Massenarbeitslosigkeit ist nichts Neues mehr. Der Sockel hat sich in den letzten 30 Jahren von Zyklus zu Zyklus erhöht. Allerdings war der bisherige Rekord von fünf Millionen nur eine kurzzeitige Spitze im Übergang zu Hartz IV; danach konnten mehr als eine Million in prekarisierte Billigbeschäftigungen abgeschoben werden, und einige Hunderttausend schafften es dank des von Finanzblasen genährten weltkonjunkturellen Strohfeuers sogar bis in sozialversicherungspflichtige Vollzeitjobs.
Jetzt droht eine bislang unvorstellbare Krisendimension. Noch ist sie ein Medienereignis, aber der neue Einbruch auf dem Arbeitsmarkt hat schon begonnen. Ein Höchststand von acht Millionen offiziell registrierten Arbeitslosen in den kommenden Jahren ist für die BRD nicht mehr völlig ausgeschlossen. Niemand hat dieses Horrorszenario bisher durchrechnen wollen, aber die Folgen sind absehbar.
Ab einer bestimmten Größenordnung verstärkt sich die Arbeitslosigkeit selbst wie eine abgehende Lawine. Die kritische Masse ist erreicht, sobald die qualifizierten Kernbelegschaften der großen Industriekonzerne erfasst werden, beginnend mit der Autoindustrie. Denn an jedem einzelnen High-Tech-Arbeitsplatz hängen nicht nur zahlreiche Arbeitsplätze in den tief gestaffelten Zuliefer- und Grundstoffindustrien, sondern noch weitaus mehr Beschäftigungsverhältnisse im Einzelhandel, bei den Humandienstleistungen oder in der Freizeitindustrie; vom Würstchenverkäufer bis zur Friseuse. Die viel beschworene Mehrheitsbeschäftigung in den mittelständischen Sektoren steht viel weniger auf eigenen Füßen, als man glauben möchte.
Risse im sozialen Netz
Eine sich selbst verstärkende Arbeitslosenlawine verwandelt sich durch den fortschreitenden Ausfall von Nachfrage zwangsläufig in einen ebenso verstärkten ökonomischen Lawinenabgang. Dabei gibt es mehrfache Rückkoppelungseffekte, durch die die negative Dynamik gesteigert wird. So reißen die schon jetzt bis zum äußersten gespannten sozialen Netze der Renten-, Arbeitslosen- und Krankenversicherung, da sie beschäftigungsabhängig sind. Mit dem Wegfall der Transfereinkommen verschwindet weitere Massennachfrage, während gleichzeitig die institutionellen Träger und nachgeordnete Sektoren wie Kliniken oder Pflegedienste mangels Finanzierungsfähigkeit dichtmachen müssen. Das wäre der zweite Schub des Abgangs im Dienstleistungssektor.
Außerdem werden bei einer derart dramatischen Entwicklung natürlich sämtliche Sparkonten und Geldanlagen aus besseren Zeiten abgeräumt. Das kann die Nachfrage nicht wirklich stabilisieren. Aber damit erfasst ein dritter Schub des Lawinenabgangs noch einmal den bereits verschütteten Finanzmarkt. Ein massenhafter Abzug sämtlicher kleiner und mittlerer Einlagen gerade auch im bislang verschonten Sparkassensektor reißt, wie jedes Kind weiß, das gesamte Kreditsystem samt Einlagensicherung in den Abgrund.
Die Folge weiterer Massenentlassungen in diesem Gewerbe wäre dann fast schon egal, weil beim „weißen Tod“ des Kapitalismus sowieso nichts mehr geht. Außer Zigarettenwährung und Stallhasen im Hinterhof natürlich.
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