Der Griff nach den Medien

Netzwerk Während Google sich großer Ablehnung europäischer Verlage ausgeliefert sieht, versucht sich Facebook als Partner der Medienhäuser zu positionieren
Auf dem Weg zu noch größerer Präsenz: Facebook
Auf dem Weg zu noch größerer Präsenz: Facebook

Foto: Chris Jackson/AFP/Getty Images

Das Social Network Facebook hat sich als wichtiger Traffic-Lieferant für Online-Medien etabliert und ist mit Like-Button, Social Login und einem Kommentar-System integraler Bestandteil von vielen Nachrichten-Portalen. Doch bald soll man Facebook gar nicht mehr verlassen müssen, um News zu konsumieren. Die Firma aus dem Silicon Valley strebt dazu enge Partnerschaften mit Medien an, mit denen man sich die Werbeeinnahmen teilen könnte.

Warum ist das wichtig? Die Wahrnehmung der Medienbranche in Europa wird noch sehr stark von Google dominiert. Doch was Facebook plant, sollten Verlage viel genauer beobachten.

  • Im Video-Bereich tut Facebook sehr viel dafür, um Verlags-Content auf seinen eigenen Servern zu lagern, und wird zur YouTube-Alternative.

  • In so genannten Co-Sales-Partnerships kooperiert Facebook mit Online-Medien, die native Werbung für Marken erstellen.

  • Strategisch versucht sich Facebook als Alternative zu Google zu positionieren.

Dass Facebook große Ambitionen hat, zur personalisierten digitalen Tageszeitung seiner Nutzer zu werden, das ist spätestens seit März 2013 klar. Damals sagte Gründer Mark Zuckerberg anlässlich des damals präsentierten News-Feed-Design genau das: “We believe that the best personalized newspaper should have a broad quality of content… socially and locally updated from people around you. A front page or top news or most important news going on across all topics. And the ability to drill down into any topic you want.“

Seither füllt sich der News Feed immer mehr mit Links zu journalistischen Artikeln, mit entsprechenden Effekten. Einer neuen Untersuchung der Technischen Universität Darmstadtder Top 15 deutscher Nachrichten-Portale zufolge finden bereits 91 Prozent jener Empfehlungen, die Social-Media-Nutzer im Netz machen, auf Facebook statt – Twitter oder Google+ spielen nur eine untergeordnete Rolle. Zuckerbergs “Freundes”-Netzwerk schaufelt dementsprechend viel Traffic in Richtung der Online-Medien und hat sich neben Google und Direktzugriffen zur wichtigsten Leserquelle gemausert.

Content, der direkt bei Facebook liegt

Beim Verteilen von Links zu News-Artikeln via Facebook soll es aber nicht bleiben. Seit einigen Monaten mehren sich die Anzeichen, dass Facebook Medienhäuser dazu bringen will, Inhalte nicht nur zu verlinken, sondern direkt in dem Social Network zu veröffentlichen. Einen ersten, wichtigen Schritt dazu hat man mit der Neugestaltung sowie der Ausspielung von Videos gemacht: Zahlreiche Online-Medien wie der Guardian, Vice, The Economist, Buzzfeed oder bild.de präsentieren ihre Clips auf eigenen Unterseiten ihrer Facebook-Pages – und zwar nicht als eingebettete YouTube-Videos, sondern als native Facebook-Videos. Denn Social Network bietet ihnen einen wichtigen Vorteil gegenüber Clips, die über die Google-Tochter distribuiert werden: Sie fangen automatisch an zu laufen, wenn sie der Nutzer auf den Bildschirm bekommt, was mehr Aufmerksamkeit erzeugt, als nur ein Vorschaubild zu zeigen, das einen extra Klick zum Abspielen erfordert.

Karsten Lohmeyer vom Blog lousypennies.de ist der Meinung, dass so bald eine neue Generation an Facebookern in Analogie zu den heutigen YouTube-Stars entstehen könnte, die ihre Inhalte exklusiv in dem Online-Netzwerk veröffentlichen und sich die Werbeeinnahmen, die aus den Pre-roll-Ads entstehen, mit Facebook teilen (z.B. 50/50). Bei YouTube machen das heute nicht nur YouTube-Stars und Sternchen, auch Medienhäuser in Deutschland und Österreich haben Deals mit der Google-Tochter, bei denen sie sich Werbeeinnahmen teilen. Partnerschaften mit Bloggern und Medienhäusern müssen aber nicht nur Videos betreffen, auch Artikel könnten exklusiv bei Facebook veröffentlicht werden.

