Debatten über Verkehrsprojekte in Zentralasien, neue Wege von Peking nach Moskau?

Der ominöse Südkorridor Ist das Trojanisches Pferd wieder unterwegs?

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Wie anderswo auf der Welt ist auch in Zentralasien die aktuelle und zukünftige Verkehrspolitik ein heiß diskutiertes und sehr kontroverses Thema.

Im März dieses Jahres diskutierten verschiedene Experten im Sputnik-Pressezentrum in Kirgisistan über die Entwicklung von Verkehrskorridoren in Zentralasien.

Es zeigt sich klar, dass viele der derzeit für diese Region der Welt in Betracht gezogenen Pläne wirtschaftlich nicht sinnvoll umzusetzen andere wiederum aus vielerlei Gründen nicht wettbewerbsfähig sind.

Manche Dinge werden aktuell lediglich aus politisch Gründen als wünschenswert eingestuft und von der Führung des einem oder anderem Staates forciert, ohne dass die eigene Bevölkerung und die Wirtschaft einen Nutzen daraus ziehen könnte.

Dies wird insbesondere bei den Diskussionen um den sogenannten „Südkorridor“ deutlich, der offenbar ausschließlich zur Umgehung der entlang der Staatsgrenzen errichteten „Sanktionsbarrieren“ gegen Russland mehr und mehr geplant wird.

Dies macht die aktuellen Diskussionen zu diesem Thema in den kirgisischen, kasachischen, usbekischen, turkmenischen und sogar auch in den russischen Medien noch hitziger.

Manche loben das Projekt und sehen darin einen neuen wichtigen Verkehrsknotenpunkt der Menschen und Güter zusammen bringen soll, andere wiederum sind deutlich kritischer und sehen bei dem was errichtet werden soll eine Art Trojanisches Pferd der Neuzeit wenn man die Folgen negiert die das Projekt mit sich bringen kann.

Befürworter sehen darin eine echte Alternative zu bestehenden Straßen- und anderen Verkehrswegen, die die Reisezeit deutlich verkürzen können soll.

Dies würde beispielsweise sozusagen Russland und China einander näher bringen. Wenn man dieses Projekt umsetzt ändern sich die bisherigen Hauptrouten und der Warenfluss von China nach Russland würde über Kirgisistan, Usbekistan und Turkmenistan mit einer weiteren Abzweigung über das Kaspische Meer verlaufen.

Es stünde anschließend zu erwarten, dass die Sanktionen des Westens gegen Russland leichter umgangen werden könnten.

Kasachstan dass dieses Thema weit ernster nimmt und seine Grenzen gegen den illegalen Handel immer mehr abschottet hat mittlerweile bereits des Öfteren kirgisische Transporteure festgesetzt die regen illegalen Handel mit Russland trieben.

So wurden auch Drohnen und andere Güter mit "doppeltem Verwendungszweck", also einem zivilen und einem militärischen aufgespürt und beschlagnahmt.

All diese Bemühungen könnten zunichte gemacht werden, wenn man nur „einfach“ einmal die Routen ändert.

Aber nicht nur mancher Politiker schwärmt von diesen neuen Möglichkeiten sondern auch der eine andere Journalist begräbt seine Unabhängigkeit und preist diesen Korridor als würde er dafür bezahlt werden.

Aber selbst wenn man die Sanktionsfrage außen vor lässt, zeigt sich bei genauer Betrachtung dass dieses Projekt weder das kürzeste noch das komfortabelste wäre.

Sogar kirgisische Transportunternehmen, die auf multimodalen Gütertransport spezialisiert sind, haben Bedenken darüber angemeldet, dass die Route von Bischkek (Kirgisistan) über Usbekistan und Turkmenistan nach Astrachan (Russland) tatsächlich sehr schwierig zu entwickeln sei.

Bereits der erst Abschnitt von Bischkek bis zur usbekischen Hauptstadt Taschkent führt durch hohe Berge, die im Winter nur besonders mühsam passierbar sind.

Derzeit dauert alleine nur die Bewältigung dieses ersten Abschnittes mit einer Länge von 1.079 Kilometern bei guten Bedingungen rund einen Tag. Der Rest der Strecke führt in Folge von Taschkent nach Aschgabat in Turkmenistan und ist weitere 1.301 Kilometer lang für die man wiederum unter Idealbedingungen einen weiteren Tag benötigt.

Der dritte Abschnitt der Route führt dann über 570 Kilometer zum Hafen von Turkmenbashi wo dann erst der Seeweg über das Kaspische Meer nach Russland im Eigentlichen beginnen könnte. Die Entfernung beträgt diesmal dann abschließend rund 800 Kilometer die von den Schiffen zu bewältigen sind.

