Russisches Omelett

KEHRSEITE Was hat die deutsche Sprache mit der russischen zu tun? Recht wenig, habe ich immer gedacht. Seit einer USA-Reise bin ich mir nicht mehr so sicher ...

Was hat die deutsche Sprache mit der russischen zu tun? Recht wenig, habe ich immer gedacht. Seit einer USA-Reise bin ich mir nicht mehr so sicher ...

Es begann in einem kleinen Restaurant am Montauk Highway auf Long Island. Die Kellnerin, eine freundliche junge Schwarze, fragt uns, woher wir kämen. Auf unsere Antwort macht sie große Augen. From Germany? Das habe sie nicht gedacht, denn wir sprächen mit russischem Akzent. Jetzt machen wir große Augen. Doch, doch, sie habe viele russische Freunde und die hörten sich genauso an wie wir.

Nun ist ein russischer Akzent gewiss ebenso wenig ehrenrührig wie ein deutscher. Aber kann man die beiden verwechseln? Bisher hätte ich die Frage mit einem entschiedenen Njet beantwortet. Njet ist, by the way, eines der wenigen russischen Wörter, die mir geläufig sind. Ich kenne es seit der Zeit, da ein Mr. Gromyko so ausgiebig davon Gebrauch machte, dass er in die Geschichte der Vereinten Nationen als Mr. Njet eingegangen ist. Außerdem kenne ich das Wort Nasdrowje.

»Nasdrowje«, sagten wir beim Anstoßen versuchsweise, aber wir sagten es mit so gedämpfter Stimme, dass die schwarze Kellnerin es nicht hören konnte. Sonst hätte sie uns wahrscheinlich für Russen gehalten, die sich als Deutsche ausgeben. Gleichwohl wollen wir nicht verschweigen, dass es in dem Restaurant auch eine Kellnerin gab, die beinahe ins Schwarze getroffen hätte, als sie nach unserem Herkunftsland fragte: »Denmark?«

Im Zeitschriftenladen des John-F.-Kennedy-Airport zögere ich, nach deutschen Zeitungen zu fragen. Womöglich drückt man mir noch die Prawda in die Hand. Aber da sehe ich schon ein namhaftes Hamburger Wochenblatt im Regal. Ich hole mir ein Exemplar und gehe zur Kasse. Die Verkäuferin, eine ältere Frau hispanischer Herkunft, guckt mich neugierig an. Was das eigentlich für eine Zeitung sei, fragt sie. Eine deutsche Wochenzeitung, antworte ich; der Name bedeute »The Time«. Die Frau hört mir aufmerksam zu. Sie verkaufe diese Zeitung hier schon lange, habe aber nicht gedacht, dass es eine deutsche sei. Ja was denn sonst? »Well«, sagt die Verkäuferin, »I thought it was russian.«

Verehrte Slawisten, Germanisten, Indogermanisten - ihr habt das Wort. Ich bin mit meinem Russisch am Ende. Mit meinem Englisch aber stehe ich vielleicht doch nicht am Anfang: Wenn deutsche Wochenzeitungen in New York für russische gehalten werden, dann ist mein russischer Akzent okay.

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