Transpirationsfreie Tätigkeit

Sportplatz Den aus dem Englischen entlehnten Begriff »Sport« verwendet man laut etymologischem Wörterbuch als »umfassende Bezeichnung für alle mit der ...

Den aus dem Englischen entlehnten Begriff »Sport« verwendet man laut etymologischem Wörterbuch als »umfassende Bezeichnung für alle mit der planmäßigen Körperschulung und der körperlichen Betätigung zusammenhängenden Belange«. Seitdem der Alltag zumindest in unseren Breiten weitgehend friedlich vonstatten geht, betreibt man Sport um des Spaßes willen, um den Körper sinnfrei zu stählen, ballonartig anschwellen zu lassen oder um den Mädels zu imponieren. In der Schule wird Sport eingesetzt, um der Hibbeligkeit der Gören Herr zu werden, ohne auf altmodische Zuchtmittel zurückgreifen zu müssen. Nicht zuletzt verdienen einige Menschen mittels Sport auch ihren Lebensunterhalt - wobei nach den diversen Doping- und Finanzaffären zu erwarten steht, dass der Profisport in Bälde den freigewordenen Platz der Prostitution als sittenwidriges Geschäft zugewiesen bekommt. Wie dem auch sei - man bewegt sich.

Nun kommen aber Leute daher, die gänzlich transpirationsfreie Tätigkeiten verrichten und diese »Sport« nennen! Sicher ist es ihr gutes Recht, zu eigener und/oder fremder Erbauung ihrer jeweiligen Beschäftigung nachzugehen, aber in Zeiten schleichender Sprachentkernung gilt es, den Anfängen zu wehren und klar zu sagen, worum es sich wirklich handelt: um Scheinsportarten.

Schon bevor interessierte Kreise in ganz Deutschland Scheinparks entstehen ließen - das Grüne, Ruhige, Erholsame ausschließlich im Namen führende »Einkaufs-Erlebnis-Parks« oder den in der Dreistigkeit der Namenswahl fast schon wieder genialen »Chemiepark Bitterfeld« - zeichnete sich diese Entwicklung im widerspruchslos hingenommenen Scheinsportunwesen ab.

So ist zum Beispiel Schach ein ehrenwerter Zeitvertreib und ein durchaus anspruchsvolles Gesellschaftsspiel, jedoch werden alle Kasparows und Karpows nicht bestreiten können, dass ihm das Athletische in vollem Umfang abgeht. Der glaubwürdig vorgetragene Einwand eines Bekannten, sein Freund habe sich immerhin beim Händeschütteln nach gewonnenem Turnierspiel ein Bein gebrochen (!), kann nicht überzeugen. Vielmehr ist er als Indiz für besondere Tollpatschigkeit und ganz allgemeine Unsportlichkeit der Schachspieler heranzuziehen. Ähnlich verhält es sich beim Billard, wobei es sich aber um ein Spiel handelt, bei dem die soliden Queues Anreiz zu einer körperbetonteren Regelauslegung geben. Ob die Evolution zu einem richtigen Sport gelingt, steht trotzdem in den Sternen.

Einen Sonderplatz unter den Scheinsportarten nehmen diejenigen ein, die unter Einbeziehung von Tieren ausgeübt werden. Einige davon machen zwar auch mehr oder weniger gekonnte Bewegungen des Menschen notwendig, zumeist ist dieser aber Beiwerk. Wer achtet schon beim Springreiten auf den Reiter, der sich im Sattel krümmt, oder beim Trabrennen auf den behelmten Hänfling im Sulky? Letztendlich geht es darum, die wehrlose Kreatur für sich schwitzen zu lassen. Wohl nirgendwo wird dies deutlicher als beim Angelsport und beim Hundesport - zwei Tätigkeiten, die sich eigentlich schon per definitionem nur mit Bierflasche in der Hand ausführen lassen. Nichts gegen eine gegrillte Sprotte (oder was man so fängt), und nichts gegen ein kühles Pils dazu, aber seien wir doch mal ehrlich ... Es ist auch durchaus zu begrüßen, wenn die Hundehalter ihren Bestien an geeigneter Stelle Möglichkeit zur Jagdtriebabfuhr geben, ein echter Sport würde jedoch erst daraus, wenn auch Herrchen und Frauchen geschmeidig genug würden, sich nach den Hinterlassenschaften ihrer Tiere auf den Straßen dieses Landes bücken zu können.

Zurück zum Schachsport: Wo anders würde man sich wohl bevorzugt einen Computer zum Gegner wählen? - der kann sich ja nicht mal was brechen. Interessant wäre allerdings einmal, Mike Tyson gegen Deep Junior boxen zu lassen ...

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