Wir wissen aber auch dass bei See Transporten immer wieder etwas passieren kann, umschlagendes Wetter, von Problemen beim Umladen der Waren was zu beträchtlichen Verzögerungen führen kann, bis zu mangelnden Ressourcen im Materialbereich.

Denn die Kaspische See weist noch eine zusätzliche Besonderheit auf, speziell vor dem russischen Astrachan wo der Korridor ja enden soll, ist das Wasser sehr flach und daher nur für wenige Schiffsbautypen geeignet. Diese dürfen keine Schiffsfrachtkapazität über 500 Tonnen aufweisen.

Nimmt man zum Vergleich einen durchschnittlichen Güterwagen, beträgt dessen Tragfähigkeit je nach Typ von 66 bis zu 125 Tonnen.

Das bedeutet, dass nur 10 Güterwaggons auf ein Schiff nach Astrachan verladen werden können und eine ganze Armada nötig wäre, um einen ausreichend wirtschaftlichen Ferntransport zu gewährleisten und es daher auch zu einem permanenten Rückstau beim Ver- und Entladen käme.

Diese Handelsflotte müsste außerdem überhaupt erst einmal gebaut werden, was für den vorgeblich so unkomplizierten Südkorridor eine mehrjährige Verzögerung selbst im idealsten Fall bedeuten würde.

Es ist daher offensichtlich, dass diese alternative Route unter Umgehung kasachischen Bodens weder gut durchdacht ist, noch einen geeigneten Ersatz für den bisherigen Weg darstellt.

Befürworter des Südkorridors träumen jedoch bereits davon, die Route nach Europa fortzusetzen. Die Kapazität des Hafens Turkmenbashi würde dies tatsächlich ermöglichen, er verfügt ausstattungstechnisch über eine Kapazität für einen Jahresumschlag in Höhe von 17 Millionen Tonnen, dies noch ohne Erdölprodukte.

Allerdings ist der Güterumschlag derzeit noch schwach – im Jahr 2023 werden etwa nur 2 Millionen Tonnen via den Hafen abgewickelt.

Insbesondere wird auch die entwickelte Hafeninfrastruktur allein nicht ausreichen, um von China über Kirgisistan, Usbekistan und Turkmenistan im akzeptablen Zeitrahmen nach Europa zu gelangen.

Es gälte auch, die sonstige Transportstruktur Kirgisistans zu lösen, die als einer der entscheidenden „Engpässe“ auf der Südroute gelten. . Abgesehen von vereinzelten kleinräumigen Verbesserungen der Verkehrsnetze, die größtenteils durch chinesische Kredite finanziert wurden, bleibt die Tatsache bestehen, dass der Großteil des Straßennetzes durch die Berge verläuft,

Was auch dann nicht zu ändern ist, wenn man viel Geld investiert und immer einen Zeitnachteil gegenüber flacheren Ländern darstellt.

Laut einer Bewertung des Weltwirtschaftsforums aus dem Jahr 2022, in der die Qualität der Straßennetze in 137 Ländern verglichen wurde, belegte Kirgisistan nur den 113. Platz.

Hinzu kommt auch noch das unterentwickelte und veraltete Eisenbahnnetz des Landes, dessen Verbesserung, selbst wenn man es ab jetzt massiv vorantreiben würde viele Jahre in Anspruch nehmen würde.

Darüber hinaus wird das Land und seine Bevölkerung kaum davon profitieren, da China nur an einer schnellen Route durch das Land hindurch interessiert ist, wovon Kirgisistan für lokale Zwecke nichts haben wird, aber trotzdem auf Jahrzehnte die Kosten für die Bahnkredit stemmen müsste; Wenn jemand von allen neuen Transitzonen auf der Südroute profitiert, dann sind es die anderen.

Das Gleiche geschah mit dem Bau der Autobahn China-Kirgisistan-Usbekistan, der mehrmals verschoben werden musste. Und auch aus Afrika sind solche Schaffungen von Verschulden und Abhängigkeit bereits bekannt.

Aus all dem heraus kann man, wenn man nicht das Wider komplett ignoriert, dass der Südkorridor in naher (oder sogar ferner) Zukunft nicht in der Lage sein wird, mit anderen Transportrouten, die von China nach Russland oder Europa führen, zu konkurrieren.

Somit macht die Vermeidung und bewusste Aussparung Kasachstans keinen wirtschaftlichen Sinn und scheint nur dazu gedacht zu sein, in Zeiten der Sanktionen als politisches Druckmittel zu dienen und im wahrsten Sinne des Wortes neu Wege zu finden die durchs Dunkle und Verborgene führen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
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