Gideon Greif: Kein Genozid in Srebrenica

Im Februar 2019 beauftragte die Regierung der Republika Srpska eine Kommission zur Untersuchung der Kriegsverbrechen in der Region Srebrenica. Der Untersuchungsbericht liegt nun vor.

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Die 10-köpfige Kommission wurde international besetzt und befasste sich mit den begangenen Kriegsverbrechen auf allen Seiten in der Region Srebrenica zwischen 1992 und 1995. Den Vorsitz übernahm der israelische Historiker Gideon Greif, weitere Mitglieder waren Walter Manoschek (Österreich), Markus Goldbach (Deutschland), Adenrele Shinaba (Nigeria), Zheng Yi (China) Giuseppe Zaccaria (Italien), Yukie Osa (Japan), Laurence Armand (Frankreich), Roger Bayard (Australien) und Marija Đurić (Serbien). Der über 1.200-seitige Bericht ist noch nicht veröffentlicht worden. Bislang bekannt ist, dass der unangetasteten Darlegung eines von Serben verübten Völkermordes an den Muslimen in Srebrenica nicht entsprochen wird.

Die Einordnung der Massaker an Muslimen in der Region um Srebrenica als Völkermord erfolgte 2001 im Gerichtsurteil gegen den ehemaligen Generalstabschef der serbisch-bosnischen Armee Radislav Krstić vor dem Internationalen Strafgerichtshofes für das ehemalige Jugoslawien (ICTY) und war wegweisend für alle folgenden Urteile an diesem Gerichtshof. Eine Übereinstimmung mit der Völkermordkonvention sahen die Richter insofern als gegeben an, da den serbischen Streitkräften bewusst gewesen sein müsste, dass die Tötung der muslimischen Männer eine ´katastrophale Auswirkung auf das Überleben einer traditionell patriarchalischen Gesellschaft haben würde´ und insofern als deren absichtliche Zerstörung zu werten ist.

Dieser Einordnung wird von der Kommission in dem neuen Untersuchungsbericht widersprochen. Nach Einsicht und Überprüfung aller zugänglichen Unterlagen und Fakten, erklärt Gideon Greif kürzlich in einem Interview, dass Kriegsverbrechen im Juli 1995 in der Region verübt wurden, diese aber nicht als Genozid bezeichnet werden können. Dieser Meinung ist auch Prisca Matimba Nyambe, vorsitzende Richterin der Berufungskammer am ICTY im Berufungsverfahren gegen Ratko Mladic. Im Zuge des kürzlich erfolgten Urteil in 2.Instanz wich sie in fast allen Punkten von der Beurteilung des 5-köpfigen Richtergremiums ab und forderte eine Neuaufnahme des Verfahrens gegen Mladic. In der deutschen Berichterstattung über das Berufungsurteil wurde dieser Umstand mit keiner Silbe erwähnt. Über den o.g. neuen Untersuchungsbericht wurde ebenfalls nicht berichtet.

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mymind

Die Wahrheit hat nichts zu tun mit der Zahl der Leute, die von ihr überzeugt sind...Paul Claudel

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