Kampf der Eisengesichter

Jemand, der sein Leben hindurch, wie ich, ein überzeugter Pazifist war, wird den Militäreinsatz im Kosovo ablehnen wie jeden Krieg. Eigentlich ist ...

Jemand, der sein Leben hindurch, wie ich, ein überzeugter Pazifist war, wird den Militäreinsatz im Kosovo ablehnen wie jeden Krieg. Eigentlich ist damit alles gesagt. Nun gehören zu den Gegnern dieses Militäreinsatzes nicht nur Pazifisten, in Deutschland befindet sich unsereins in Gesellschaft von Christian Ströbele, Alfred Dregger, Helmut Schmidt, Gregor Gysi, Gerd Schmückle und Henning Voscherau. Daß, welche Meinung man vertritt, man immer auch auf überraschende Verbündete trifft, ist so gewiß wie der Umstand, daß in diesem Falle alles zugunsten des nationalistischen Diktators Milosevic verwendbar ist.

Denn eine sofortige Feuereinstellung, wie ich sie dringend befürworte, würde ihm ebenso als Erfolg angerechnet, wie der Umstand, daß die mehrwöchige Bombardierung Serbiens ihn von sämtlicher innenpolitischen Gegnerschaft befreit, jedenfalls schon einer ist. Der Mann bewegt sich daheim so unumstritten wie nie zuvor. Damit wird zugleich gesagt, daß die NATO eines ihrer wesentlichen Kriegsziele verfehlte. Die kollektive Haftung, in die sie die Serben nimmt, war mit dem Verlust von Brücken, Bahnstrecken, Straßen, Wasserwerken und Verwaltungsgebäuden zu bezahlen.

Der Krieg hat nicht das Ende der Flüchtlingstragödie, sondern deren Intensivierung gebracht. Vielleicht sollten sich die fleißigen Pressebriefer in Brüssel fragen, ob die Milliarde D-Mark, die ihr Krieg seriösen Rechnungen zufolge allwöchentlich kostet, in Hilfsgütern nicht besser angelegt wäre. Auf die andere Frage, wieso man ausgerechnet in diesen Konflikt militärmächtig eingriff, während man im türkischen Kurdistan, in Algerien, Tschetschenien und Ost-Timor tatenlos blieb, fiel ihnen bis jetzt bloß ein, dergleichen Auskunftsbegehren sei zynisch und die Tatenlosigkeit anderswo kein ausreichender Einwand gegen das Eingreifen hier, was ausgesprochen dürftig klingt.

Wenn nicht alles täuscht, haben die Militärstrategen um die eisengesichtigen Generäle Clark und Naumann heute nur drei Optionen: die Erweiterung ihrer Aktion zu einem Bodeneinsatz, was die NATO in eine blutige Guerilla verwickeln würde und vielleicht doch noch die Russen auf den Plan riefe, die vollständige Zerstörung ganz Serbiens oder eine Pattlösung, die sich auf dem Niveau der halbwegs gescheiterten Einsätze in Somalia und Irak bewegen und Milosevic jedenfalls in seinem Amt bestätigen würde. Was aus den Kosovaren wird, weiß kein Mensch. Womöglich droht ihnen das Schicksal der Palästinenser.

Daß niemand in Bonn bisher in markigen Hurrapatriotismus verfiel, sei mit einem bescheidenen Aufatmen vermerkt; darin unterscheiden wir uns von den Briten mit ihrer lärmenden Boulevardpresse und den Franzosen mit ihren säbelrasselnden Neuen Philosophen. Es wiegt gering gegen den Umstand, daß dabei gegen unser Grundgesetz, gegen das NATO-Statut und gegen den Geist der Vereinten Nationen verstoßen wurde. Über die Schäden werden wir zu befinden haben, wenn der Wahnsinn erst vorüber und die Grünen-Partei zerbrochen ist und in der Berliner Republik dann die Große Koalition regiert.

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