Da jährt sich am 21. Mai zum fünften Mal der Abgang des seinerzeit mit 32 Jahren dienstältesten Despoten in Südostasien, doch so recht gewürdigt wird das Ende des Ex-Generals Hadji Mohamed Suharto in Indonesien kaum. Erst recht nicht in der seit langem unruhigen Provinz Aceh auf Sumatra. Dort bestimmen die Militärs wieder darüber, wer als "Staatsfeind" oder "Terrorist" abgestraft wird. Ultimativ hat die Regierung in Jakarta die Bewegung Freies Aceh (Gerakan Aceh Merdeka/GAM) aufgefordert, sich ihrem Diktatfrieden zu beugen, und gleichzeitig mit der seit Jahren größten Militäroffensive auf dem Archipel beginnen. Kampfjets und Kampfhubschrauber sind von Ostjava bereits nach Nordsumatra verlegt sowie Kriegsschiffe und über 40.000 Regierungssoldaten in die Region entsandt worden. Dabei hatte alles so vielversprechend ausgesehen, als am 9. Dezember 2002 in Genf ein Friedensabkommen für Aceh - eine der ältesten Konfliktregionen in Südostasien - vereinbart wurde.
Der holländisch-acehnesische Krieg (1873 - 1903) war der längste und blutigste während der Kolonialära. Selbst nachdem der Sultan von Aceh die Waffen gestreckt hatte und der Guerillakrieg 1912 endete, sah sich die holländische Militärregierung mit Sabotageakten konfrontiert. 1953 wurde in Aceh eine unabhängige islamische Republik ausgerufen - erst im Jahre 1961 war sie aufgelöst, nachdem Jakarta dem Territorium einen Sonderstatus zubilligte. Dennoch gebot auch weiterhin die Zentralregierung über die Politik auf dem Archipel, allein sie entschied, wie mit dem Erlös der regionalen Ressourcen, besonders der bedeutsamen Öl- und Erdgasvorkommen, zu verfahren war, die seit Beginn der siebziger Jahre systematisch erschlossen wurden. Würde heute auch der Rest Sumatras auf Distanz zu Jakarta gehen, wäre ein strategischer Exportstrang Indonesiens gekappt, ganz zu schweigen von der Versorgung des Inlandes, denn momentan decken die Ölfelder in Zentral- und Südsumatra etwa 80 Prozent des landesweiten Rohölbedarfs.
Am 4. Dezember 1976 hatten sich unter Führung des heute im schwedischen Exil lebenden Muhammad Hasan di Tiro die GAM und die AGAM (8.000 bis 10.000 Mann unter Waffen) als ihr bewaffneter Arm formiert. Als die GAM zum militärischen Widerstand überging, holte Jakarta zum Gegenschlag aus. Von 1989 bis zum Ende der Ära Suharto war die Region das Counterinsurgency-Terrain par excellence. Sämtliche Methoden der Aufstandsbekämpfung konnten dort praktiziert werden.
Erst während der Präsidentschaft von Abdurrahman Wahid (1999 - 2001/s. Übersicht) schien sich die Lage zu entspannen, als erwogen wurde, die Bevölkerung Acehs in einem Referendum über ihre Zukunft abstimmen zu lassen. Das wiederum ging dem Militär zu weit, das eine Internationalisierung des Konflikts nach dem Modell Osttimor befürchtete, dessen Weg in die Unabhängigkeit ganz entscheidend den Vereinten Nationen zu danken war. Nach mehreren koordinierten Militäraktionen ("Operation Rencong") folgte die Aufstockung der Truppenstärke in Aceh auf etwa 40.000 Soldaten. "Antiterrorgesetze" ermächtigten überdies die Sicherheitskräfte, allein aufgrund geheimdienstlicher Erkenntnisse verdächtigte Personen bis zu sechs Monate festzuhalten.
