Die Notenpresse klappert weiter

USA Solange der Streit zwischen Demokraten und Republikanern um den Haushalt zum Crash führen kann, will die Notenbank die Wirtschaft weiter mit billigem Geld versorgen
Ausgabe 39/2013
Ben Bernanke lässt erst mal den Fuß auf der Zinsbremse
Ben Bernanke lässt erst mal den Fuß auf der Zinsbremse

Foto: Spencer Platt/ AFP/ Getty Images

Der Chef der US-Notenbank (Fed) ist kein Politiker, sondern von Haus aus Ökonom, und versteht etwas von Geschichte. Ben Bernanke weiß daher, dass eine Zentralbank vieles kann, aber eben nicht alles. Ein solches Institut vermag eine Kreditklemme abzuschwächen, jedoch nicht aufzubrechen. Sie kann den Geldmarkt mit Krediten überschwemmen, doch die laut Helmut Schmidt sprichwörtlichen Pferde nicht zum Saufen – sprich: Investieren – zwingen. Sie kann die Zinsen auf Nullstandard halten, aber die Mehrzahl der Unternehmer in der sogenannten „realen Ökonomie“ auch dann nicht zu mehr Kapitaleinsatz verführen, wenn schrumpfende Märkte keine Chance bieten, eine wachsende Produktion profitabel abzusetzen. Angesichts der Überkapazitäten bei fast allen Weltmarktindustrien kein Wunder.

Entgegen der vielerorts gehegten Erwartungen hat die Fed vor einer Woche beschlossen, die US-Leitzinsen vorerst nicht anzuheben und das quantitative Easing – die Politik des Ankaufs von US-Staatspapieren und Hypotheken im Wert von 85 Milliarden Dollar pro Monat – einstweilen fortzusetzen. Prompt jubelten weltweit die Märkte, zogen die Börsenkurse an, kletterten die Aktienindizes auf Rekordhöhen. Selbst die Finanzplätze in einigen Schwellenländern reagierten, besonders heftig in Mumbai, Jakarta und Istanbul. Umgehend ließ die Kapitalflucht aus den Schwellenländern nach, seit entschieden war, dass auf dem US-Kapitalmarkt vorerst keine höheren Zinsen locken.

Die Euphorie an den Börsen ist verständlich. Bisher hat die von den Vereinigten Staaten ausgehende Obsession des spottbilligen Geldes vor allem Finanzinvestoren und -Spekulanten genutzt. Der größte Teil dieser Schwemme überflutet die Finanzmärkte, nicht aber die Realwirtschaft. Die Sorge vor neuen, von einer Zentralbank wie der Fed mitfinanzierten Finanzblase ist begründet. Entstehen kann die heute überall.

Zentralbank mit Pflichten

Im Juni hatte Bernanke angekündigt, über Zinserhöhungen und einen Ausstieg aus dem Wertpapierankaufprogramm QE3 nachzudenken. Definitiv entscheiden wollte er sich aber in Kenntnis der Wirtschaftsdaten. Genau das ist passiert, daher bleibt eine Zinswende aus und das sagenhaft niedrige Zinsniveau von 0 bis 0,25 Prozent erhalten. Die Daten sind wenig erfreulich, und Schönfärberei lag Bernanke noch nie. „Im Blick auf unser Wachstum waren wir zu optimistisch“, räumte er ein.

Als Zentralbank mit der Pflicht, auf die Konjunktur Einfluss zu nehmen, steuert die Fed seit Januar eine Arbeitslosenrate unter der 6,5-Prozent-Marke an. Derzeit liegt man allerdings bei 7,7 Prozent, und jeder Analyst weiß, dass diese Quote drastisch untertrieben ist. Von robuster Erholung kann keine Rede sein. Ben Bernanke muss daher fürchten, einen etwas belebten Konsum – nicht zuletzt auf dem Immobilien-Markt – durch einen Zinsschub vor der Zeit abzuwürgen. Die Inflationsrate beträgt in den USA momentan 1,2 Prozent. Mit anderen Worten, eine Hyperinflation, wie sie in Deutschland wegen der angeblich ständig klappernden US-Notenpresse prophezeit wird, bleibt aus. Die Fed hat stattdessen ihre nationale Wachstumsprognose für 2013 deutlich nach unten korrigiert. Es gäbe eine Weltdepression, die sich ausbreitet, meint der Präsident der Federal Reserve.

