Putins Deal

Besuch an der Themse BP darf russische Quellen anzapfen, und der Präsident erhält eine königliche Kulisse für seinen Wahlkampf

Zweierlei beabsichtigte Präsident Putin mit seiner Visite im Vereinigten Königreich: die kriegsgeschädigten russisch-britischen Beziehungen zu kitten sowie den Kreis jener zu erweitern, die künftig am Szenarium einer "neuen Weltordnung" mitschreiben. Die Harmonisierung ist ihm glänzend gelungen, die Erweiterung leider nicht.

"Unsere Differenzen hinsichtlich des Irak gehören der Vergangenheit an. Jetzt gilt es, den Blick nach vorn zu richten." Das verkündete Tony Blair nach Abschluss der politischen Gespräche mit gutem Grund. Nur Stunden vorher war ein lang gehegter Wunsch des Premiers in Erfüllung gegangen: British Petroleum, die zweitgrößte Ölgesellschaft Europas, hatte sich mit der russischen Ölfirma TNK darauf verständigt, mehr als sechs Milliarden US-Dollar zu investieren, um gemeinsam den zehntgrößten Öl- und Gasproduzenten der Welt zu bilden. Für Großbritannien ein wichtiger Schritt bei der Erschließung neuer Energielagerstätten nach dem Ende des Nordseebooms und angesichts der schwierigen politischen Verhältnisse im Nahen Osten, für Russland eine vermeintlich lukrative Geldquelle. "Blair und Putin: Verbunden durch Öl und Gas" - so der Tenor der russischen Presse.

Der Irak-Krieg war gestern. Ein Narr, wer heute noch daran erinnert. Nicht minder närrisch jedoch, wer gehofft hatte, Präsident Putin werde Russland in London als eine Kraft präsentieren, die - nach der bedingungslosen Kapitulation Schröders und Chiracs vor der machtpolitischen Arroganz der Bush-Administration - die Fahne Europas in der Weltpolitik hochhält. Putin kam nicht als russischer Politiker mit europäischen Absichten, sondern schlicht als Wahlkämpfer in die britische Hauptstadt. Nicht nach aufreibenden politischen Debatten stand ihm der Sinn, sondern nach Small Talk mit Englands adliger Kaste. Seine Begegnungen mit der Queen und deren Gefolge nutzte das ehemalige KPdSU-Mitglied als pompöse Kulisse, um sich mit Blick auf die demnächst anstehenden Parlaments- und Präsidentschaftswahlen den eigenen Bürgerinnen und Bürgern als neozaristischer Herrscher zu empfehlen, der allein in der Lage ist, Russland zu altem Glanz und alter Größe zu führen. Hatte er sich während der 300-Jahrfeier seiner Heimatstadt Sankt Petersburg noch hinter der Figur Zar Peters des Ersten versteckt, präsentierte er sich in London als direkter Nachfolger der Romanows. Überzeugt davon, die jüngste Geschichte sei im Kern die Rückbesinnung auf Traditionen, die durch die sowjetische Periode kurzfristig unterbrochen wurden, ließ er seinen Besuch zur ersten Visite eines russischen Staatsoberhauptes seit 129 Jahren hochstilisieren.

Bei soviel "Geschichtsbewusstsein" bleibt ein zeitgemäßes Politikverständnis natürlich auf der Strecke. Wie seine zaristischen Idole setzt Putin im Umgang mit dem Ausland allein auf gute persönliche Beziehungen und die Magie russischer Rohstoffe. Damit aber lässt sich die fehlende politische Substanz nicht bemänteln, auch nicht bei den Duz-Brüdern Wladimir und Tony: Öl und Gas sind die einzigen Themen, die sie wirklich verbinden. Natürlich sollen BP und TNK gutes Geld mit russischen Öl verdienen. Ob jedoch auch Russlands Volkswirtschaft davon profitieren wird, steht aufgrund unklarer gesetzlicher Bestimmungen in den Sternen. Wann wird der Kreml endlich begreifen, dass Russland als bloßer Energielieferant in einer komplexen Welt immer weniger in der Lage sein wird, an den Szenarien der Zukunft mitzuschreiben?

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