Brutale Gewalt

Presseschau Nach den Ausschreitungen in Griechenland mit drei Toten schwappen immer noch die üblichen Ressentiments durch die deutsche Presselandschaft

Altbewährtes bei der BILD: Gewallt, Krawalle, der Staat habe die Kontrolle verloren. Die griechische Regierung kommt bei dem Boulevard-Blatt nicht gut weg – und schürt fleißig weiter die Ängste der Bevölkerung: „Es ist wie bei einer Salami: Scheibchenweise kommen die wahren Kosten der Griechenland-Hilfe ans Licht! Deutschland müsste bis zu 11 Milliarden Euro zusätzlich bereitstellen. Dann würden wir statt 22,4 mehr als 33 Milliarden Euro nach Griechenland schieben. Geld, das wir nie mehr wiedersehen?“ und kommentiert „ Es wäre ein Albtraum, wenn der Patient Griechenland am Ende ganz Europa infiziert.“

Damit nimmt die BILD bezug auf eine Meldung der Süddeutschen Zeitung. Das Münchner Blatt deckte auf, dass die Griechenland-Rettung teurer werden könne, als bislang erwartet: "Das ergibt sich aus einer Vorlage des Bundestags-Haushaltsausschusses, die der SZ vorliegt.Das liegt an einer Hilfe für jene Mitgliedsländer der Eurozone, die an den Kapitalmärkten für Kredite einen höheren Zinssatz zahlen müssen als den, den sie für das Weiterverleihen des Geldes an Griechenland von dem südeuropäischen Schuldenstaat erhalten. Die Folge: Von den übrigen Geberländern können diese Gläubiger einen Zinsausgleich verlangen."

Zu den Kosten äußert sich Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) in den Dresdner Nachrichten. Er habe an die SPD appelliert, dem Gesetz zur Rettung Griechenlands vor dem Staatsbankrott zuzustimmen: «Die Märkte achten darauf, wie die Hilfe jeweils national vertreten wird. Da haben wir alle eine Verantwortung, auch die Opposition».

JU-Chef Philipp Mißfelder hingegen kümmert sich um das Wesentliche. Den "Deutschen-Hass" in Griechenland könnte er "gar nicht nachvollziehen", sagt der außenpolitische Sprecher der Unions-Fraktion den Zeitungen der WAZ-Gruppe. Über die Proteste der Griechen kann er sich nur "ärgern".

Verdienstvoll ist hingegen die Berichterstattung der Frankfurter Rundschau. Das Blatt setzt sich mit den üblichen Griechen-Klischees auseinander: „Kein Volk von Frührentnern und Faulenzern. Lassen die Griechen es sich auf Kosten Europas gut gehen? So lautet ein gängiges Vorurteil. Die Realität sieht anders aus. Tatsächlich liegt die durchschnittliche Wochenarbeitszeit mit 41,6 Stunden deutlich über dem EU-Durchschnitt (37,4 Stunden). Die Griechen gehen auch nicht früher in Pension: Das mittlere Renteneintrittsalter liegt mit 61,4 Jahren genau im EU-Durchschnitt. In Deutschland sind es 61,7 Jahre.“

Auf Lokalkolorit setzt dagegen die Stuttgarter Zeitung. Sie lässt die ehemalige Vorsitzende der griechischen Gemeinde in Stuttgart, Maria Kementzetzidou, über die Krise und das Griechen-Bild in der deutschen Öffentlichkeit sprechen. Fazit: „Das Bild, das die Medien zeichnen, das aber mit der Wirklichkeit nichts zu tun hat.“

Übers Ziel hinaus schießt die Ostsee-Zeitung: „Eine nicht unerhebliche Minderheit aber setz auf Widerstand und verteidigt verbissen Besitzstände. Mancher tut das mit brutaler Gewalt. Wenn es nicht geling, die Proteste wieder in ruhigere Bahnen zu steuern, könnte das Land nun entgültig in den Ruin steuern. Generalstreiks steigern nicht das Bruttosozialprodukt. Und sollte gar Anarchie die Oberhand gewinnen, helfen auch keine Milliarden aus dem Ausland mehr.“

Ein wenig gemäßigter geben sich die Kollegen vom Hamburger Abendblatt. Sie schreiben: „In Griechenland wird auch Europa gerettet“. Angela Merkel habe zu lange taktiert – zum Schaden der Gemeinschaft.

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Geschrieben von

Nora Ancheva

Der Mensch und die Welt

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