Die Fed muss gleichfalls zur Kenntnis nehmen, dass der anhaltende Dauerstreit um den US-Haushalt die USA gut 1,5 Prozent Wachstum pro Jahr kostet. Auch deshalb kann sie aus der Politik des lockeren Geldes nicht so leicht aussteigen. Schließlich ist sie für die Staatsfinanzierung – das heißt, die Refinanzierung der US-Schulden – mitverantwortlich (wie übrigens jede Zentralbank im Kapitalismus, die diesen Namen verdient). Dank der Fed-Niedrigzinspolitik kann der amerikanische Staat heute dreimal höhere Bundesschulden als vor 15 Jahren schultern – und zahlt dafür den gleichen Nominalbetrag an Zinsen in Dollar. Inflationsbereinigt fallen diese Zinszahlungen deutlich niedriger aus. Also ist die tatsächliche Schuldenlast der USA heute geringer als vor 15 Jahren. Statt drei Prozent Zinsen auf Treasury Bonds mit einjähriger Laufzeit und sieben Prozent auf solche mit zehnjähriger Laufzeit aufbringen zu müssen, zahlt die US-Regierung heute nur 0,25 beziehungsweise 2,5 Prozent.

Ben Bernanke tut daher, was er kann, um die Vereinigten Staaten solvent zu halten. Theoretisch kann er seine Geldpolitik erst dann ändern, wenn der Budgetstreit zwischen der Obama-Regierung und den Republikanern beendet und die Austeritätspolitik in der EU geändert wird. Davon wiederum darf sich EZB-Präsident Mario Draghi bestätigt fühlen. Mit ihrer Niedrigzinspolitik (siehe Glossar) ziehen Fed und Europäische Zentralbank am gleichen Strang. Doch ist es für Fed-Chef Bernanke leichter, auf den Anleihemärkten mit Macht zu intervenieren. Er nimmt dabei den Fall des Dollarkurses in Kauf, was den Europäern nicht unrecht sein muss. Deren Leitzinsen liegen noch ein klein wenig höher als die in Amerika. Nur Sparer, Versicherungen und Pensionsfonds maulen hüben wie drüben. Jedoch verhalten, solange die Inflationsraten so niedrig bleiben wie heute.

Die Fed verdient sogar an ihrer lockeren Geldpolitik. Und das nicht schlecht. Dank der Anleihekäufe ist ihre Bilanzsumme auf über drei Billionen Dollar angeschwollen. Gleichzeitig kann sie der Regierung regelmäßig hübsche Summen überweisen – rund 90 Milliarden pro Jahr.

Alle warten nun auf höhere Zinsen und ein Herunterfahren des Erwerbs von Staatspapieren zum Jahresende. Dann gibt es möglicherweise einen neuen Fed-Chef. Freilich teilt Janet Yellen, die designierte Nachfolgerin Bernankes, die Ansichten ihres Vorgängers und wird ähnlich vorsichtig mit der Zins- und Kreditbremse hantieren – zum Missvergnügen der deutschen Austeritätsfanatiker, zum Nutzen der US-Ökonomie. Aber jähe Wendungen, etwa ein Stopp der Anleihekäufe, sind denkbar, vielleicht schon im Oktober. Das hängt von den Konjunkturdaten ab, in den USA und anderswo in der Welt. Die Fed gibt, wie sie gerade erneut bewiesen hat, auf den internationalen Finanzmärkten den Takt an. Für diese Handelsplätze waren die Bundestagswahlen weniger wichtig als die Entscheidungen Ben Bernankes.

Michael Krätke schrieb zuletzt über das Thema Schattenbanken

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