Poet der Peinlichkeit: Wilhelm Genazinos großartige Schreibwerkstatt

Porträt Wilhelm Genazinos Prosa besteht aus lauter wunderbar lakonischen Merksätzen. Das gilt auch für Genazinos Notizen, wie der Band „Der Traum des Beobachters“ jetzt anlässlich seines 80. Geburtstags belegt
Exklusiv für Abonnent:innen | Ausgabe 04/2023
Wilhelm Genazino, Mai 2007
Wilhelm Genazino, Mai 2007

Foto: Isolde Ohlbaum/laif

Warum streiche ich in Büchern, die ich lese, immer wieder einzelne Sätze an? Weil ich ihnen recht gebe? Weil sie schön sind? Weil ich neidisch auf sie bin?“, fragt sich der Schriftsteller Wilhelm Genazino im Februar 1991. Ähnlich ergeht es mir, wenn ich einen seiner vielen Romane aus dem Regal ziehe. Sie sind voller Unterstreichungen. Einzelne Sätze wirken so wie Merksätze – als bestünde sein Werk nur aus solchen, auf die man neidisch ist. „Ich halte es nur für ganz sinnlos, Meinungen zu Problemen zu haben, die von mir nicht eingesehen und von mir nicht entschieden werden können“ – ist so einer von vielen, und er stammt aus Die Kassiererinnen. Eine zufällige Wahl, denn ein Lieblingsbuch gibt es nicht, nicht ein