die Krise schwelen lassen und ihre Bonds an Schnäppchen-Jäger unter den Hedgefonds abstoßen. US-Präsident Barack Obama wird auch zufrieden sein: Wegen des starken Engagements von US-Investmentbanken will seine Regierung keine Staatspleite – weder in Europa, noch in den USA, wo diese in einigen Bundesstaaten überfällig wäre. Die Regierung Merkel will auch keinen Totalausfall Griechenlands. Der deutsche Fiskus profitiert von dessen Krise über niedrige Zinsen ebenso wie die deutsche Wirtschaft. Für griechische Normalbürger ist es Schrecken ohne Ende, für andere ist es ein glänzendes Geschäft.

Und die EZB? Sie sitzt auf Griechenbonds im Wert von 55 Milliarden Euro und bleibt ungeschoren. Würde sie mitmachen, wäre das „Staatsfinanzierung“, was die nach deutschem Vorbild konstituierte Zentralbank nicht darf. Dafür wird die EZB den Gewinn, den sie mit diesen Anleihen macht, großzügig an die Nationalbanken der Euroländer auszahlen. Bei der Gelegenheit wird deutlich, dass etliche Banken und Fonds mit den Griechenbonds höchst profitable Geschäfte machen. Je länger die Krise anhält desto profitabler werden sie. Don’t waste a good crisis, heißt es im Englischen. Dem Motto folgen die europäischen Finanz­eliten.

Michael Krätke schrieb zuletzt über die großzügige Kreditvergabe der EZB

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