Schlacht des Kamels

Saudi-Arabien Eine neue Friedensmacht im Nahen Osten?

Man war schon erstaunt, als es in Riad Anfang Februar gelang, im herauf ziehenden Bürgerkrieg zwischen den Palästinensern zu vermitteln und eine Regierung der nationalen Einheit auf den Weg zu bringen. Noch mehr verwunderte dann freilich, dass der iranische Präsident Ahmadinedschad von König Abdullah herzlich begrüßt wurde - und es bei diesem Treffen nicht nur um Absprachen vor der internationalen Irak-Konferenz vom vergangenen Wochenende in Bagdad ging. Ein solcher Abgleich hätte auch intern und ohne direktes Gespräch stattfinden können.

Dass Ahmadinedschad mit großem Bahnhof in Riad empfangen wurde, dürfte ein deutlicher Wink an die Adresse der USA und Israels gewesen sein, dass die Saudis einen Militärschlag gegen Iran keinesfalls billigen. Da sie im Moment der einzig handlungsfähige Partner und der einzige sichere Öllieferant der Amerikaner in Arabien sind, nehmen sie sich die Freiheit dazu einfach einmal heraus. Ob ihnen weitergehende Ziele vorschweben, lässt sich schwer absehen. Im Gegensatz zum Gebaren westlicher Regierungen ist das saudische Königshaus äußerst sparsam mit Verlautbarungen, die dazu angetan sein könnten, sein politisches Handeln auszudeuten.

Offenbar reichen die Klischees nicht mehr aus, mit deren Hilfe man in Europa die Staaten des Nahen Ostens bislang sowohl zu verstehen als auch zu spalten suchte. Die Rivalität zwischen Iranern und Saudis um die Hegemonie im gesamten islamischen Raum galt als stabil, da sich in ihr die Spaltung in Sunna und Schia fortzusetzen schien. Davon ist die muslimische Welt seit 656 - seit der "Schlacht des Kamels" zwischen Aischa, der Lieblingsfrau des Propheten, und Ali, seinem Schwiegersohn - geprägt. Tatsächlich vergaßen die Schiiten nie, dass Sieger Ali und seine beiden Söhne, die Enkel des Propheten, danach von Muslimen ermordet wurden, die ihre Führerschaft nicht anerkennen wollten. Die Sunniten berufen sich dagegen auf den Wunsch des Propheten, dass die Führerschaft nicht durch Blutsbande gesichert, sondern demjenigen anzuvertrauen sei, der sich dafür als Fähigster erweist.

Wer den islamischen Raum in den zurückliegenden Jahrzehnten genauer beobachtet hat, konnte feststellen, dass die Grenzen zwischen Schiiten und Sunniten fließender werden, obwohl es den Saudis gelang, durch eine Re-Islamisierung den sunnitischen Block zu konsolidieren und ihren Einfluss auf die meisten post-sowjetischen Republiken und deren islamische Community auszuweiten. Ihre schier unerschöpflichen Ressourcen an Petrodollars investierten sie weltweit nicht nur in kulturelle Infrastruktur - sprich: Moscheen und islamische Universitäten. Sie errichteten zudem ein weltweites System der Sozialhilfe, von dem Bedürftige profitieren können, wenn sie sich zu den sunnitischen Lebensregeln bekennen. Die Iraner, die mit ihren Petrodollars eine viel größere eigene Bevölkerung unterhalten müssen als die Saudis, setzten ihre Mittel gezielter ein, zum Beispiel für die Hisbollah im Libanon. Wenn die Zahl der Schiiten bis weit in den Maghreb hinein wuchs, ist dies gleichfalls dem finanziellen Beistand geschuldet, die der Iran dortigen Oppositionsströmungen - etwa der islamistischen Guerilla in Algerien, einem bislang überwiegend sunnitischen Land - erwiesen hat. Dass sich parallel dazu im arabischen Raum Teile der sunnitischen und der schiitischen "Basis" näher kommen, hängt mit dem entschieden antiimperialistischen Kurs zusammen, den der Iran seit der Revolution des Ayatollah Khomeini verfolgt. In der daraus resultierenden konträren Position zu den USA lag seit 1980 wahrscheinlich der größte Gegensatz zwischen Teheran und Riad.

Allerdings muss relativiert werden: Es existiert eine innersaudische Opposition, die gegen jede Allianz mit den Amerikanern kämpft. Aus dieser Klientel stammte mancher Attentäter des 11. September - sie war und ist zumindest partiell mit dem nebulösen Gebilde identisch, das al-Qaida heißt. Wenn sich nun der saudische Monarch mit dem iranischen Präsidenten an einen Tisch setzt, mag das nicht zuletzt dem fortgesetzten Druck dieses Lagers zu verdanken sein. Hier fallen auch Stämme ins Gewicht, die in der Nachbarschaft der schiitischen Regionen des Irak leben und selbst Schiiten sind, ihrem Ritus jedoch in Saudi-Arabien nicht folgen dürfen.

Die Regierung in Riad vollzieht keinen Fronten-, sehr wohl aber einen Rollenwechsel, wenn sie als Parlamentär von sich reden macht. Dabei kann als sicher gelten, dass wie zuvor die Interessen der USA und Israels mit vertreten werden. Vermutlich sind die diplomatischen Signale aus Riad auch eine Reaktion auf die enttäuschende Vorstellung der EU, die weder zu glaubwürdigen noch zu ausgewogenen Vorschlägen in der Lage scheint, um die Lage im Irak oder in Palästina zu entkrampfen. Deutsche Tornados in Afghanistan einerseits und der saudisch-iranische Dialog andererseits demonstrieren, wie sich unvermindert die Fronten eines weltweiten Clash of civilizations herausschälen, für dessen Prophezeiung Samuel Huntington in den neunziger Jahren noch Schelte bezog.


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