Heuchelei der linken Sanktionsleugner

Wagenknecht Die Auseinandersetzungen um Wagenknechts Rede zeigen, dass auch ihre innerparteilichen Gegner keine Argumente haben, und eine rationale Debatte in der LINKEN verhindern

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Die schnappatmige Empörung, die man/frau kurz nach der Rede Sahra Wagenknechts im Bundestag am letzten Donnerstag in der veröffentlichten Meinung der Bundesrepublik vernehmen konnte, war zwar laut, aber im Inhalt der Kritik recht einförmig (wenn man mal vom Abgeordneten Felix Banaszak von den GRÜNEN absieht, der Wagenknecht unterstellte, 'Kreml-Lobbyistin', also direkt von Moskau bezahlt zu sein. Damit wandelt er auf sehr dünnem Eis, es könnten sich leicht Rechtsanwälte finden, die hier juristisch tätig werden wollen).

Dies gilt auch für ihre innerparteilichen KritikterInnen, die sämtlich Varianten des Tadels weitergeben, der eh im Berliner Mainstream-Diskurs en vogue ist, garniert mit einigen innerparteilichen Manipulationsversuchen. Die KritikerInnen schelten Wagenknecht vor allem auf dreierlei Grundlage. Zum ersten, weil die Rednerin Ursache und Wirkung verdrehe, und damit, so z.B. Gösta-Beutin, eine Täter-Opfer-Umkehr betreibe. "Tatsächliche Ursache der Energiekrise ist der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine", schrieb Beutin auf Twitter. Ach so? Die Problematik Sanktionen wird hier auf die simple Formel Krieg = Sanktionen verkürzt, und dann die Botschaft ausgegeben, wer Sanktionen ablehne, leugne den Putinschen Krieg. Schließlich, so die Implikation, habe man die Sanktionen ja wegen des Kriegs erlassen 'müssen'. Was für ein primitiver Unsinn, und eine gezielte Verzerrung der Wagenknecht'schen Position. Viele der großen Handelspartner Deutschlands sind aktuell in militärische Abenteuer verstrickt - von der Türkei und Saudi-Arabien z.B. werden in Kurdistan und dem Jemen brutale Kriege geführt, die ein vielfaches der bisherigen Opfer in der Ukraine gefordert haben, und in beiden Fällen ist man auch nur von einem Verbot für Waffenexporte in diese Länder Lichtjahre entfernt - von einer Sanktionierung der USA wegen ihres weiter andauernden völkerrechtswidrigen Drohnenkrieges in Afrika und Mittelasien mit Zehntausenden von Opfern ganz zu schweigen.

Das zweite Argument ist eine Variation des ersten. Auch Kathrin Vogler empört sich auf Twitter: 'Putin hat ein Gasembargo gegen Deutschland verhängt, nicht umgekehrt'. Sie ist damit ganz auf der Linie von Kanzler Scholz, der (inzwischen durchaus zutreffend) feststellt, Russland gebrauche Energieexporte ' als Waffe'. Spätestens hier wird es aber einfach unehrlich und fake-news-haft. Denn auch Vogler dürfte mitbekommen haben, dass sich der Europäische Rat schon am 9.März auf Betreiben von Ursula von der Leyen das Ziel gesetzt hat, ab 2027 keine Energielieferungen aus Russland mehr zu beziehen, und innerhalb eines Jahres eine Einfuhrdrosselung von russischem Gas um zwei Drittel durchzusetzen. Und das mit explizitem Hinweis auf die eigene Absicht der Lahmlegung der russischen Wirtschaft, 'um die russische Kriegsführungsfähigkeit zu schwächen' - was nichts anderes heißt, als dass man ganz offen selbst auch die (Nicht-)Bezahlung von Energielieferungen als Waffe einzusetzen plant. Dass nun die russische Seite dem zuvorkommt, kann da nicht verwundern.

Und zu guter Letzt kredenzt Jörg Schindler, ehemaliger Bundesgeschäftsführer der Partei, noch ein Argument, das wohl vor allem auf die wohlmeinende Basis der Linkspartei zielt: Die Rede hätte 'nicht den demokratisch beschlossenen Willen ihrer Mitglieder, Wähler*innen, Anhänger*innen' artikuliert, twitterte er nach der Rede. Kennt Schindler, unter dessen Ägide als Wahlkampfleiter die Partei 2021 ihr bislang katastrophalstes Wahlergebnis zu verzeichnen hatte, den Wortlaut des jüngsten Erfurter Parteitagsbeschlusses nicht? Der Beschluss, auf den er hier anspielt, lehnt durchaus Sanktionen ab, nämlich solche 'Sanktionen, die sich vor allem gegen die Bevölkerung richten'. Und es kann nun wirklich keinerlei Zweifel geben, dass sich die Folgen der geplanten Gas-Sanktionen massivst gegen das soziale Auskommen der russischen wie auch der deutschen Bevölkerung richten werden. Die Position Wagenknechts bewegt sich also durchaus innerhalb der Beschlusslage von Erfurt! Und auch dass Wagenknecht gerade bei den (Noch-)Wählern der Linken außerordentlich große Sympathiewerte hat, muss ihm bekannt sein. Er stellt beides dennoch in Abrede, und zeichnet Wagenknecht erneut als ewig unzuverlässige Querulantin: Die Wahrheit ist um einiges komplexer. Es sollen wohl GenossInnen der LINKEN, die diese Hintergründe nicht kennen, in ihrem persönlichen Bild von Wagenknecht manipuliert werden. Hier wird einfach mit Dreck geworfen.

Das will heißen: Die eigentlichen Argumente von Wagennechts KritikerInnen aus den eigenen Reihen sind schwach, wenn man hinter die Kulissen scheinbar gerechter moralischer Empörung schaut. Unabhängig davon, für wie glücklich man einzelne Redefiguren und Wörter in der Rede Wagenknechts hält (z.B. die Formulierung des 'Vom Zaun Brechens' des Wirtschaftskriegs) - diese Winkgelzüge zeigen, dass dies gar nicht der wirkliche Punkt der Auseinandersetzung ist.

Es geht schlicht und einfach um die Wagenknechtsche Position, dass auch die Einführung von Sanktionen gegen Russland eine konkrete politische Entscheidung der Bundesregierung darstellt, um auf den Ukraine-Krieg zu reagieren, dass diese aber eben nicht naturgesetzlich aus jenem folgen, und dass diese Entscheidung daher auch wieder korrigierbar ist. Die Wagenknecht'sche Position ist völlig rational, und verdiente auch so debattiert zu werden - auch Gregor Gysi spricht sich inzwischen für die teilweise Rücknahme der Sanktionen aus.

Aber diese Sichtweise wird nicht rational debattiert, sondern aggressiv ausgegrenzt und zensiert. Offensichtlich assistieren auch prominente Mitglieder der LINKEN durch ihre manipulative Argumentation der Pressekampagne, die gegen Wagenknechts Position gerade läuft. Im Umfeld der Arbeitsgemeinschaft Populäre Linke in der LINKEN ist unterdessen eine Unterschriftenkampagne gestartet worden, die sich für die Rede Wagenknechts ausspricht, und eine rationale Debatte der Sanktionsfrage in der LINKEN einfordert.

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