2012 hat Facebook gemeinsam mit der Washington Post und dem Guardian versucht, so genannte Social-Reader-Apps zu etablieren. Diese Anwendungen waren innerhalb des Social Networks zu nutzen und teilten Freunden automatisch mit, was der User gerade so liest. Der anfängliche Traffic-Schwall legte sich bald, weil sich bei den Nutzern ein Unwohlsein wegen dem damals als “frictionless sharing” bezeichneten ungefragten Auto-Teilen einstellte.

Partnerschaften mit Online-Medien

Wie aus der Branche zu hören ist, strebt Facebook derzeit wieder Partnerschaften mit Medienhäusern an. Immer wieder fallen die Namen Vice Media und Vox Media (The Verge, Vox.com, u.a.), zwei aufstrebende Digital-Publisher. Medienprofi Jonathan Hunt, der bis vor einigen Monaten für Vice werkte und jetzt für Vox Media arbeitet, ist eine der Schlüsselfiguren in dem Spiel. Bei Vice Media hat er eine so genannte “co-sale partnerships” entwickelt und unter anderem mit Facebook eingefädelt, die folgendermaßen funktioniert: Vice produziert für Werbetreibende spezielle, native Inhalte, die für Facebook optimiert sind, und teilt sich mit Facebook die daraus entstehenden Werbeeinnahmen. Facebook bietet Vice im Gegenzug einen besseren Zugang zu Nutzerdaten und Analyse-Tools, die dafür sorgen sollen, dass der Content eine größere Reichweite bekommt.

Bei Vox Media ist Hunt ebenfalls dabei, solche “co-sale partnerships” aufzubauen. Zum besseren Verständnis: Vice Media und Vox Media haben eigene Abteilungen von Content-Machern, die Werbung für Kunden produzieren. Diese Werbung soll dabei nicht wie Werbung anmuten, sondern spannende, lustige, berührende etc. Storys rund um die Marken und Produkte erzählen. Diese Inhalte werden dann nicht in herkömmlichen Online-Werbebannern beworben, sondern über Social Media verbreitet.

“Nach den Games werden die Medieninhalte kommen“, hat Dan Rose, bei Facebook für die globalen Partnerschaften und das Business Development zuständig, bereits vor drei Jahren gesagt. Das Team für die Partnerschaften wurde seither um eine ganze Reihe an ehemaligen Medienleuten (u.a. von der New York Times, CNN, The New Yorker oder The Economist, wie digiday.com berichtet) aufgestockt, welches enge Kontakte zu Medien wie Mashable oder Time pflegt. In der Paper-App, die Anfang 2014 veröffentlicht wurde, werden Inhalte von mehr als 40 Publishern (u.a. NYT, CNN, Time) bereits in einer Facebook-Anwendung angeboten. Dass das Social Network immer stärker auf Content von Verlagen baut, ist verständlich: Immer mehr Normalnutzer bevorzugen Messaging-Apps zur Privatkommunikation, während sich Facebook selbst immer mehr zur öffentlichen Internet-Plattform à la Twitter entwickelt, wo es ebenfalls stark um News-Konsum geht. Die Aufsplittung der Facebook-Plattform in rein private und rein öffentliche Kommunikationskanäle ohne Privatsphären-Mischmasch habe ich bereits hier beschrieben.

Alternative zu Google?

Der Versuch, Publisher auf seine Seite zu ziehen, könnte fruchten. Dem anderen großen Internetunternehmen, Google, stehen Medienhäuser gerade in Europa (v.a. Spanien, Deutschland) sehr kritisch gegenüber und haben Leistungsschutzrechte herbei lobbyiert, um ihre Inhalte, die Google automatisch ausliest, zu schützen. Da ist es clever, dass Facebook als Partner der Verlage auftritt und sich mit ihnen die Werbeeinnahmen, die rund um den Verlags-Content entstehen, teilen will. Fragt sich nur, ob sich die Medienhäuser auch darauf einlassen – kaum jemand will von einem übermächtigen Partner abhängig sein, der beliebig am Algorithmus des News Feed drehen kann und darüber bestimmt, wie groß die eigene Reichweite ist. Die Gefahr für Verlage, die keine Kooperation eingehen: Ihre Facebook-Reichweite könnte schnell schrumpfen.

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Dieser Beitrag erschien zuerst auf netzpiloten.de

Jakob Steinschaden ist seit 2006 publizistisch auf Papier und Pixel tätig. Er arbeitet in Österreich als Journalist und hat die beiden Sachbücher "Phänomen Facebook - Wie eine Webseite unser Leben auf den Kopf stellt" (2010) und "Digitaler Frühling - Wer das Netz hat, hat die Macht?" (2012) veröffentlicht. In seinem Blog“Jakkse.com” und in Vorträgen schreibt und spricht er gerne über die Menschen und ihr Internet – von Social Media über Netzaktivismus bis zu Start-ups

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Jakob Steinschaden | Netzpiloten

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