Leb wohl, sagt mein Genie

Euthanasieakten in Stasiarchiven Die Künstler unter den Opfern dienten den Nationalsozialisten zur Definition von "entarteter Kunst"
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Wenn er seine depressive Phase nahen fühlte und sich im thüringischen Dörfchen Rauenstein aufs Fahrrad setzte, um zu seinem Arzt nach Sonneberg zu fahren, war es manchmal schon zu spät. Die düsteren Gedanken setzten ihm so zu, dass er unterwegs abstieg und sich die Pulsadern öffnete. Irgendein doch noch vorhandener Überlebensinstinkt muss ihm eingegeben haben, die Aktion so nahe am Straßenrand zu beginnen, dass er jedes Mal von Autofahrern beobachtet, aufgelesen und einer Rettung zugeführt wurde. 1939 war damit aber Schluss: der manisch-depressive Volkshochschullehrer und Kunstmaler Karl Kister wurde aus dem Dienst entlassen und in die Nervenheilanstalt Bernburg eingewiesen. Seine Frau und seine beiden minderjährigen Töchter blieben fa