A ls im Januar 2013 die Operation Serval anlief und französische Truppen gegen Islamisten in Mali vorrückten, war Zentralafrika mal wieder in den Schlagzeilen, die üblichen Bilder vom failed continent inklusive: Armut, Krieg, Fanatismus. Prompt erklärte Ursula von der Leyen den Sahel dann auch zum künftigen Einsatzgebiet der Bundeswehr. Doch um wen geht es eigentlich, wenn Europa zum postkolonialen war on terror bläst? Der Journalist Marc Engelhardt, der seit über zehn Jahren als freier Korrespondent aus Afrika berichtet, liefert mit seinem überaus aufschlussreichen Band Heiliger Krieg – heiliger Profit Antworten. In seinem eindringlichen Porträt des Terrorismus in Afrika illustriert er, dass der Heilige Krieg hier zuvorderst eins ist: scheinheilig. Ob bei der somalischen al-Shabaab, der nigerianischen Boko Haram oder al-Qaida im Islamischen Maghreb (AQIM), am Ende gehe es selten um Ideologie, dafür umso mehr um Macht, Land und Geld. Dies zeigte sich exemplarisch beim Anschlag auf das Westgate-Shopping-Center in Nairobi, der im letzten September über 60 Opfer forderte. Denn obschon die verantwortliche al-Shabaab nominell für ein somalisches Kalifat kämpft, war das eigentliche Ziel ein anderes. Vornehmlich ging es darum, kenianische Truppen zum Abzug aus der Hafenstadt Kismaayo zu bewegen.
Jahresumsatz: 100 Mio. Dollar
Von dort organisierten die Islamisten nämlich jahrelang ihre einträglichsten Geschäfte, den Schmuggel von Holzkohle und Zucker. Zusammen mit dem illegalen Elfenbeinhandel und Schutzgelderpressungen kam man so auf einen Jahresumsatz von bis zu 100 Millionen Dollar.
Ähnlich gewinnorientiert operiert auch die jüngst aus Mali vertriebene AQIM. Das Label „al-Qaida“, welches sich die vermeintlichen Gotteskrieger hauptsächlich zulegten, um ihren Wert auf dem globalen Terrormarkt zu steigern, kann nach Engelhardt nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Dschihad hier eher zweitrangig ist. Vielmehr agiert die AQIM wie eine Mafia, sie scheffelt Millionen mit Kindesentführungen und Zigarettenschmuggel. Und da Kapital sich vermehren will, sucht man stetig neue Investitionsmöglichkeiten in Form von Fast-Food-Ketten oder Wohnungsbau. Terrormilizen wie Joseph Konys Lord’s Resistance Army (LRA) machen sich indes schon gar nicht mehr die Mühe, irgendwelche Deckmäntel zu schneidern. Der ugandische Warlord, der 2012 durch ein virales Webvideo weltbekannt wurde, behauptet zwar, göttliche Stimmen zu hören, politische Ziele kann er aber nicht benennen. Die LRA, die mittlerweile über 40.000 Kinder verschleppt oder ermordet hat, genügt sich im modernen Raubrittertum. Engelhardt beschreibt den Terrorismus in Afrika als international vernetzte Schattenökonomie, in der Gangster-Dschihadisten und Narko-Mafiosi, politisch subventioniert von korrupten Eliten, die permanente Perpetuierung der Gewalt als Geschäftsgrundlage brauchen. In der Zentralafrikanischen Republik (ZAR) trägt man dieser diffusen Allianz des Terrors bereits begrifflich Rechnung, alle Waffenträger werden schlicht als „coupeurs de route“, Wegelagerer, bezeichnet.
Lieber Neokolonialisten
Bei den Leidtragenden herrscht unterdessen Apathie. So trifft Engelhardt Bürger der ZAR, die sich tatsächlich nach Jean-Bédel Bokassa zurücksehnen, jenen bis 1979 herrschenden Kleptokraten, der sich nicht nur zum „13. Apostel Christi“ und „Großmeister des internationalen Ritterordens der Briefmarkensammler“ ernannte, sondern mit seiner bombastischen Kaiserkrönung auch das gesamte BIP seines Landes verprasste. Nur, Bokassa plünderte den Staat zwar hemmungslos aus, aber immerhin herrschte unter ihm Frieden. Vor ähnlichem Hintergrund erklärt sich auch, warum nicht wenige Malier die französischen Soldaten nicht nur als Neokolonialisten begreifen. Die meisten wissen natürlich, dass Frankreich die Probleme oft erst geschaffen hat. Sie wissen, dass bis jetzt noch jeder Despot in Paris abgenickt wurde und die Grande Nation vor allem auf Rohstoffe und Absatzmärkte aus ist. Manchem erscheint das indes schlicht als geringeres Übel.
Illustriert Engelhardt also einprägsam, dass der Terrorismus in Afrika meist weniger mit eifernden Gotteskriegern denn mit kriminellen Geschäftemachern zu tun hat, so wird klar, dass diese Konflikte sich nicht militärisch lösen lassen. Denn erst wenn Korruption eingedämmt und ökonomische Perspektiven kreiert sind, werden Gangster-Dschihadisten keinen Nachwuchs mehr finden. Und dann schaffen es hoffentlich auch vermehrt jene Bilder in die Nachrichten, die das andere, boomende Afrika zeigen. So wie beispielsweise in Angola. Mittlerweile wandern immer mehr Portugiesen in die florierende Exkolonie aus.
Heiliger Krieg – heiliger Profit. Afrika als neues Schlachtfeld des internationalen Terrorismus Marc Engelhardt Ch. Links Verlag, 224 S., 16,90€
Was ist Ihre Meinung?
Kommentare einblendenDiskutieren Sie mit.