Verschwiegene Gewalt

Wahl in Südafrika In Südafrika ist ein weiterer Sieg des seit 15 Jahren regierenden ANC wahrscheinlich. Die Frauenrechte, die die Partei einst durchsetzte, sind ihr heute weniger wichtig

Eigentlich müsste Südafrika ein Paradies für Frauenrechte sein. In keiner Verfassung der Welt wird die Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern ernster genommen. Auch schützen die Frauen umfassende Gesetze vor häuslicher und sexueller Gewalt. Damit wollte die Mandela-Regierung einen Schlussstrich unter die patriarchalen Ausbeutungsstrukturen ziehen. Doch die Realität wenige Wochen vor der Wahl am 22. April sieht anders aus. In der nach wie vor stärksten Partei, dem African National Congress (ANC), hat die Umsetzung der Gleichberechtigung keine politische Priorität. Dort tobt ein Machtkampf zwischen Traditionalisten und fortschrittlichen Kräften, der immer härter ausgefochten wird.

Nationale Frauenkoalition

Seit 15 Jahren ist der ANC Regierungspartei. Doch nach innen ist die Partei zerstritten und die Kritik häuft sich. Die sozialen Probleme bekommt die Regierung nicht in den Griff. In den Wohngebieten der schwarzen und farbigen Bevölkerungsmehrheit – den früheren Townships und Homelands – prägen Armut und Gewalt noch immer den Alltag. Die ehemalige ANC-Parlamentarierin Pregs Govender richtet sich in ihrer politischen Arbeit besonders an die Frauen: „Wir Frauen müssen uns neu formieren,“ fordert sie. Als junge ANC-Aktivistin hatte sie am Kampf gegen das Apartheid-Regime mitgewirkt, zunächst in Studentenorganisationen und dann in Gewerkschaften. Im Zuge der politischen Wende Anfang der 1990er Jahre war sie daran beteiligt, Frauenrechte in der neuen Verfassung zu verankern. Damals setzte sich die nationale Frauenkoalition, ein breites Bündnis ganz unterschiedlicher Frauenorganisationen, gegen die Chiefs durch. Diese mächtigen Traditionalisten auf dem Land hatten mit allen Mitteln verhindern wollen, dass Frauen als gleichberechtigte Bürgerinnen anerkannt wurden.

Militanter Zulu-Mann

Seit dem Freispruch im Vergewaltigungsprozess gegen Jacob Zuma im Mai 2006 gewinnen die Traditionalisten im ANC an Oberwasser. Der heutige ANC-Chef Zuma zog wiederholt die ethnische Karte und inszenierte sich während des Vergewaltigungsprozesses als militanter und potenter Zulu-Mann, wofür ihm seine Anhänger applaudierten. Sogar die ANC-Frauenliga zählte zu seinen Unterstützern, was innerhalb der Frauenbewegung heftige Kontroversen auslöste. Viele warfen den Parteipolitikerinnen vor, Vergewaltigern einen Freibrief auszustellen. Jacob Zuma, der jahrelang die nationale AIDS-Kommission geleitet hatte, gab unverhohlen zu, ungeschützt mit einer HIV-positiven Frau geschlafen zu haben. Den Vergewaltigungsvorwurf bestritt er aber. Ein weißer Richter sprach ihn in einem vielfach kritisierten Verfahren frei. AIDS-Organisationen kritisierten das milde Urteil, weil es ungeschützten Sex bagatellisiere. Erstmals bildeten Frauen- und AIDS-Organisationen neue Allianzen, um gegen die politische Vereinnahmung von sexualisierter Gewalt zu protestieren.

Doch die südafrikanische Frauenbewegung ist tief gespalten. Frauenorganisationen, die politische Lobbyarbeit leisten, und Frauen an der Basis trauen sich nicht über den Weg. Viele Schwarze fühlen sich im Stich gelassen und nur wenige weiße Arbeitgeberinnen zeigen sich mit dem Kampf gegen Gewalt solidarisch. Und das, obwohl auch sie mit Inzest und Vergewaltigungen konfrontiert sind. Aber die weißen Frauen tun häusliche Gewalt und Misshandlungen der Mädchen durch Väter und Onkel als Privatprobleme ab und schweigen über erlittene Traumatisierungen. Das erschwert die Arbeit der Frauenorganisationen. Doch im Wahlkampf haben sie das Thema wieder auf die Agenda gesetzt und die Parteien aufgefordert, der Gewalt eine deutliche Absage zu erteilen.

Zersplitterte Regierungspartei

Am 22. April sind 23 Millionen Menschen zur Wahl aufgerufen. Zwar macht sich in der Bevölkerung immer wieder eine große Unzufriedenheit mit dem ANC Luft. Doch obwohl er dieses Mal von der ANC-Abspaltung Volkskongress (COPE) herausgefordert wird, gilt der Sieg des ANC in zwei Wochen als weitgehend sicher. Zu der zwielichtigen Rolle, die ANC-Chef Jacob Zuma im Vergewaltigungsprozess spielte, kommen noch aktuelle Korruptionsvorwürfe, die allerdings seinem Ansehen kaum zu schaden scheinen. In den Townships und auf dem Land, so heißt es, werden sich die Wahlen entscheiden. Dort ist die ehemalige Präsidentengattin Winnie Madikizela-Mandela populär, die ebenfalls immer wieder für die in der Verfassung verankerte Gleichberechtigung der Frauen eintritt. Auch sie steht für den mittlerweile in viele unterschiedliche Strömungen zersplitterten ANC.

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