Kein Geschäft ohne Vielfalt

Ins Boot geholt Die Initiative Business & Biodiversität soll Industrie und Wirtschaft grüner machen

Es gibt Bier auf Hawaii und Sommerreifen auf Mauritius. Industrie, Landwirtschaft und Handel produzieren und verkaufen überall alles, was gefragt ist und Profit verspricht. Dabei nutzt ausnahmslos jeder Industriezweig direkt oder indirekt Naturressourcen. Auch wenn Tiere und Pflanzen nicht das Wirtschaftsgut sind, mit dem eine Branche arbeitet, so trägt doch auch der Energie- und Flächenverbrauch zur Einschränkung natürlicher Ökosysteme bei.

Mit der Initiative Business - die BRD wirbt dafür auf der Biodiversitätskonferenz in Bonn - soll erreicht werden, dass auch die Wirtschaft verstärkt für den Schutz der biologischen Vielfalt Verantwortung übernimmt und so genannte Biodiversitätsziele zu Unternehmenszielen erklärt. "Deutschland als einer der führenden Industriestaaten profitiert in hohem Maße von der wirtschaftlichen Nutzung der biologischen Vielfalt", warb Umweltminister Sigmar Gabriel in der vergangenen Woche auf einer Sonderkonferenz der Umweltminister in Mainz für das Projekt, weitere Verschwendung der Natur könne man sich nicht leisten.

Die Initiative soll mehr sein als ein grünes Deckmäntelchen mit ein wenig Umweltengagement hier, ein bisschen Naturschutzsponsoring dort. Die Teilnehmer sollen es nicht nur ernst meinen, sondern ernst machen. "Wenn wir glauben würden, wir färben mit so einer Initiative alles grün, dann wären wir naiv", erklärt Edgar Endrukaitis, der bei der Deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) die Initiative des Bundesumweltministeriums koordiniert. "Was wir wollen, das ist, einen Anstoß geben und sichtbar machen, dass auch Wirtschaft Verantwortung für die Biodiversität übernehmen kann."

Eigentlich war das Ziel, die Wirtschaft mit ins Boot zu holen, schon auf der ersten Konferenz zum Erhalt der biologischen Vielfalt 1992 in Rio de Janeiro beschlossene Sache, nur zu einer konkreten Umsetzung war es bis jetzt nicht gekommen. Dagegen ist das, wovor Umweltaktivisten und Wissenschaftler bereits Mitte der achtziger Jahre gewarnt haben, längst eingetreten: Durch den Raubbau an der Natur gefährdet der Mensch nicht allein seine Lebens- und Ernährungsgrundlage, es entgehen ihm auch wirtschaftliche, technische und medizinische Möglichkeiten. Und damit ist auch die Industrie vom Artenschwund betroffen.

Medikamente aus der Wildnis gibt es viele, manche enthalten chemische Nachbauten, natürlich vorkommender Substanzen, andere entstehen direkt aus Naturprodukten: Fast 50 Prozent aller in Deutschland zugelassenen Medikamente werden aus pflanzlichen Rohmaterialien hergestellt. Doch dem Milliardenmarkt der Pharmaindustrie sind durch den Artenschwund bereits unzählige Gelegenheiten entgangen. Beispielsweise gab es in einem kleinen Teil Australiens zwei Froscharten, die eine außergewöhnliche Brutpflege betrieben: Sie trugen ihren Nachwuchs im elterlichen Magen herum, die Kaulquappen schützten sich vor der Magensäure mit einer Schmiere, die sie selber absonderten und die verhinderte, dass sie im Magensaft zersetzt und verdaut wurden. Doch obwohl die Forschungsergebnisse Anlass zur Hoffnung gaben, wurde das Geheimnis der Schmiere nicht gelüftet und die chemischen Tricks der Kaulquappen konnten keinem Medikament gegen Magengeschwüre zu besserer Wirksamkeit verhelfen, denn beide Froscharten starben binnen kürzester Zeit aus. Biotopzerstörung und eine sich rasch ausbreitende Pilzerkrankung vernichteten beide Spezies; eine davon, den Nördlichen Magenbrüterfrosch, hatte man gerade erst entdeckt.

Beispiele wie der Magenbrüterfrosch zeigen, dass mit jeder verlorenen Art nicht nur ideelle Werte für immer vernichtet werden. Pharma- und Kosmetikbranche sollten also in jedem Fall Interesse am Artenschutz und an einer solchen Kampagne haben. Auch für traditionell in der Biobranche aktive Unternehmen wie Hipp oder Bionade erscheint der Zusammenhang klar, aber ein Schokoladenfabrikant? Ein Reisekonzern? Ein Zementhersteller? Immerhin verlangt die Initiative Business von den Teilnehmern konkrete Maßnahmen für eine bessere Nachhaltigkeit in einem eigenen Umweltmanagementsystem und sogar die Einrichtung einer verantwortlichen Stelle im Unternehmen, quasi eines Gleichstellungsbeauftragten in Biodiversitäts-Angelegenheiten.

Dennoch sind unter den bisherigen Unterzeichnern der so genannten Leadership-Erklärung zur Business Initiative auch Unternehmen wie die HeidelbergCement AG. Diese verfolgt im Rahmen der Initiative ein Projekt zur Verbesserung der Wiederherstellungsmaßnahmen auf den eigenen Abbauflächen und will mit optimiertem Umweltmanagement langfristig Renaturierungskosten sparen. "Inhabergeführte Unternehmen haben es leichter", sagt Endrukaitis. "Wenn ein Herr Ritter das will, macht er mit, in einer Aktiengesellschaft ist das etwas anderes."

Ein Argument dafür, die Ampel auf grün zu stellen, sind die positiven Auswirkungen auf ihr Image, die sich die Teilnehmer versprechen. Naturschutz ist da wirkungsvoll: "Wenn man es sauber kommuniziert, schlägt Umweltengagement direkt auf die Reputation eines Unternehmens durch", erklärt Klaus-Peter Wiedmann, Professor für Marketing und Management an der Leibniz Universität Hannover. Er erforscht den Ruf von Unternehmen: wie eine gute Reputation entsteht und welche Faktoren dazu beitragen. Im jährlich erscheinenden Reputationsindex sind deutsche Unternehmen dabei häufig erst im Mittelfeld zu finden. Ganz oben spielten zum Beispiel Toyota und IKEA mit.

Der Kunde schätzt an seinen Lieblingsunternehmen neben der Produktqualität auch Service und den Umgang mit Mitarbeitern. Umweltengagement kann zusätzliche Sympathiepunkte und damit auch den Umsatz steigern: "Ein Schild rauszuhängen Ich tu was, nützt nichts", sagt Wiedmann, "man braucht ein professionelles Konzept. Die meisten Menschen sind fasziniert, wenn irgendeiner wirklich etwas hinkriegt."

Wirklich etwas hinzukriegen, ist ein Ziel. Die Initiatoren sehen noch eine andere Triebfeder: "Es entsteht ein immer größerer Druck durch Anleger und Fonds, die die Frage stellen, wie ein Unternehmen ethisch aufgestellt ist, und davon ihre Investition abhängig machen", erklärt Projektkoordinator Endrukaitis von der GTZ, "Konzerne, die als Aktiengesellschaften organisiert sind, können sich langfristig im Naturschutzbereich keine offene Flanke leisten."

Ob Schokolade, Zement oder Tourismus - die Motive zum Naturschutz variieren, ohne kommt aber keiner mehr aus.

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