Schmidts Rauchzeichen

Kommentar Zum Abgewöhnen

Einen Euro mehr sollen Raucher für jede Zigarettenpackung an den Staat zahlen. Mit den Mehreinnahmen will die Bundesregierung die Krankenkassenbeiträge senken. Das wirkt politisch korrekt, denn Rauchen ist böse und die Lohnnebenkosten zu senken, ist gut, zeugt aber gleichzeitig von steuer- und gesundheitspolitischer Konzeptionslosigkeit und unterminiert die Glaubwürdigkeit der Koalition. Noch im vergangenen Herbst haben Schröder und Müntefering eine weitere Erhöhung der Tabaksteuer ausgeschlossen, jetzt interessiert sie ihr Geschwätz von gestern nicht mehr. Die Meinungsänderung wäre akzeptabel, wenn damit ein schlüssiges Umfinanzierungssystem verbunden wäre. Aber selbst Gesundheitsministerin Schmidt gibt zu, sie wisse gar nicht, wie viel Geld durch die Steuererhöhung zusammenkomme. Dennoch werden für die Finanzierung sogenannter versicherungsfremder Leistungen feste Ausgabenposten in den Bundeshaushalt eingestellt. Das ist ungefähr so, als buche man den Sommerurlaub und spiele zur Finanzierung Lotto. Die Regierung begibt sich auf einen finanzpolitischen Schlingerkurs, dessen Ziellosigkeit sie bestenfalls kaschieren kann. Niemand kann mehr darauf vertrauen, dass die geschnürten Pakete jemals ankommen werden.

Die Tabaksteuererhöhung überzeugt auch konzeptionell nicht. Bestimmte Steuern zu erhöhen, um damit konkrete gute Werke zu tun, erzeugt einen willkürlichen Zusammenhang. Zugunsten der Zuschüsse bei Schwangerschaft und Mutterschaft hätten ebenso gut die Rüstungsausgaben gekürzt oder Steinkohlesubventionen abgebaut werden können. Aber da traut sich Rot-Grün nicht heran, also werden die Raucher geschröpft, deren Laster im Gegensatz zum Autofahren oder Fliegen keine Lobby hat und deren Mehrbelastung entweder klammheimliche Freude oder zähneknirschendes Hinnehmen erzeugt. Häme als politisches Konzept. Der Vorschlag der grünen NRW-Umweltministerin Höhn, auch die Alkoholsteuern zu erhöhen, ist da innerhalb der rot-grünen Kurzatmigkeit konsequent. Der große Zusammenhang bleibt allerdings einmal mehr unberücksichtigt. Es kommt nicht darauf an, immer noch mehr Geld in ein veränderungsbedürftiges System zu pumpen, sondern eine schlüssige Gesamtlösung auf die Beine zu stellen. Beispielsweise eine komplette Steuerfinanzierung des Gesundheitssystems. Einfach mal die Tabaksteuer zu erhöhen, ohne zu wissen, was sie bringt und wohin sie führt, heißt übersetzt: Etwas Besseres ist uns nicht eingefallen. Und das, was der SPD-Gesundheitsministerin einfiel, ist unter sozialen Aspekten ausgesprochen schlecht: Sie bricht mit dem Paritätsprinzip und will das Krankengeld künftig von den Arbeitnehmern allein tragen lassen. Das erhöht den Beitrag für die Versicherten und senkt ihn für die Unternehmen. Per saldo dürften die avisierten Steuermehreinnahmen fast ausschließlich den Unternehmen zugute kommen. Diese krude Mixtur aus steuer- und gesundheitspolitischen Stolperschritten ist vor allem eines: Zum Abgewöhnen.

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