Alenka Bratušek ist 43 Jahre alt und regiert seit März 2013 als Premierministerin Slowenien. Sie hat an der Ljubljana Universität Management studiert
Foto: Jure Makovec / AFP
Slowenien ist ein Land großer Männer. Staatsgründer Milan Kučan zum Beispiel war im Kreise der Präsidenten jugoslawischer Republiken der größte. Er lernte by doing, was einem im Blickpunkt der Öffentlichkeit ja besonders schwer fallen muss, wandelte sich zum Demokraten und wuchs später zu einer moralischen Autorität heran. Janez Janša, zuletzt Regierungschef, ist sogar ein richtiger Titan. Man muss seinen düsteren Antikommunismus und sein Sendungsbewusstsein nicht mögen, um ihn als einen anzuerkennen, der die Welt bewegt. Zoran Janković schließlich, sein Herausforderer, genießt in der ganzen Region einen legendären Ruf als der Mann, der mit einer Handelskette den ganzen Balkan eroberte. Und Janez Drnov#
#353;ek, dem vorletzten Präsidenten, wurde das Land zu klein, sodass er sich im Darfur-Konflikt als Vermittler anbot.Jetzt allerdings, wo es dem Land schlecht geht, regiert in Ljubljana eine Beamtin mit Einfamilienhaus, die in ihrer Freizeit am liebsten dem halbwüchsigen Sohn beim Fußballspielen zuguckt. Alenka Bratušek, 41, war zuletzt Abteilungsleiterin im Finanzministerium mit Zuständigkeit für den Haushalt. Mit großen Männern hat sie Erfahrung. Slowenien, und das gilt besonders für seine Finanzminister, führt seit zwei Jahrzehnten einen ideologischen Grundsatzstreit. Bratušeks Job war, gut zuzuhören, zu nicken und dann das zu tun, was eh nötig war, egal was die Herren da erzählten.Letzte Woche nun hat die neue, dem Etikett nach linke Premierministerin ganz ohne jede ideologische Begründung ein großes Privatisierungsprogramm angekündigt. So soll Slowenien dem Euro-Rettungsschirm entkommen. Unternehmen, die direkt oder indirekt im Staatsbesitz stehen, sollen privatisiert werden. Auch eine der beiden großen Staatsbanken soll dabei sein. Das hat noch keiner unternommen, auch nicht Bratušeks rechter Amtsvorgänger Janez Janša, der zwar immer wüst gegen die Wirtschaftsmacht des Staates polemisiert hatte, sie dann aber, als sie ihm selbst zufiel, wiederum recht komfortabel fand.Ein großes Privatisierungsprogramm wäre das Ende des slowenischen Sonderwegs. Als einziges Übergangsland hat die Republik in der Südfalte der Alpen nach der großen Wende um 1990 keine Banken ans Ausland verkauft und Investoren keine Brücken gebaut. Privatisiert wurde nur formal, an große, anonyme Fonds, und am Ende landeten die Unternehmen dann doch wieder bei den Staatsbanken. Das slowenische Modell war immer umstritten. Vor allem ausländische Investmentbanker und ihre Volkswirte schüttelten die Köpfe, und manche EU-Botschaften schäumten richtig über die Regelverletzung. Als Slowenien dann 2009 zusammen mit den baltischen Ländern am heftigsten in die Krise geriet, herrschte entsprechend Häme.Nur wenige wussten so gut wie die damals noch unbekannte Beamtin Bratušek, dass es um Modelle gar nicht mehr ging. Mit der Krise bündelten sich die faulen Kredite alle bei den Staatsbanken. Der Staat musste sie stützen, nahm zugleich aber immer weniger ein. Das Defizit stieg und stieg. Für neue Anleihen musste die Republik zeitweise bis zu sieben Prozent Zinsen zahlen. Zehntausende Slowenen gingen auf die Straße; nicht für ihr „slowenisches Modell“, sondern gegen Korruption und gegen eine politische Klasse, die noch immer die alten Hahnenkämpfe aufführte.Alenka Bratušek stammt aus einem Dorf bei Celje. Als sich in den Neunzigern die Kinder der Politiker im Oberseminar zu Ljubljana über Sloweniens künftigen Weg die Köpfe heiß redeten, schrieb sie gerade ihre Abschlussarbeit über die Absorptionsfähigkeit von Einlagen. Nach einem Jahr Berufserfahrung als Textilingenieurin trat sie ins Finanzministerium ein. Dort brauchten die großen Denker stille, verlässliche Frauen, die die Arbeit machten und ihnen den Rücken freihielten. Bratušek durfte unter zwei gegensätzlichen Ministern dienen. Als es die junge Frau in die Politik zog, fand sie keine Heimat. Sie probierte es mal hier, mal da und landete schließlich bei der Liste Positives Slowenien, einer Anti-Parteien-Partei um den Macher, Manager und Hauptstadt-Bürgermeister Zoran Janković. „Links“ ist die Liste nur, weil sie nicht rechts ist: Weil sie keiner neoliberalen Ideologie huldigt und auch nicht der Meinung ist, dass im Zweiten Weltkrieg die Partisanen genauso schlimm gewesen wären wie die Nazis.Mit ihrem Werdegang müssten der integren, durch und durch kleinbürgerlichen Bratušek eigentlich die Herzen der skeptischen Generation zufliegen, die in den letzten Monaten so viel demonstriert hat. Tun sie aber nicht; oder wenigstens bisher nicht. Nicht nur bei der Opposition wird Bratušek reserviert aufgenommen. Manche halten sie für eine Marionette des Zoran Janković, der noch immer die Fäden ziehe. Machos mokieren sich über ihre Stilunsicherheit und machen das an der Kleidung fest: zu kurze Röcke, zu schrille Schuhe – wie sollte sie damit in die Fußstapfen dieser großen Männer wie Kućan oder Janša treten. Den jungen, gut ausgebildeten Slowenen, die alle perfektes Englisch sprechen, stieg angesichts eines missglückten CNN-Interviews ihrer Premierministerin die Fremdschämröte ins Gesicht. Ein eloquenter Herr der alten Garde hätte ihnen besser gefallen. Ganz so skeptisch ist die Generation vielleicht doch nicht.Aber auch von ihrem neuen Chef, dem Wähler, lässt Bratušek sich anscheinend wenig beeindrucken. Sie stürzte Janez Janša, den Titanen, mit einem Misstrauensvotum. Dann brachte sie in Rekordzeit eine Regierung zusammen, alles gegen die pessimistischen Prognosen. Schafft sie wirklich die Privatisierung, findet sie Interessenten und saniert den Haushalt, hat sie mehr geschafft als jeder ihrer Vorgänger.
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