Die SPD wird nicht mehr glaubhaft werden

Lohndumping Zwischen Programm und Regierungshandeln liegen bei der SPD Welten. Das Auseinanderfallen derGesellschaft hat sie über die Stärkung des Niedriglohnbereichs befördert.

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Der deutschen Wirtschaft geht es gut. Mehr als das. Das BIP steigt in diesem und im nächsten Jahr wohl so um 1%. Der Exportüberschuss (zugleich die Verschuldung anderer Volkswirtschaften bei uns) wird in 2012 so hoch sein wie nie und bei rd. 210 MRD. EUR sich einpendeln. Der DAX bewegt sich stetig bei rund 7.000 Zählern. Die Unternehmen – die meisten zumindest – verdienen saugut und erhöhen Dividenden wie Eigenkapital. Die Arbeitslosigkeit ist im Juli bei 6,5% bundesweit und damit so niedrig wie seit 1991 nicht mehr.

Der deutschen Wirtschaft geht es schlecht. Dem Teil der Wirtschaft, der für die Werte sorgt, denjenigen, die ihre Arbeit geben, weil sie nichts anderes haben, geht es schlecht. Wachstum, Gewinn, Wert und Prognosen der Unternehmen sind über Lohndumping erkauft.

In keinem anderen Land der OECD – Ausnahmen GB und Polen – ist der Niedriglohnsektor so stark wie in D. Rund 21% aller Beschäftigten (Betriebe >10 Mitarbeiter) verdienen weniger als 10 Euro vierzig. Vor sechs Jahren waren das noch 18,7%. Und da ist die Inflation noch nicht eingerechnet, die ceteris paribus eigentlich zu einem Absinken dieser Prozentzahl hätte führen müssen. Tendenz des Niedriglohnsektors: steigend.

Es geht dabei nicht nur um Hilfsarbeiter. Es geht auch um Facharbeiter und Akademiker. Sie verdingen sich als Mini-Jobber. 400 EUR-Kräfte, Praktikanten/Dauerpraktikanten, sind Aufstocker und vor allem Leiharbeiter.

Diese Entwicklung gründet wesentlich in den Agenda-Gesetzen der Schröder/Fischer-Regierung. „Wir haben einen funktionierenden Niedriglohnsektor aufgebaut“ sagte Schröder auf dem Weltwirtschaftsforum dazu in 2005. Na ja, was daran funktioniert hat er wohl exklusiv. Es wird auf lange Sicht die Gesellschaft D. beschädigen, tut es schon jetzt. Funktional ist dies allerdings kurzfristig für die prosperierenden Unternehmen. Kurzfristig.

Solcherlei Taten werden der SPD nicht „verziehen“. Wie denn auch, ist sie doch nicht einmal nach dem Rückzug des „Alphatierchens“ aus Hannover bereit, die dem Machterhalt gezollte Zustimmung als Partei zu revidieren. Wenn sie jetzt einen Mini-Schröder als Kanzlerkandidaten installiert, wird sie wissen, was sie tut. Hoffentlich.

Den Albrechtschen Beitrag „Die SPD hat dann eine Chance, wenn sie sich sozialdemokratisiert“ kann man getrost als Märchen, wahlweise als Fabel ansehen.

Beispiele für das strukturelle Auseinanderfallen zwischen Programm und Regierungshandeln bei der SPD gibt es weitere und zu Hauf. Noch gut im Gedächtnis sind mir aus dem Wahlkampf 2005 die vehemente Ablehnung der SPD für Merkels Plan einer Erhöhung der Umsatzsteuer um 2 Prozentpunkte, aus denen dann als Juniorpartner genannter Dame 3 Prozentpunkte wurden. Und die Rente mit 67, von der sich BT-Abgeordnete der SPD nicht entblödeten, sie als „keine Rentenkürzung“ zu bezeichnen.

Diese SPD ist nicht wählbar, weil sie nicht glaubhaft ist, es nie war. Und leider wohl auch nicht mehr werden wird. Damit allerdings – das mag ihr Trost sein – ist sie in guter (schlechter) Gesellschaft.

Den Anstoss zu dem Text gab ein Artikel in "brand eins", 11/2012: Weil Sie es können.

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Geschrieben von

oi2503

Wat dem een sin uul is dem annern sin nachtigall

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