Wer unter solchen Bedingungen noch immer für den bewaffneten Widerstand warb, trug schnell das Kainsmal des "Terroristen" auf der Stirn. Inzwischen hat das State Department angekündigt, die GAM auf seiner Liste "internationaler terroristischer Strukturen" platzieren zu wollen, sollte deren bewaffnete Formationen ihre Attacken gegen Bohranlagen und andere Einrichtungen von ExxonMobil nicht einstellen.
Damit scheint das in Genf gefundene Agreement über eine Waffenruhe und den Autonomiestatus vorläufig obsolet, Gleiches gilt für das Vorhaben, 2004 freie Wahlen abhalten zu wollen. Spätestens bis zum 9. Juli 2003 sollten nach den Genfer Übereinkünften die GAM-Kommandos ihre Waffen in eigens designierten Depots abgegeben und die Regierungssoldaten sich in vorgeschriebene Defensivstellungen zurückgezogen haben. Ein 150-köpfiges Gemeinsames Sicherheitskomitee unter Vorsitz eines thailändischen Generals war damit beauftragt, dies zu verifizieren, doch bereits Anfang des Jahres warfen sich die Konfliktparteien gegenseitig Vertragsbruch vor. Außerdem beklagten Nichtregierungsorganisationen vor Ort, dass die indonesische Armee mit dem Aufbau von Milizen begonnen habe, die - wie im Falle Osttimors - Furcht und Schrecken verbreiteten und sogar internationale Beobachterteams angriffen.
Inzwischen eskaliert der Konflikt. "Entscheidet man sich für ein militärisches Vorgehen", so Wiryono Sastrohandoyo, Chefunterhändler der indonesischen Regierung, vor den jetzigen Kampfhandlungen, "sollten die Operationen sorgsam geplant sein, so dass kein Krieg im traditionellen Sinne, sondern ein humanitärer Krieg geführt wird, der außerdem berücksichtigt, dass die zunehmend komplexe politische Lage in Aceh nicht ausschließlich mit militärischen Mitteln lösbar ist."
Indonesien 1998-2003
Mai 1998 - nach 32-jähriger Herrschaft tritt Suharto zurück; Nachfolger wird Vizepräsident Habibie.
Dezember 1998 - Massenproteste und Unruhen in Zentralsulawesi und auf den Molukken zwischen der indigenen Bevölkerung und Zuwanderern aus Java.
Februar 1999 - General Wiranto, Oberbefehlshaber der Armee und Verteidigungsminister, erteilt den Befehl, Unruhestifter auf der Stelle zu erschießen.
März 1999 - Habibie besucht Aceh und entschuldigt sich namens der Regierung für "vergangene Exzesse".
Juni 1999 - Megawati Sukarnoputri, die Tochter des Staatsgründers, siegt bei den Parlamentswahlen.
September 1999 - Fast 80 Prozent in Osttimor sprechen sich für die Unabhängigkeit aus. Trotz UN-Engagements verüben indonesische Militärs und Milizen ein Massaker an der Zivilbevölkerung.
Oktober 1999 - Abdurrahman Wahid wird Präsident Indonesiens, seine Vizepräsidentin heißt Megawati Sukarnoputri.
November 1999 - Wahid stellt ein Referendum in Aceh in Aussicht.
Juli 2001 - Nach Korruptionsvorwürfen muss Wahid nach einer langen politischen Zerreißprobe zurücktreten und den Weg frei machen für Megawati Sukarnoputri.
Mai 2002 - Osttimor erhält seine Unabhängigkeit.
Oktober 2002 - bei Anschlägen auf Bali sterben 200 Menschen. Landesweit werden die Sicherheitsbestimmungen weiter verschärft; die Territorialkommandos erhalten weitreichende Befugnisse.
Dezember 2002 - Jakarta und die Bewegung Freies Aceh (GAM) unterzeichnen in Genf ein Abkommen über die Beendigung der Kampfhandlungen.
Mai 2003 - Jakarta stellt der GAM ein Ultimatum, die Waffen niederzulegen und das Ziel eines unabhängigen Aceh aufzugeben - andernfalls drohe eine Militäroffensive.
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