Alles wird gut

Sonntagsschmöker In Karen-Susann Fessels Lesben-Roman "Bis ich sie finde" geht´s auch nur um Liebe

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Uma, die in Berlin der Schwarm zahlloser Frauen ist, verliebt sich auf einer Reise nach Australien in die Schwedin Jane, die als Junge geboren wurde. Es ist eine kurze und dabei leidenschaftliche Begegnung, dann stößt Jane Uma zurück, und Uma nimmt ihr unstetes Leben zuhause wieder auf, den Job, die Affären und Freundschaften in der Szene. Dabei geht ihr Jane nicht aus dem Sinn. Die kommt eines Tages nach Berlin; erneute Leidenschaft, aber Jane gibt ihnen keine Chance, denn sie selbst sei keine richtige Frau, und Uma stehe ja offensichtlich auf Frauen. Jane reist ab, Uma findet eine neue Geliebte; zwischen ihr und Marianne entwickelt sich eine langjährige, feste Beziehung. Zwei Kinder kommen dazu, die beiden Frauen werden mehr oder weniger bürgerlich. Aber Uma sehnt sich weiter nach Jane; es gibt ein zufälliges Treffen und einen gezielten Seitensprung - und bald zehn Jahre nach der ersten Begegnung gesteht sich die Heldin nicht nur ein, dass Jane die Frau ihres Lebens ist, sondern auch, dass sie Konsequenzen daraus zu ziehen hat. Sie trennt sich von Marianne und den Kindern, macht sich auf die Suche nach Jane, findet sie in Lappland. "Es wird alles gut", sagt Jane. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute.

Bis ich sie finde heißt der neue Roman von Karen-Susann Fessel, ein 450-Seiten-Schmöker, ein Stück lesbischer Unterhaltungsliteratur, und die enthält ziemlich alles, was bei einem solchen Buch zu erwarten ist. Da sind die exotischen Schauplätze, von der Wüste Australiens bis zu der schneeigen Weite Lapplands. Da gibt es Konflikte mit verstockten Eltern, da ist die glitzernde Szene in Berlin, bevölkert von attraktiven, interessanten Frauen. Dann wird das mehr oder weniger etablierte Leben ausgemalt, einschließlich der Erfahrungen mit den Kindern, und endlich der Auf- und Ausbruch hin zur wahren Liebe. So weit, so schön - aber was ist eigentlich der Kern dieses Buchs, sein Unruheherd?

Die Geschichte wird aus der Perspektive der butch-Heldin Uma erzählt, und so bleibt offen, was Jane bewegt. Freundlich gesagt, wahrt die Autorin Distanz zu dieser zweiten Hauptfigur; sie versucht nicht, in deren Haut zu schlüpfen und sich anzumaßen, sie zu erklären. Weniger freundlich gesagt, bleibt die Auseinandersetzung mit dem Thema Transsexualität an der Oberfläche. Karen-Susann Fessel erwähnt die notwendigen schmerzhaften Operationen, die demütigende Behandlung, die einzelnen Schritte der Geschlechtsumwandlung bis hin zu Epilation und Stimmtherapie nur am Rand. Die seelischen Konflikte tauchen ebenfalls eher nebenbei auf, etwa, wenn Jane sagt, sie wolle in der Liebe kein Objekt für gender studies sein.

Der Roman deutet an, dass es eine der Schwierigkeiten von "Transen" ist, überall als exotisch zu gelten und bis hin in die Lesben-und Schwulenszene abgewertet zu werden als nicht Fisch noch Fleisch. Sie sind, könnte man vielleicht sagen, die Randständigen der Randständigen. Wenn dieses Phänomen thematisiert wird, dann vor allem von Kate, mit der Uma seit ihrer Australienreise befreundet ist. Kate ist als Figur viel deutlicher gezeichnet als Jane, sie prägt sich ein in ihrer lautstarken, frechen und dabei zugewandten Art. Kate erklärt, es könne nicht immer so weitergehen "mit uns armen Transenmädels", sie brauche, wie jeder, eine Familie, und werde sie in der Transgender-Szene finden. (Ein Seufzer am Rand: Muss es immer "Familie" genannt werden, wenn Leute nach Zusammenhängen suchen?)

Fessels Roman ist weniger eine Bearbeitung des Themas kulturelle oder biologische Identität. Das Buch ist in erster Linie eine Liebesgeschichte, und was hier sehr deutlich spürbar wird, ist eine damit verbundene Selbstgenügsamkeit. Sie liebt mich, sie liebt mich nicht, darum geht es, der Rest ist bunt ausgemalter Hintergrund. Dabei zeigen zahlreiche Lesungen, dass die Autorin durchaus ihre Fangemeinde hat und in der Szene im Trend liegt. Das neue Buch der 1964 geborenen Autorin ist in vielen Punkten sicherlich gut recherchiert. Formal ist an dem Roman wenig auszusetzen, es gibt Spannungsbögen, die Figuren entwickeln sich. Trotzdem wäre ein strengeres Lektorat notwendig gewesen. Die vielen kleinen Wiederholungen nerven, andauernd wird breit gelächelt, immerzu verengen sich Augen, jedes Gespräch wird untermalt mit dem Öffnen von Bier- oder Wasserflaschen und so weiter.

Grundsätzlicher: Der Roman hätte insgesamt gestrafft werden müssen, er leiert ab der Mitte aus. Das Ende schließlich ist die reine Sonntagspredigt, besinnlich wird die Moral der Geschichte vorgetragen: Träume können wahr werden. Für die Liebe muss man oft hohe Preise zahlen. Der Mensch kann nie alles haben. Gewinn auf der einen Seite bedeutet Verlust auf der anderen. Jeder Mensch ist ein Wunder. Vielleicht ist es ungerecht, der Autorin Trivialität vorzuwerfen, ihr vorzuhalten, dass das Buch von Klischees und auch von Kitsch durchzogen ist - warum soll einem lesbischen Schmöker denn nicht genau das Gleiche zugestanden werden wie den entsprechenden Romanen für Heteros?

Die hier formulierte Kritik an Fessels Buch könnte exemplarisch für unendlich viele Hetero-Romane stehen, die ihrerseits leicht konsumierbar sind, eingängig, befriedend und dabei farbenfroh, die ein Happy End bringen, kurz, die ein Teil und eine Fortsetzung des öffentlichen Geschwätzes sind. Bis ich sie finde setzt dieses Reden auf lesbisch-transsexueller Ebene fort; und man könnte sagen: Die ästhetische Auseinandersetzung mit Romanen wie diesem sollte so lange verschoben werden, bis solche Bücher in jeder Buchhandlung ganz selbstverständlich stehen, und nicht mehr in der Minderheiten-Ecke. Oder man kommt zu dem Ergebnis, dass man Schmökern nicht mit ästhetischen Kriterien zuleibe rücken sollte. Sie sollen spannend sein und zerstreuen, und insofern ist Fessels Buch schon gelungen.

Karin-Susann Fessel: Bis ich sie finde. Roman. Quer, Berlin 2003, 455 S., 20,50 EUR

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