Spart euch euer Mitgefühl

Gesellschaftliche Linke Kommentar zum Blick der gesellschaftlichen Linken über das neue liberal-konservative Mitgefühl bei Krieg und Elend.

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In Talkshows, Interviews, Bundestagsreden. Mitgefühl und Empathie, Menschlichkeit und Solidarität stehen derzeit hoch im Kurs bei Politikern etablierter Parteien. Es sind die Politiker, die bis Februar 2022 wenig bis kaum für ihr großes Mitgefühl mit den vielen Kriegs- und Krisengebieten dieser Welt bekannt waren. Die eher nüchtern und realpolitisch auf Krieg und Elend herab geschaut haben. Aber das hat sich geändert.

Sie prangern nun, natürlich völlig Zurecht, Russlands Kriegsverbrechen in der Ukraine an. Sie empören sich Zurecht über die Angriffe und den Terror, der sich gegen die ukrainische Zivilbevölkerung richtet. Bemerkenswert dabei ist, wie sie dies mit einer Flut von Emotionalität tun, als würden sie vor lauter Leid und Grauen innerlich zerbersten. Aber ich frage mich, wo war die Empathie und das Mitgefühl genau jener Politiker, als bereits anderswo auf dieser Welt schlimme Dinge passiert sind? Wo waren sie, als der Jemen in Schutt und Asche gelegt wurde? Als 500.000 irakische Kinder ums Leben kamen, durch die unmenschliche Sanktionspolitik der USA gegen den Irak. Und wo bitte waren sie, als die Kriegskoalition der Saudis den Jemen per Seeblockade komplett vom Rest der Welt abschnitt. Als die jemenitische Bevölkerung auf unmenschliche Weise ihrem Schicksal überlassen wurde und die Welt kalt zuschaute.

Daher kommt von den Appellen an die Menschlichkeit, vom Mitleid und der Empörung über das was Russland aktuell in der Ukraine tut eines an. Ein Warum. Warum jetzt diese Entrüstung, diese Wut. Warum erst jetzt. Die gesellschaftliche Linke leidet sein Anbeginn des Krieges im Jemen mit den Jemeniten. Wir sind wütend, geschockt und fassungslos über den Genozid an den Rohingya in Myanmar. Das Myanmar, aus dem gefühlt die Hälfte der Textilien stammt, die in deutschen Einkaufsstraßen angeboten werden. Wir als gesellschaftliche Linke, wir leiden nicht erst seit Russlands Verbrechen in der Ukraine. Wir leiden schon lange. Bei jedem Krieg, jedem Kriegsverbrechen und jeder Gewalt. Das neue Mitgefühl derer, die bisher nüchtern und herzlos über das Elend in anderen Teilen dieser Welt hinweggegangen sind, kommt uns wie Hohn vor. Spart es euch! Jetzt brauchen wir euch auch nicht mehr.

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Geschrieben von

MonsieurC

Meinung und Kommentar mit Schwerpunkt Politik."Solidarität ist die Zärtlichkeit der Völker" (Che Guevara)

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