Es gibt genau eine gute Lösung

Grundsteuer Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts hat das Ringen um eine sozial wie ökologisch progressive Lösung für die Eigentumsbesteuerung gerade erst so richtig begonnen
Am besten wäre, es ginge Spekulanten an den Kragen
Am besten wäre, es ginge Spekulanten an den Kragen

Foto: Photocase/Imago

Es kann in Sachen Politik und Verwaltung kaum mehr im Argen liegen als bei der Gemengelage in Sachen Grundsteuer. Nicht nur, dass das Bundesverfassungsgericht in dieser Woche die Ausgestaltung der Grundsteuer für verfassungwidrig erklärt hat. Nicht nur, dass sich dieses erwartbare Urteil auf einen seit langer, langer Zeit allseits bekannten Zustand bezieht. Nicht nur, dass in Angesicht dieses Zustandes Bundes- und Länderregierungen dennoch über Jahre hinweg untätig geblieben sind. Nein, skandalös ist auch schlichtweg, dass die Grundsteuer eine Eigentumssteuer ist und dennoch auf die Mieterinnen und Mieter umgelegt werden kann.

Der Bundesdirektor des Deutschen Mieterbundes, Lukas Siebenkotten, sagte nach dem Urteil am Dienstag: "Ich hoffe, dass man den Mut besitzt, nun zu sagen, in Zukunft" ist "von dieser Eigentumssteuer ausschließlich der Eigentümer betroffen und es nicht mehr zulässig ist", die Steuerlast "an die Mieter weiterzuleiten". Diese Forderung, wie sie auch aus der Linkspartei erhoben wird, ist zentral in der Debatte um die Zukunft der Grundsteuer, wenngleich sie bisher nur als Randaspekt verhandelt wird.

Villenbesitzer sollen zahlen

Im Fokus stehen eher die verschiedenen Modelle, mit denen verschiedene Gruppen von Bundesländern realisieren wollen, was das Bundesverfassungsgericht verlangt: eine gerechte und somit verfassungskonforme Neuregelung bis Ende 2019. "Verkehrswertorientierte Neubewertung", "Kostenwert-Modell", "Äquivalenz-Modell" – im Grunde kann man sich die Auseinandersetzung mit all diesen Ansätzen schenken. Denn sie erblassen gegenüber dem Konzept, das Mieterorganisationen, Umweltverbände, etliche Bürgermeister, arbeitgeber- wie arbeitnehmernahe Ökonomen und Stadt- wie Landesplanende verlangen: die Bodenwert-Steuer.

Sie erspart, was teuer werden und die personell unterversorgte öffentliche Hand bis 2019 ohnehin nicht zu leisten im Stande sein würde: eine Neubewertung von 35 Millionen Grundstücken in Deutschland, wie sie der Staat nach geltendem Recht eigentlich schon in der Vergangenheit alle sechs Jahre hätte vornehmen müssen. Die Bodenwertsteuer braucht genau zwei Daten in Bezug auf ein zu besteuerndes Grundstück: dessen Fläche und den Bodenrichtwert. Beides liegt fast flächendeckend vor, die Bodenrichtwerte werden landauf und landab ohnehin alle zwei Jahre von lokalen Gutachterausschüssen erhoben. Die Bodenwert-Lösung ließe sich weitaus schneller als bis Ende 2019 realisieren.

Allein der Wert des Bodens

Ein großer Pluspunkt ist dabei die soziale Komponente: Weil nur der Wert des Bodens besteuert wird – unabhängig davon, ob und wie er bebaut ist –, geht es Spekulanten an den Kragen. Wer eine Fläche brachliegen lässt und auf Mieteinnahmen verzichtet, weil er für seinen Profit eh auf die Wertsteigerung des Bodens spekuliert, wird härter belastet als jemand, der auf seinem Grundstück Wohnungen baut oder gebaut hat und mit diesen Mieteinnahmen erzielt. Ein möglichst dicht bebautes Grundstück kommt in Sachen Grundsteuer so also günstiger als eine Brache oder ein Gebäude, das viel Fläche für wenig Nutzung bietet. Bliebe die Abschaffung der Umlagefähigkeit der Grundstücke auf Mieter aus, so wären einkommensschwache Mieter in Mehrfamilienhäusern immerhin besser dran als die Besitzer weitläufiger Villen-Areale.

Der Professor für Steuerlehre und Ökologische Ökonomik an der Hochschule Trier, Dirk Löhr, führt das gegenüber dem Freitag so aus: „Mehrfamilienhäuser sind wesentlich flächensparender als etwa Einfamilienhäuser. Hier konzentriert sich vor allem in den größeren Städten auch der Mietwohnungsmarkt und die Wohnungen der Kleineigentümer. Bei der Bodenwertsteuer verteilt sich die Steuerbelastung von Mehrfamilienhäuser nun auf mehrere Wohnungen, so dass auf die einzelne Wohnung eine entsprechend geringere Belastung entfällt. Unbebaute Grundstücke werden im Rahmen der Bodenwertsteuer zudem genauso hoch besteuert wie bebaute Grundstücke. Dies treibt die Grundstücke in die Nutzung und wirkt der Verknappung von Bauland entgegen. Das knappe Bauland ist das größte Problem bei angespannten Wohnungsmärkten; ein höheres Angebot und eine bessere Nutzung von Bauland kann daher auch der Mietexplosion entgegenwirken."

Zudem würde die Bodenwertsteuerung die voranschreitende Versiegelung der Flächen bremsen, weil ihre Systematik den entlastet, der etwa auf einer innerstädtischen Fläche möglichst dicht und möglichst viele Wohnungen baut und den belastet, der etwa seinen Discounter-Markt auf die grüne Wiese stellt. Das erklärt die Unterstützung von Umweltverbänden für das Modell.

Ein solch heterogenes und doch einstimmiges Bündnis wie das für die Bodenwertsteuer ist selten, gerade wenn es um Steuerfragen geht. Aber das garantiert natürlich nicht die Umsetzung einer Forderung. Durchaus möglich, dass sich Bund und Länder für ein Modell entscheiden, das am Ende sogar Mieterinnen und Mieter stärker belastet. Doch das ist eine politische Frage. Das Ringen um eine sozial wie ökologisch progressive Besteuerung von Grundeigentum hat gerade erst begonnen.

Der digitale Freitag

Mit Lust am guten Argument

Geschrieben von

Sebastian Puschner

stellvertretender Chefredakteur und Ressortleiter Politik

Sebastian Puschner studierte Politik-, Verwaltungswissenschaften und Philosophie in Potsdam und wurde an der Deutschen Journalistenschule in München zum Redakteur ausgebildet. Bei der taz arbeitete er als Redakteur im Berlin-Ressort. 2014 wechselte Sebastian Puschner zum Freitag, wo er den monatlichen Wirtschaftsteil mit aufbaute. Seit 2017 ist er verantwortlicher Redakteur für Politik, seit 2020 stellvertretender Chefredakteur. Er beschäftigt sich mit Politik und Ökonomie, Steuer- und Haushaltsfragen von Hartz IV bis Cum-Ex und Ideen für eine enkeltaugliche Wirtschaft.

Sebastian Puschner

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