Der Gipfel ist vorbei, die Börsen und die Gazetten, begeistert für einen Tag, beruhigen sich schon wieder. Von einem neuen New Deal, der sich allein durch eine neue Weltwirtschaftsordnung beweisen kann, sind wir so weit entfernt wie eh und je. Nur eines scheint nach dem Gipfel von London unbestreitbar – die G20 haben bis auf weiteres die G8 abgelöst, immerhin. Es spricht für die Intelligenz der neuen US-Regierung, dass sie den Verlust an Einfluss nicht durch Supermachtgehabe zu kompensieren sucht.
Absurd, aber wahr
Absichtserklärungen, Formelkompromisse, Versprechen – das dürfte kaum ausreichen, dem Schlamassel einer großen Weltdepression zu entgehen. Auch wenn die illustren Figuren 2009 noch ein paar Mal gipfeln, allein mit Regeln für Hedg
ein mit Regeln für Hedgefonds (für die es erst noch nationaler Gesetze bedarf), mit einem größeren IWF-Etat und schwarzen Listen über Steueroasen wird die Talfahrt nicht zu stoppen sein.Die Aufstockung von Finanzen für den Internationalen Währungsfonds war im Übrigen schon vor dem Londoner Treffen beschlossene Sache. Japan und die EU wollen sich dabei in Maßen engagieren, während die USA, China und Saudi-Arabien auf Zurückhaltung bedacht sind. Auch wenn dies dem IWF ein Plus von 250 Milliarden Dollar beschert, noch steht die Reform der Stimm- und Ziehungsrechte aus. Und allein die kann garantieren, dass die Masse des Geldes dorthin fliesst, wo es am nötigsten gebraucht wird. Weitere 250 Milliarden Dollar sollen eingesetzt werden, um dem schrumpfenden Welthandel wieder auf die Sprünge zu helfen, mittels Versicherungen und Bürgschaften. Auch das ist nichts Neues und keine wirkliche Zusatzbelastung für die G20-Staaten. Nur bei den versprochenen 100 Milliarden Dollar für die Weltbank und für regionale Entwicklungsbanken wurde tatsächlich etwas nachgelegt.Zweitschlechteste LösungWas in Sachen Finanzmarktregulierung passieren soll, ist seit langem bekannt. Natürlich sind Hedgefonds zu regulieren und Rating-Agenturen zu kontrollieren, fragt sich nur, wie und von wem? Warum ringt sich niemand dazu durch, diese schädlichen privaten Geldvermehrungsmaschinen einfach von den Finanzmärkten zu verbannen? Wozu die Ankündigung, nun eine komplette Liste der Steueroasen und Offshore-Banking-Zentren anzulegen? Eine Recherche bei Attac würde genügen, umgehend eine vollständige Liste internationaler Geldwaschanlagen auf dem Bildschirm zu haben. Und wer die Steueroasen als Regierungschef im Alleingang austrocknen will, muss sich nicht sonderlich anstrengen. Premier Gordon Brown, de facto Herr über einige der übelsten Exemplare dieser selbst gezüchteten Spezies, brauchte nur ein paar Konstabler, um britischem Recht auf den Kanalinseln wieder Geltung zu verschaffen. Die Schweiz, US-Bundesstaaten wie Delaware oder die honorigen EU-Mitglieder Luxemburg und Österreich sind nicht so einfach zu bändigen. Da braucht es schon einen Abschied von der Beggar-My-Neighbour-Politik im internationalen Steuerwettbewerb.Wenigstens haben dank des Vetos der G20-Schwellenländer die G20-Industriestaaten davon Abstand nehmen müssen, den IWF gleich selbst zum neuen Hüter der Finanzmärkte zu küren. Stattdessen wurde das Financial Stability Forum, eine Nachgeburt der Asienkrise von 1997/98, zum Financial Stability Board aufgewertet – die zweitschlechteste Lösung, denn in diesem Gremium werden nach wie vor die großen Finanzmächte das Sagen haben.Absurd, aber wahr: Mit einer Scheinalternative, wie sie beschämender kaum sein kann, haben sich die Großmächte des Nordens in London gegenseitig blockiert und die Schwellenländer so beeindruckt, dass die jeden ernsthaften Versuch unterließen, diese Barriere zu durchbrechen: Erst Finanzmarktregulierung, dann Konjunkturspritzen, tönten die einen – mehr Konjunkturhilfen und bitte nicht zu viel Regulierung, räsonierten die anderen. Im Schlussakt dieses absurden Theaters haben sich Merkel und Sarkozy faktisch durchgesetzt, der Wortbrei der Abschlusserklärung hat den anderen die Niederlage versüßt. Aber keines der Strukturprobleme der Weltwirtschaft wird dadurch gelöst. Die USA bleiben die größte Defizitökonomie der Welt – die Exportweltmeister Deutschland, China und Japan so exportabhängig wie zuvor, die US-Staatsschulden der Dreh- und Angelpunkt des Weltfinanzsystems.Bis zum Erbrechen genießenDie europäischen Industrieländer rutschen nun dank der immensen Überkapazitäten in allen Branchen immer tiefer in die Krise – Arbeitslosenquoten von 15 Prozent und mehr werden bald keine Seltenheit mehr sein. In Deutschland kursiert wieder die allfällige Inflationsangst, weil das Märchen verbreitet wird, jede Zinssenkung der Europäischen Zentralbank (EZB) brächte die Notenpressen in Schwung. Dabei werden nur die Kreditrahmen erweitert, was die Privatbanken eifrig nutzen, noch mehr Geld zu horten. Die Milliarden und Aber-Milliarden an faulen Krediten stehen nach wie vor in ihren Büchern, systematisch versteckt und verschleiert. Sie den Banken abzukaufen, um die Kreditklemme zu lösen, verbietet sich genau deshalb. So bleibt den Regierungen nur die Wahl, selbst die Funktionen des Bankensystems zu übernehmen, weil Finanzmärkte versagen und überschuldete Banken in Schockstarre verharren.Natürlich, ohne Golddeckung steckt hinter dem Zentralbankgeld nur der Staatskredit. Zu ihrem Schreck stolpern nun viele über dieses altbekannte Geheimnis des Weltgeld- und Finanzsystems. Da nach geltender Dogmatik Staatsschulden und Inflation kausal zusammenhängen, wird nach dem Sparkommissar gerufen. Und Frau Merkel ist zur Stelle. Da die Steuereinnahmen derzeit in Deutschland massiv einbrechen (mindestens 20 Milliarden minus im laufenden Steuerjahr) hat das für all jene einen Anschein von Rationalität, die immer noch glauben, man könne sich durch eine Weltwirtschaftskrise sparen.Nur ist das Angstsparen eines der größten Probleme. Es verschärft und verlängert die Rezession. Was besonders für Länder gilt, die nur noch über einen minimalen Sozialstaat verfügen, da sie denselben nach neoliberalem Dogma kaputt gespart haben. Die bitteren Früchte eines 30-jährigen ideologischen Krieges gegen alles, was es noch an Resten ökonomischer Rationalität im guten alten Kapitalismus gab, dürfen wir jetzt bis zum Erbrechen genießen.