Ginge es nach den Redeblüten der deutschen Regierungschefin, stünde jetzt die "soziale" und "demokratische" Gestaltung der "globalisierten Weltwirtschaft" an - kurzum die "Globalisierung mit menschlichem Antlitz". Ausgewählte Vertreter von Nichtregierungsorganisationen (NGO) durften im Kanzleramt solcherart Erklärungen lauschen, ebenfalls eine kleine Gruppe auserwählter afrikanischer Staatschefs. Einige von ihnen fanden danach klare Worte, aber in Heiligendamm werden aus ihrem Kreis nur ein paar Handverlesene (Ägypten, Algerien, Ghana, Nigeria, Senegal, Südafrika) mit Beobachterstatus zugegen sein. Dort wird über sie verhandelt, nicht mit ihnen. Immerhin dürfen sie mit rein in den Hochsicherheitstrakt, den die Bundesrepublik für Unsummen gebaut hat, damit die diesjährigen Tischgespräche der konzertierenden kapitalistischen Großmächte ungestört verlaufen.
Die G 8, deren Gewicht in der Weltwirtschaft abnimmt, tragen die Hauptverantwortung für strukturelle Handelsungleichgewichte, für monetäre Weltunordnung und instabile Finanzmärkte, sie sind und waren die Hauptverursacher der drohenden Klimakatastrophe, und sie haben ein Problem: Der Rest der Welt kauft diesem Club der Ratlosen die angemaßte Führungsrolle nicht mehr ab. Die Regierungschefs der Großen Acht können die Welt nicht regieren, weil sie diese Welt nicht verstehen. Schon jetzt ist klar, dass den G 8 zu den drängendsten Weltproblemen - vom Klimawandel über Epidemien bis zu Wasser- und Hungersnöten - nichts Neues, schon gar keine effiziente und konzertierte Aktion einfallen wird.
Als die erste Fassung der Gipfel-Agenda vor Monaten publik wurde, war die Erleichterung bei den NGOs groß: So schlimm, wie man erwartet hatte, war es denn doch nicht, die Entwicklungspolitik war nicht einfach unter den Tisch gefallen, sondern - mit der Afrika-Agenda - zum Schwerpunkt erklärt. Zugleich sollte die stets als Naturgewalt beschworene Globalisierung "gestaltet" und gesteuert werden. Fromme Wünsche gibt es dazu ebenso reichlich wie zum dritten großen Punkt der Tagesordnung, der Umwelt- und Klimapolitik. Die wird auch diesmal wieder als "Energiepolitik" buchstabiert und auf den kleinsten gemeinsamen Nenner der amerikanischen, japanischen und europäischen Öl- und Gasinteressen herunter gefahren.
Es steht schon jetzt außer Frage - es wird gegen den erklärten Widerstand der US-Regierung keinen Befreiungsschlag in der Klimapolitik geben. Die Amerikaner sperren sich gegen alles, was über den Beschluss zum Energiesparen ("Steigerung der Energieeffizienz") von 2005 hinausgeht und beschwören "marktwirtschaftliche" Lösungen wie den weltweiten Emissionshandel. Wie viel Mut bräuchte Frau Merkel, um den Gipfel angesichts dieser heillosen Blockade platzen zu lassen? Man kann aus einem Gentlemen´s Club austreten, wenn man entdeckt, dass einige der Club-Mitglieder keine Gentlemen sind. Wer im falschen Konzert sitzt, kann raus gehen. Welche Regierung der G 8-Staaten hat den Mut dazu? Gilt weiterhin für jeden das neoliberale Credo, wie es seit 1990 mit Inbrunst verkündigt wird?
Für die entwicklungspolitische und damit Afrika-Agenda ist es keine Fußnote, dass die G 8 ihre 2005 abgegebenen Versprechen, ihre Entwicklungshilfe bis 2010 zu verdoppeln, nicht einhalten und 2006 diesen Ausgaben-Posten erst einmal um mehr als fünf Prozent absacken ließen. Um so mehr sollen sich die Afrikaner laut Tagesordnung von Heiligendamm wieder mit viel gutem Rat versorgt wissen: Sie sollen ihre Märkte noch radikaler öffnen und ausländischen Investoren (besonders beim Patentschutz) noch bessere Bedingungen bieten; auch die Ermahnungen zu Good Governance, zum Kampf gegen den Global Player Korruption fehlen nicht. Ohne die gleichzeitige Öffnung der Märkte im Norden für die überwiegend agrarischen Exporteure Afrikas, ohne Abbau der Agrarsubventionen und des selektiven Protektionismus, vorzugsweise der EU-Länder, muss die Litanei den Afrikanern wie blanker Hohn in den Ohren klingen.
Einen Fortschritt wenigstens gab es in jüngster Zeit: die Initiative für Transparenz im Rohstoffsektor (EITI), in dem die weitaus meisten ausländischen Direktinvestitionen getätigt werden. Die Einnahmen aus den Rohstoffausfuhren der armen Länder sollen danach im Lande bleiben und dort investiert werden. Schön und gut, aber wie verträgt sich das mit der Forderung nach "Verbesserung des Investitionsklimas"? Die multinationalen Bergbau-Konzerne schätzen es gar nicht, will man ihnen vorschreiben, wie sie ihre Gewinne zu verwenden haben. Wer die Korruption eindämmen will, wird sich mit den ausländischen Investoren anlegen müssen, die bei der systematischen Korruption der politischen Klasse Afrikas die erste Geige spielen.
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