Frieden mit wem?

Irak Für einen Truppenabzug fehlt den USA in Bagdad der richtige Ansprechpartner

Immer häufiger wird der Irak mit Vietnam verglichen: trotz haushoher militärischer Überlegenheit können die USA das Land nicht kontrollieren. Die Wirbelsturmkatastrophe in Louisiana und Mississippi bietet nun die Möglichkeit, ohne größeren Gesichtsverlust Teile der Nationalgarde aus dem Irak abzuziehen, weil die im Katastrophengebiet gebraucht wird. Beschämend, dass nur eine Naturkatastrophe solch furchtbaren Ausmaßes Präsident Bush begreiflich machen konnte, dass die wirklichen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts nicht nach einem High Tech gestützten Imperialismus verlangen oder der Eroberung des Mars, sondern vor allem anderen den Erhalt angestammter Lebensräume des Menschen fordern. Dies gebietet mehr denn je, die Souveränität der Völker zu respektieren, auch wenn einer US-Regierung ihre gewählten oder auch nicht gewählten Repräsentanten missfallen.

Unter dem Eindruck einer Tragödie, der seit dem 29. August Hunderttausende Amerikaner ausgesetzt sind, verblasst in den Medien die Tragödie, die der Irak nahezu tagtäglich durchleben muss. Man denke an die Massenpanik, die am 31. August unter schiitischen Pilgern in Bagdad ausbrach und fast 1.000 Tote kostete. Vermutlich werden wir nie erfahren, ob es stimmt - was viele Schiiten glauben -, dass die Panik ein raffinierter, wahrscheinlich "sunnitischer" Terrorakt gewesen ist. Auf jeden Fall treibt das Unglück die Spaltung des Irak weiter voran, was aber kaum das Ziel der Terroristen sein dürfte. Eine Teilung des Landes ist, trotz aller Dementis, ein von den Amerikanern seit dem zweiten Golfkrieg 1991 angepeiltes Ziel und könnte - sollte eine Segmentierung denn tatsächlich Frieden bringen - letztlich auch von einer Mehrheit der Iraker akzeptiert werden. Nur ist der Weg dahin ebenso unklar wie die Frage, unter welchen Bedingungen sich die USA und ihre Alliierten endgültig zurückziehen. Mit wem eigentlich sollen eine Waffenruhe und ein belastbarer Frieden ausgehandelt werden?

Wie ein Bumerang schlägt jetzt die von den USA, aber auch von Israel in den neunziger Jahren verfolgte Praxis zurück, politische Gegner wie Saddam Hussein oder Jassir Arafat vollends zu delegitimieren. Das widersprach jeder "Kriegsweisheit", die damit kalkuliert, dass man seine Ziele nie hundertprozentig erreicht und irgendwann - allein schon, um eigene Kräfte zu schonen - Verhandlungen notwendig sind. Das galt und gilt freilich unter Nationen, die gelernt haben, sich als ebenbürtig einzuschätzen. Wer hingegen einen Gegner seiner legitimen Streitkräfte beraubt und von Marionetten regieren lässt, bedient sich alter kolonialistischer Handlungsmuster, die zu bewaffneter Gegenwehr führen. Die Vorgänge im Irak so zu deuten, heißt nicht, deren Ergebnis als "revolutionäre Gewalt" zu begrüßen.

Die Crux der gegenwärtigen Lage besteht gerade darin, dass die aus dem Hinterhalt operierenden Kräfte zwar ständig stärker werden, aber tatsächlich von niemandem wirklich zu beurteilen sind. Weder ihre Identität, noch ihre Programme sind bekannt, um ernsthaft analysiert zu werden. Man erinnere sich: Dem Ende des Vietnam-Krieges gingen jahrelange Verhandlungen in Paris voraus, die erst beginnen konnten, als die Kriegsgegner ihre Legitimität gegenseitig anerkannten.

Abgesehen davon, dass die derzeit von Kurden und Schiiten gebildete Regierung in Bagdad ohne die Sunniten agiert, verfügt sie über viel zu wenig militärische Macht, um von ihren irakischen Gegenspielern anerkannt zu werden. Wenn diese Regierung Verhandlungen über den Abzug der Amerikaner führt, dürfte das ihr erster und letzter souveräner Akt gewesen sein. Es besteht die große Gefahr, dass anschließend afghanische Verhältnisse Einzug halten, weil eingesessene und eingewanderte Warlords um die Vorherrschaft kämpfen. Der Irak wäre nicht demokratisiert, sondern in archaisch anmutende Klein-Imperien zerfallen.


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