Tessinerplatz, unweit des Zürichsees. Wenige Gehminuten vom Hotel Baur au Lac entfernt, wo einige Exekutivmitglieder der FIFA wegen des Verdachts auf Betrug, Erpressung und Geldwäsche festgenommen wurden, steht das neue Museum des Weltfußballverbands.
„FIFA World Football Museum“ prangt in silbernen Lettern auf der Fassade, ansonsten erscheint das Gebäude von außen wie ein schlichtes Hochhaus. Büros, Mietwohnungen und 3.000 Quadratmeter Ausstellungsfläche verteilt auf drei Etagen. Ästhetisches Imponiergehabe strahlt das für umgerechnet 128 Millionen Euro umgebaute Haus nicht aus. „Symbolisch zurückhaltend“, resümiert Architekt Sacha Menz. Museumsdirektor Stefan Jost ergänzt: „Das Haus hat viele Ecken und Kanten, genauso wie der Fußball!“
Im Erdgeschoss befindet sich der „Regenbogen“: eine runde Glasvitrine, in der die Trikots aller 209 FIFA-Mitgliedsverbände ausgestellt sind, säuberlich zusammengefaltet und nach Farben sortiert. Zumindest hier hat noch alles seine Ordnung, erklärt Direktor Stefan Jost: „Wir haben uns gefragt: Machen wir es chronologisch, nach der Größe des Verbands oder der Anzahl der Weltmeistertitel? Nein, wir haben alles farblich geordnet, weil jedes Mitgliedsland eine Stimme hat. Das ist Gleichberechtigung!“
Linkerhand beginnt die „Timeline“, eine Zeitleiste mit der Geschichte des Verbands: von den Anfängen des organisierten Fußballs in England 1863, der FIFA-Gründung 1904 bis zum Ende der Regentschaft von Joseph Blatter 2015. Ja, so kann man es tatsächlich nachlesen.
Emotionaler Impact
Die Architekten setzen auf edle Materialien, die Ausstellungsmacher auf Videoinstallationen und Multimedia. Aus 67 Beamern und auf zum Teil riesigen Bildschirmen blinkt und flimmert es permanent. Hier wurde mit Technik geklotzt. Der Kommerz, das Feilschen um Fernsehrechte und Joseph Blatters straffe Führung, mit der er die FIFA von einem kränkelnden Unternehmen zu einem weltweit operierenden milliardenschweren Konzern gemacht hat, werden nicht thematisiert.
Dafür gibt es umso mehr historische Bilder, Poster, Plakate und aufwendige, eigens für das Museum in Auftrag gegebene Videoproduktionen. Dazu kommen 15 interaktive Stationen, zum Beispiel über den Ball. „Wir denken immer, der Fußball wäre immer schwarz-weiß gewesen – falsch“, erklärt Stefan Jost. „Das kam erst 1970 mit der Satellitentechnik, als die Weltmeisterschaft zum ersten Mal global übertragen wurde.“ Davor waren die Bälle nämlich braun, nur hatten viele Menschen damals Schwarz-Weiß-Fernseher, da sah man die braunen Bälle kaum.
Den Besucher geleitet ein optisch-klangliches Sperrfeuer. Stadionatmosphäre wollte man inszenieren, sagt Gabriele Karau, verantwortlich für die Ausstellungsgestaltung. „In so einer Präsentationsform, 180 Grad Leinwand, raumhoch, mit einem ausgeklügelten Soundsystem, gibt es einen emotionalen Impact.“ Alles ist Inszenierung, bis zur Schmerzgrenze. Sogar die Verletzungen der Spieler durch ein Foul kann man hören. Wie beim Pendant in Dortmund, wo der DFB 2015 ein eigenes Museum eröffnet hat (siehe Freitag 44/2015), ist die Berliner Projektgesellschaft Triad für die Ausstellungskonzeption verantwortlich, laut Webseite eine Kreativagentur für „Themenparks, Messen und Markenwelten“. Dass die Marken DFB und FIFA derzeit ein Problem mit dem Image haben, liegt vor allem an den Machenschaften einiger Mitglieder. Trotzdem bleibt Stefan Jost optimistisch: „Korrupte Funktionäre können den Fußball nicht kaputtmachen!“
1.000 Ausstellungsobjekte gibt es zu bestaunen, darunter die Gründungsurkunde der FIFA und die „DeutTürk“-Fahne, Mondsichel und Stern auf schwarz-rot-goldenem Stoff. Während der Fußball-WM 2006 in Deutschland hatte ein Hamburger Friseur die Idee zu der Fahne. Die wenig erstaunliche Botschaft: Türkischdeutsche dürfen die Deutschen anfeuern. So kommt der Fußball vom Friseursalon ins FIFA-Museum.
Außerdem gibt es Panini-Sammelhefte und Briefmarkensammlungen von allen Weltmeisterschaften. Und eine Maskottchenfühlstation für die jüngeren Besucher. Umsonst hält man Ausschau nach Exponaten wie dem FIFA-Geldkoffer Marke Katar oder dem Protokoll des Gesprächs zwischen Joseph Blatter und dem trinidadischen Geschäftsmann und Politiker Jack Warner. Letztgenannter hatte die millionenschweren WM-Fernsehrechte für die Karibikregion quasi geschenkt bekommen.
Verliebt in sich selbst
Von der Krise des Weltverbands, von den Korruptions- und Geldwäschevorwürfen ist im Museum nichts zu sehen – noch nicht, wie Stefan Jost hervorhebt: „Wir wollen alle Facetten des Fußballs zeigen, auch die dunklen. Aber bei den neueren Entwicklungen brauchen wir noch eine bessere Distanz dazu, um zu sehen, was wirklich geschehen ist.“
Das FIFA-Museum bleibt vor allem eine selbstverliebte Hommage an die vermeintlich goldenen Zeiten des Fußballs. Nachdenkliche Fragen, was Sport, Medienkonzentration und Infotainment bewirken, fehlen. Den Vorwurf, dass sich der Weltfußballverband im FIFA-Museum nur selber feiern würde, weist Direktor Stefan Jost zurück: „Wir zeigen das Resultat der Arbeit der FIFA. Das ist nicht nur die FIFA-Administration, das sind auch die FIFA-Mitgliederverbände, die Freiwilligen draußen, die jeden Tag den Fußball entwickeln. Das wollten wir zeigen. Und nicht uns selbst glorifizieren.“
Das FIFA-Museum ist kein traditionelles Museum im Sinne des Ausstellens, Lernens und kritischen Reflektierens. Hier geht es um die Erlebniswelt FIFA, um die Emotionalisierung der Fußballgeschichte mit den aktuellen multimedialen, interaktiven Möglichkeiten. Auf neue, vielleicht sogar brisant Exponate muss man in der Nach-Blatter-Ära unter Gianni Infantino noch warten.
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