Christiana Figueres ist Berufsdiplomatin. Und Berufsoptimistin. „Es geht nicht mehr um die Frage, ob es eine zweite Kyoto-Periode geben wird – auf dem Tisch liegt die Frage, wie dieses zweite Periode ausgestaltet wird.“ Das ist so ein typischer Satz der Chefin des UN-Klimasekretariats. Und ein anderer: „Wir sehen eine große Dynamik in den Verhandlungen und überall guten Fortschritt“. Nicht aufgeben, soll das wohl heißen, ein neues Klimaabkommen ist noch nicht verloren, das Glas ist halb voll, nicht halb leer.
Tatsächlich aber steht die UN-Klimakonferenz in Durban auf des Messers Schneide. Ziel ist, in der südafrikanischen Stadt mindestens den „Green Climate Fund“ zu verabschieden, einen Fonds, der einmal 100 Milliarden Dollar jährlich in die Länder des Südens transferieren soll. Das soll helfen, die Folgen der Erderwärmung zu bewältigen. Doch im Angesicht der US-Schulden- und der Euro-Krise benehmen sich die Delegierten bei der Frage, wie die immense Summe aufgetrieben werden soll, wie die Kaninchen vor der Schlange: Bloß nicht bewegen! Figueres beschwichtigt auch hier: „Es ist doch klar, dass wir zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch offene Detailfragen haben.“ Als ob sie den Kaninchen schlangenreißende Zähne implantieren könnte.
Auch auf der zweiten Baustelle in Durban fehlen noch die Zahlen. Es geht um die sogenannte zweite Verpflichtungsperiode des Kyoto-Protokolls. Die erste Periode läuft Ende 2012 aus. Ohne Fortsetzung ist das einzige völkerrechtlich bindende Klimaschutzabkommen der Welt praktisch tot. Damit fiele die internationale Gemeinschaft zurück auf den Stand des Jahres 1995 – vor den entscheidenden Verhandlungen, die dann unter Schmerzen 1997 in der japanischen Kaiserstadt Kyoto zu dem gleichnamigen Abkommen führten. Aber auch hier sieht Figueres das Glas eher halb voll. „Die Delegationen werden so lange weiter arbeiten müssen, bis ein ausbalancierter Kompromiss gefunden ist“, sagt die 55-jährige Costa-Ricanerin.
Figueres ist bereits seit 15 Jahren auf dem Verhandlungsparkett der Klimadiplomatie unterwegs, zuerst in der Delegation Costa Ricas, 2008 bis 2009 dann als Vizepräsidentin der Klimakonferenzen. Im Mai 2010 benannte sie UN-Generalsekretär Ban Ki Moon zur Nachfolgerin von Yvo de Boer. Figueres sei „eine international führende Persönlichkeit“ auf dem Gebiet, bringe „eine Passion für das Thema, gründliche Kenntnis der Beteiligten und wertvolle Erfahrung aus dem staatlichen, dem gemeinnützigen und dem privaten Sektor“ mit – so die Vorschusslorbeeren damals. Inzwischen ist sie aus de Boers Fußstapfen herausgetreten.
„Erwarten Sie nicht, dass die Papiere schon perfekt sind“, sagt die Diplomatin, seit in Durban die ersten Vertragsentwürfe vorliegen. Viele Verhandlungsstränge sind quälend zäh, aber so würde Figueres es nie formulieren. „Die Regierungen werden ein paar Hausaufgaben machen müssen“, sagt die UN-Klimachefin und lächelt dabei charmant. Für die zwölf Staatschefs und die etwa 30 Außen-, Energie- und Umweltminister bedeutet das, Nachtschichten zu schieben.
Geboren wurde Christiana Figueres im August 1956 als Tochter des Präsidenten von Costa Rica, José Figueres Ferrer. Dieser hatte als Führer der Revolution 1948 die Demokratie in dem mittelamerikanischen Land begründet. Ihre Mutter Karen Olsen Beck, eine dänischstämmige New Yorkerin, war zeitweilig Costa Ricas Botschafterin in Israel und Parlamentsmitglied in Costa Rica. Christianas älterer Bruder José Figueres Olsen war ebenfalls Präsident von Costa Rica zwischen 1994 und 1998.
Die Chefin des Klimasekretariates hat Diplomatie und Führungsstärke also praktisch im Blut. Freunde wie Kritiker der Costa-Ricanerin loben ihren Charme, ihre Geduld und Ausdauer. Figueres strahlt tatsächlich eine enorme Ausgeglichenheit aus. Ein Foto mit einem Delegierten aus Laos? Sie lächelt in die Kamera. Die Frage eines Jugendvertreters auf dem Gang zwischen zwei Sitzungen? Sie nimmt sich die Zeit. Ein Kaffee in der Kantine, unter all dem Konferenzvolk? Für die UN-Klimachefin eine Selbstverständlichkeit. Auch wenn der Kaffee schnell kalt wird, weil sie beim Reden gar nicht zum Trinken kommt.
Figueres besuchte die Deutsche Schule in Costa Ricas Hauptstadt San José, das „Colegio Humboldt“, bevor sie unter anderem in London und Pennsylvania studierte. Deshalb spricht sie neben Spanisch und Englisch auch ein gutes Deutsch. Verheiratet ist sie mit dem deutschen Weltbankmanager Konrad von Ritter. Von 1982 bis 1985 arbeitete Figueres an der Botschaft Costa Ricas in Bonn. In ihrem Heimatland war sie danach in Führungspositionen im Planungs- und Agrarministerium tätig. In den USA leitete sie die Organisation Renewable Energy in the Americas (REIA) und gründete 1995 das Center for Sustainable Development in the Americas (CSDA).
Die beeindruckende Karriere einer Frau, die scheinbar nichts aus der Ruhe bringen kann. Wirklich nichts? Grau und eingefallen war ihr Gesicht am ersten Tag in Durban, als ein mörderisches Unwetter über das Konferenzzentrum hinweggefegt war und ihr Team mit den Schäden kämpfte. Manchmal lässt sie auch erkennen, wie schweißtreibend ihr Job sein muss – denn sie trägt bisweilen nachmittags ein anderes Kleid als am Vormittag. Und dann sind da noch die gefürchteten Sätze, mit denen Figueres das halb volle Glas plötzlich auskippt: „Alle müssen sich mehr bewegen, wenn sie am Ende einen Erfolg wollen.“ Die Beobachter wissen dann, es steht ziemlich schlecht bei den Verhandlungen.
Nick Reimer, Umweltjournalist bei Klimaretter.de, beobachtet derzeit die Konferenz in Durban
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