Potsdamer Rumpelstilz

Thälmann-Gedenkstätte in Berlin Platzeck-Ministerialer will sie mit Höchstprofit vernichten

"›Heißt du etwa Rumpelstilzchen?‹
›Das hat dir der Teufel gesagt, das hat dir der Teufel gesagt‹, schrie das Männlein und stieß mit dem rechten Fuß vor Zorn so tief in die Erde, dass es bis an den Leib hineinfuhr, dann packte es in seiner Wut den linken Fuß mit beiden Händen, und riss sich selbst mitten entzwei."

Solch ein Ende wird es, mutmaßlich, mit dem Potsdamer Rumpelstilz nicht nehmen. Er heißt auch gar nicht Rumpelstilz, sondern **** ******, seinen Namen weiß ich, aber ich darf ihn nicht nennen. Davor schützt ihn im Namen des Volkes das Landgericht Berlin. Herr Rumpelstilz hat zu dem Geiz-ist-geil-Preis von nur 86.000 Euro ein 4.648 Quadratmeter großes Seegrundstück in Ziegenhals gleich gegenüber Berlin ersteigert - aus Treuhand-Besitz. Auf dem Grundstück steht die Thälmanngedenkstätte - dort, im Sporthaus Ziegenhals haben sich führende KPD-Funktionäre, halb schon in der Illegalität, im Februar 1933 zum letzen Mal getroffen. Die Gedenkstätte steht, laut Auktionskatalog, "unter Denkmalschutz, und eine öffentliche Nutzung ist vom Besitzer weiterhin zu gewährleisten. Für das Gesamtobjekt besteht Umgebungsschutz."

Herr Rumpelstilz pfeift auf Denkmal und Umgebungsschutz. Er will die Gedenkstätte abreißen und auf dem Grundstück mehrere profitable Doppelhäuser errichten. Herr Rumpelstilz kennt sich da aus. Er ist ein hoher Ministerialbeamter zu Potsdam in der Regierung des sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Matthias Platzeck. Herr Rumpelstilz steht hoch oben in der Bauaufsicht, und er ist als Spezialist für einschlägige Fragen an die Öffentlichkeit getreten. Letztes Jahr, nachdem er sich gerade die Gedenk- und Versammlungsstätte zum Schnäppchenpreis unter den Nagel gerissen hatte, veröffentlichte er als Koautor ein Werk über den Betrieb und Bau von Versammlungsstätten. Rundum also ein durch Amt und Wissenschaft abgesicherter Fall von Selbstbedienung.

Herr Rumpelstilz hat die Schlösser ausgetauscht, das Grundstück abgesperrt, der Freundeskreis der Thälmann-Gedenkstätte, der sich dort regelmäßig versammelte, ist ausgesperrt. Und der Freundeskreis wird wider Recht und Gesetz auch ausgesperrt sein, wenn er sich am Sonntag um 11.30 Uhr vor der Gedenkstätte treffen wird, zur Erinnerung an den 60. Jahrestag (18. August 1944) der Ermordung Ernst Thälmanns durch einen gehorsamen Staatsdiener.

Mit Hilfe des Landgerichts Berlin - es sitzt im Westen der Stadt, auch Herr Rumpelstilz kommt aus dem Westen und wohnt in derselben Straße, in der sein Recht gesprochen wird - wird neuerdings auch die Berichterstattung abgeräumt. Wer immer über den Fall Rumpelstilz berichtet und dabei dessen wahren Namen nennt, wird abgeurteilt. Das Gericht hat stets unter Berufung auf "die freie Entfaltung der Persönlichkeit" (in der Anonymität) zugunsten von Rumpelstilz entschieden.

Sein Name darf inzwischen schon deshalb nicht genannt werden, weil Rumpelstilz - so ein Urteil des sachkundigen Landgerichts vom 22. Juni - "flächendeckend gegen eine Vielzahl von Veröffentlichungen vorgegangen ist, in denen sein Name genannt wurde. Auch gegen eine Veröffentlichung im Magazin Der Spiegel ist der Kläger vorgegangen und hat zwischenzeitlich eine - nicht strafbewehrte - Unterlassungserklärung des Verlages erwirkt." Dass kleine Blätter und online-Dienste auch solche Erklärungen unterschrieben - geschenkt, sie können sich den teuren Rechtsweg, notfalls bis zum Bundesverfassungsgericht, nicht leisten. Und dass Rumpelstilz tut, was er kann, um unbekannt zu bleiben, ist verständlich, wie sehr ihm das Gericht dabei hilft, weniger. Verblüffend aber ist wohl, dass das große und reiche deutsche Nachrichtenmagazin sich demütig unterwirft und diesen für die Pressefreiheit in unserem Land so wichtigen Fall Rumpelstilz nicht bis zur letzten Instanz durchficht. Seitdem der Kanonier Augstein tot ist, wird das "Sturmgeschütz der Demokratie" eingemottet.


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